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Leila Bekhti (Kahina), Gustaf Hammarsten (Anders Harnesk)

Midnight Sun – Serienreview

„Wenn die Grenze zwischen Tag und Nacht verschwimmt“

 

Midnight Sun Titelbild
©Studiocanal

 

Über zu wenig Sonne können wir uns aktuell bei den sommerlichen Temperaturen nun wirklich nicht beschweren. Über zu viel Sonne hingegen könnte man sich um diese Jahreszeit nördlich des Polarkreises beschweren. Je nach Region kommt es hier zwischen Juni und Juli zur Mitternachtssonne (Midnight Sun). Das heißt, die Sonne geht selbst an ihrem tiefsten Punkt nicht unter den Horizont. Es ist einfach 24 Stunden lang hell und die Nacht wird zu einem Mischwesen aus Licht und Schatten. Dieses Phänomen beflügelt schon seit Jahrhunderten die Fantasie der Menschen und die ohnehin schon mystische und unwirkliche Landschaft der nordischen Regionen verwandelt sich in dieser Jahreszeit noch viel mehr zu einer fast schon traumartigen und einzigartigen Welt. Diese Atmosphäre spielt eine große Rolle in der neuen achteiligen Kriminalserie „Midnight Sun“. Bereits 2016 erschienen, hat sie es erst jetzt zu uns geschafft. Vor ein paar Wochen in den Öffentlich-Rechtlichen gestartet, gibt es sie nun auch für zu Hause als DVD oder Blu-ray Box.

Inhalt

Die Geschichte beginnt mit einem Knall. Besser gesagt mit einem perfiden Mord. Ein Mann ist auf die Rotorblätter eines Hubschraubers geschnallt. Durch die Zentrifugalkraft der immer schneller werdenden Blätter explodiert nach nur kurzer Zeit sein Kopf. Warum dieser Mann auf solch eine grausame Art ums Leben gebracht wurde, soll nun Rutger Burlin (Peter Stormare) als Chefankläger der Staatsanwaltschaft klären. Nicht unbedingt freiwillig aber notgedrungen holt er sich zusätzlich Unterstützung vom Staatsanwalt Anders Harnesek (Gustaf Hammersten). Schnell stellt sich heraus, dass der Tote französischer Staatsbürger war. Das holt zusätzlich die französische Polizei auf den Plan. Von dort stößt nun auch noch Kahina Zadi (Leila Bekhti) hinzu.

Schnell folgen weitere Morde, die den kleinen Ort erschüttern. Das scheint aber nur der Anfang zu sein. Mit jeder weiteren Leiche wächst der Druck eines schnellen Ermittlungserfolgs, um den Wahnsinn zu beenden. Die Ermittlungen führen in äußert verschiedene Richtungen: So gibt es Hinweise auf einen möglichen rituellen Hintergrund der Samen, ein indigenes Volk Skandinaviens. Im Gegensatz dazu führen andere Spuren das Ermittlerteam zu einer hoch geschützen privaten Luft- und Raumfahrtfirma. Viel Zeit bleibt den Ermittlern jedoch nicht, soll doch die kleine Stadt Kiruna komplett umgesiedelt werden. Eine Bergbaufirma, die den Löwenanteil der Arbeit in der Region liefert, braucht das Land zum Schürfen.

 

Mehr als nur ein Tatort im neuen Setting

Wer schon einmal in den skandinavischen Ländern Urlaub machen konnte, kennt die atemberaubende Landschaft, die sich einem hier bietet. Damit kann auch „Midnight Sun“ punkten. Die offene und wunderbare Umgebung wird in vielen ruhigen Kamerafahrten zur Schau gestellt. Das Land ist schwer zu passieren und so ist das Fahrzeug der Wahl meistens der Hubschrauber. Das ermöglicht natürlich auf ganz geschickte Weise immer wieder Luftaufnahmen von Gletschern und unendlich weiten Ebenen zu verarbeiten. Im Kontrast zu den gelungenen Landschaftsaufnahmen stehen dann die CGI-Effekte, von denen es zum Glück nicht viele gibt. TV-typisch sind diese äußerst grässlich anzusehen. Besonders in einer Zeit in der mit Superheldenfilmen ganz andere Maßstäbe gesetzt werden.

Generell sollte man nicht ganz so viel Action erwarten. Die Handlung entfaltet sich zügig, nimmt sich aber auch immer gern ein paar ruhige Phasen. Typisch nordisch sind auch die eher blau und trüb gehaltenen Bildtöne, alles wirkt trotz Sonne und Licht kühl und grau. Diese Kälte überträgt sich aber wunderbar auf die gnadenlosen und brutalen Morde. Gewissenlos werden die Opfer getötet oder sogar den Wölfen wortwörtlich zum Fraß überlassen. Hier merkt man den Unterschied zum deutschen Krimisonntag. In dem wird natürlich auch gemordet, aber wo ein Tatort nur schemenhaft das Leid der Opfer zeigt, hält „Midnight Sun“ genau drauf. Es artet zum Glück aber nicht zu einem Gore-Fest aus, sondern hält sich noch in erträglichen Grenzen.

 

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©Studiocanal

 

Gezeigt wird auch mehr als nur Mord.

Obwohl es nicht nur bei einem oder zwei Morden bleibt, bietet die Serie noch mehr als den Tod. Viel Zeit wird neben den verschiedenen Ermittlungssträngen auch den Figuren gewidmet. Das gibt dem Ganzen eine schöne Tiefe abseits der Polizeiarbeit. So muss sich Staatsanwalt Anders nicht nur mit seiner verwöhnten Tochter herumschlagen, sondern gleichzeitig seine Homosexualität so gut es geht verstecken. Kommissarin Zadi wird plötzlich von ihrer verdrängten Vergangenheit eingeholt und muss sich dieser neben der neuen Umgebung, der Sitten und Bräuche des Nordens jetzt auch noch stellen. Viel Zeit wird auch der Kultur der Samen gegeben. Der Konflikt zwischen Samen und Schweden ist nicht nur großer Bestandteil der Untersuchung, sondern wird auch als alltägliches Problem dargestellt. Besonders ländliche Regionen bieten viel Potenzial für Konflikte. Für mich ein Zustand, den ich in einem für mein Verständnis friedlichen Land wie Schweden nicht vermutet hätte.

Über all dem schwebt zusätzlich ein Großkonzern, der vor wenig zurückschreckt. Generell kommt die Serie nicht umhin ein paar Stereotypen und Muster des Krimis zu benutzen. Die kleine Dorfgemeinschaft mit dem dunklen Geheimnis ist genau so neu wie die große böse Firma mit ihrem teuflischen Plan. Besonders Hobby-Kriminologen könnten den ein oder anderen Hinweis bereits voraussehen. Trotzdem bemüht sich die Serie spannend zu bleiben und dem Zuschauer immer wieder etwas Neues zu geben. So wechselt die Stimmung stehts von den mythischen Samen zum kommerziellen Großkonzern.

Das Beste kommt zum Schluss?

Als Krimi-Fan, eher in Buchform, bin ich gespannt wie sich die Geschichte um das Ermittlerteam weiterentwickelt. Hier muss ich gestehen, dass ich zum Zeitpunkt des Artikels die Serie noch nicht beendet habe. Aktuell bin ich bei Folge fünf von acht. Ich hatte am Anfang die Befürchtung, nur einen auf geschönten Tatort zu sehen, wurde aber schnell eines Besseren belehrt.

Titel, Cast und CrewMidnight Sun (2016)
OT: JOUR POLAIRE
PosterMidnight Sun poster Filmkritik
Veröffentlichung1. Staffel seit 12.06.2018 auf Blu-ray
Bei Amazon kaufen:
RegisseurMåns Mårlind, Björn Stein
Trailer
BesetzungLeïla Bekhti (Kahina Zadi)
Gustaf Hammarsten (Anders Harnesk)
Albin Grenholm (Kimmo)
Jakob Hultcrantz Hansson (Thorndahl)
Jessica Grabowsky (Jenny Ann)
Richard Ulfsäter (Thor)
Peter Stormare (Rutger Burlin)
DrehbuchStefan Baron
Olivier Bibas
Anna Björk
Anna Fukuda
Henrik Jansson-Schweizer
Marc Jenny
Jan Marnell
Patrick Nebout
Sirel Peensaar
Per-Erik Svensson
Mikael Wallen
Christian Wikander
KameraErik Sohlström
MusikNathaniel Mechaly
SchnittKristofer Nordin
Håkan Karlsson
Björm Stein
Episoden8 Folgen à 55 min
FSKab 16 Jahren

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