Zum Inhalt springen

Misfits – Nicht gesellschaftsfähig (1961) | Filmkritik

„Außenseiter“

Alte Filme können eine Kraft entwickeln, die man nicht erwartet. Schon gar nicht, wenn man sich vorher nur mit Hilfe des Posters und der Besetzung über den Inhalt schlau gemacht hat. Genauso wird es einigen Kinozuschauern Anfang der 1960er Jahre gegangen sein als MISFITS – NICHT GESELLSCHAFTSFÄHIG über sie hinwegfegte. Man sollte auch heute noch die Warnung aussprechen: Es ist ein durch und durch unangenehmer Film. Vor allem mit einem zeitgenössisch feinfühligen Blick auf die Rolle der Frau, ist MISFITS eine Geduldsprobe. Genau in der Halbzeit des Films versorgt uns der Auftritt von Montgomery Clift als erfolgloser Rodeo-Reiter mit etwas Sympathie, nur um uns dann im Finale zu Fall zu bringen. Fünf Protagonisten verbringen zusammen ein paar Tage, lernen einander kennen, warum sie in der Gesellschaft nicht mehr „funktionieren“, um darauf ihre Katharsis in der freien Natur zu erleben. MISFITS ist aber auch filmhistorisch bedeutungsvoll, denn es ist der letzte Film von Marilyn Monroe und Clark Gable.

© Capelight Pictures

Handlung

Reno ist nicht nur ein Ort für Glücksspiel und schnelle Hochzeiten, sondern auch für leichte Scheidungen. Tänzerin Roslyn (Marilyn Monroe) lässt sich von ihrem Mann scheiden und geht auf Sinnsuche. An ihrer Seite ist Isabelle (Thelma Ritter), die schon einige Ehen auf dem Kerbholz hat und immer für die Zelebrierung einer Scheidung zu haben ist. Beide lernen den Mechaniker und Piloten Guido (Eli Wallach) kennen. Über ihn treffen sie auf den alternden Cowboy Gay (Clark Gable) in einer Bar. Die Vier beschließen aufs Land zu fahren. Guido hat dort eine halbfertige Hütte stehen, die er nach dem Tod seiner Frau nicht mehr betreten hat. Beide Männer buhlen um die naive, emotional angeschlagenen Rosalyn. Gay setzt sich durch und das frische Paar verlebt ein paar Tage in der Hütte. Erste Anzeichen deuten sich an, dass beide einige Schicksalsschläge schlecht verarbeitet haben. Als die vier zusammen zu einem Rodeo wollen, treffen sie auf den Anhalter Perce (Montgomery Clift), der am gefährlichen Turnier teilnehmen will. Guy bezahlt ihm die Teilnahmegebühr, wenn er den Männern beim „Mustanging“ hilft, dem Einfangen von Wildpferden. Doch dort wird nicht alles nach Plan verlaufen.

© Capelight Pictures

Ensemble

Damals besetzte man zu gern die Rollen mit passenden Schauspielern, die entweder für bestimmt Persönlichkeiten berühmt waren oder mit ihrer eigenen Persona der Rolle erstaunlich nah kamen. Abgesehen von Wallach und Ritter, die eine vergleichsmäßig einfache Filmografie aufweisen, ist bei Monroe, Gable und Clift viel mehr Drama verbucht. Gable galt als „König von Hollywood“ starb aber bereits mit 59 Jahren an einem Herzinfarkt. Clift verlebte eine kurze Karriere mit psychischen Problemen und Alkoholabhängigkeiten, er verstarb nach einem Herzinfarkt bereits mit 45 Jahren. Monroe, die wohl tragischste und bekannteste Ikone aus diesem Film, wurde 36 Jahre alt und starb an einer Überdosis Beruhigungsmittel. Diese Schauspielriege versammelte sich unter der strengen Führung von John Huston, der für seine herrische Art und Konflikte mit den Produzenten bekannt war. Dass Monroes Ehemann Arthur Miller das Drehbuch für MISFITS – NICHT GESELLSCHAFTFÄHIG geschrieben hat, machte das Leben am Set nicht erträglicher. Unterbrechungen und Verzögerungen gehörten zum Tagesgeschäft. Es gab sogar eine 10-tägige Pause für einen kurzen Entzug Monroes. Die Ehe zu Miller zerbrach noch vor der Premierenfeier.

© Capelight Pictures

Jetzt stellt sich aber die Frage, machen diese markanten Charaktere den Film besser oder schlechter? Das ist schwer zu beantworten. Eines lässt sich aber vor allem sagen, sie machen MISFITS eigensinniger. Jeder folgt während der Handlung seinem eigenen Weg, bringt eigene Arbeitsweisen ein, was von Beginn an nie harmoniert. Die Dialoge, welche immer wieder als Analyse von Arthur Miller an Monroe zu deuten sind, wirken stets fremd und vorgetragen. Die Figuren beschreiben sich selbst, durch Monologe und Erklärungen. Das kann immer wieder nerven, passt aber zu den Außenseitern, die sich gegenseitig belehren müssen, wer sie eigentlich sind. Besonders unangenehm ist der schmierige Umgang von Gay mit Rosalyn. Er nutzt offensiv ihr Mitgefühl und ihre Hilflosigkeit aus. Dem Altersunterschied wird noch einer draufgesetzt, als er sie mit seiner Tochter vergleicht, genauer gesagt mit ihrer Kleidergröße. Vielleicht vor 60 Jahren noch als Sehnsucht nach seiner Familie zu interpretieren, ist es heute eine fragwürdige Andeutung. Monroe verleiht ihrer Rosalyn erst im Finale enorme Stärke, nur um am Ende sich doch für Gay zu entscheiden. Die Monroe im 21. Jahrhundert hätte den Pickup genommen und die Männer in der Wüste ihrem Schicksal überlassen.

© Capelight Pictures

Szenerie

Auch wenn es mit den Figuren nicht funken mag und man im Finale den Jägern gern eins überziehen will, ist die Inszenierung von John Huston beeindruckend. Er scheut sich nicht die Kamera auf Autos und Flugzeuge zu schnallen, lässt dank Stuntmänner amerikanische Sinnbilder lebendig werden und bringt gekonnt die Charaktere in verschiedene Milieus zusammen. Die Studioaufnahmen sind glasklar zu erkennen, aber immer wieder brechen Szenen an Originalschauplätzen hervor, wie das kurze Bad am Strand von Monroe und das Rodeo mit einer Vielzahl von Statisten. Huston ist sich dem Wunsch des Publikums nach den Reizen Marilyn Monroes bewusst, lässt sie zügig durchblicken, aber heute ist so etwas schwer zu ertragen, vor allem diese dümmliche Wette in der Bar. Schwer vorzustellen, dass der ganze Alkohol und der seltsame Unterhaltungswert das Publikum damals begeisterten. Tat es auch nicht, MISFITS floppte an der Kinokasse.

© Capelight Pictures

Unbestreitbar bringt das Finale die Nerven zum Bersten. Sei es aus Tierliebe gegenüber den Pferden, die wie beim Walfang getrieben und entkräftet werden oder sei es aus der Sinnlosigkeit dieser männlichen Rollen, die glauben Cowboys sein zu müssen. Durch die Happy-End-Beziehung zwischen Rosalyn und Gay in der letzten Szene geht erheblich der gesellschaftskritische Biss verloren, aber man kommt nicht drumherum sich damit auseinanderzusetzen zu müssen: Außenseiter begehen moralisch fragwürdige Taten, nur um dem „Lohnschein“ – also den gesellschaftlichen Zwang – aus dem Weg zu gehen. Einen Ausweg bietet MISFITS für die Verstoßenen in der Gesellschaft nicht an, außer mit der Deutung, dass Gay seine alten Ansichten hinter sich lassen kann, auch dank der jungen Blondine an seiner Seite. Jedoch ist man wissend, dass diese Beziehung nicht lang bestehen wird.

© Capelight Pictures

Misfits in UHD und auf Blu-ray

Das UHD-Mediabook direkt beim Label bestellen >>>

Capelight Pictures hat sich den Klassiker vorgenommen und veröffentlicht MISFITS – NICHT GESELLSCHAFTSFÄHIG zum ersten Mal auf Ultra HD Blu-ray im Mediabook. Das Schwarzweißbild ist sehr gut restauriert und der Ton deutlich zu verstehen. Extras gibt es keine, jedoch ein umfangreiches Booklet von Lucas Barwenczik. Der Text verbindet die Produktion und das Kunstwerk sehr sprachlich.

Fazit

Das Drama MISFITS – NICHT GESELLSCHAFTSFÄHIG hat immer noch eine enorme dystopische Wucht. Die Darsteller brachten ihre eigenen verletzlichen Abgründe auf die Leinwand und die Realität belohnte Arthur Miller nicht für seine Liebeserklärung an seine Noch-Ehefrau Marilyn Monroe. Einer der düstersten Filme der 60er-Jahre, der vom Begriff des amerikanischen Traums endlos enttäuscht ist.

© Christoph Müller

Titel, Cast und CrewMisfits – Nicht gesellschaftsfähig (1961)
OT: The Misfits
Poster
Releaseseit dem 30.06.2023 im Mediabook (Ultra HD Blu-ray + Blu-ray) erhältlich.

Direkt bei Capelight Pictures bestellen >>>
RegieHoward Hawks
Trailer
BesetzungClark Gable (Gay Langland)
Marilyn Monroe (Roslyn Taber)
Montgomery Clift (Perce Howland)
Eli Wallach (Guido)
Thelma Ritter (Isabelle Steers)
Estelle Winwood (Spendensammlerin)
Kevin McCarthy (Raymond Taber)
DrehbuchArthur Miller
KameraRussell Metty
MusikAlex North
SchnittGeorge Tomasini
Filmlänge125 Minuten
FSKab 12 Jahren

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert