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Mickey 17 (2025) – Filmkritik

„Kein Backup“

Die Angst vor dem Tod, vielleicht der grundlegendste Treiber des menschlichen Handelns, wird in MICKEY 17 für kurze Zeit außer Kraft gesetzt. Mit Hilfe eines digitalen Backups des Bewusstseins kann in dieser Zukunftsvision von Bong Joon-Ho der menschliche Körper bei Tod mit Hilfe eines organischen 3D-Druckers neu erzeugt werden. Das Bewusstsein wird wieder aufladen, und es kann weitergehen. Mit dieser Art von Unsterblichkeit haben sich schon einige Science-Fiction-Stoffe auseinandergesetzt. Auch wenn MICKEY 17 hier doch neue Wege gehen will, verstrickt er sich zu sehr in politischer Karikatur mit extrem dunklem Humor. Unsere Gegenwart wird jedoch von machtgierigen Diktatoren aktuell so stark beeinflusst wie schon lange nicht mehr und deswegen sollte doch etwas Spaß erlaubt sein. Jedoch hat die Realität die Parodie mittlerweile schon so stark eingeholt, dass einem das Lachen in der trockenen Kehle stecken bleibt.

© 2025 Warner Bros. Entertainment Inc. All Rights Reserved.

Handlung

Ein paar Jahrzehnte in der Zukunft ist die Menschheit bereit, sich auf fremden Planeten anzusiedeln. Ein Haufen Kolonisten fliegen mit Entdeckerdrang oder dem Glauben nichts zu verlieren, unter der Führung von Kenneth Marshall (Mark Ruffalo), zu unerforschten Planeten. Marshall ist in der terrestrischen Politik gescheitert und versucht mit Hilfe seines Ansehens, seinem christlichen Glauben, seiner Machtgier und seiner Ehefrau Ylfa (Toni Collette) Kolonien nach seinem faschistischen Wertegerüst zu errichten. Das Raumschiff ist für lange Reisen ausgestattet, sogar mit der modernsten Laborratte des 21. Jahrhunderts, einem organischen 3D-Drucker.

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Mickey Barnes (Robert Pattinson) hat auf der Erde enorme Schulden. Um diesen zu entgehen, bewirbt er sich freiwillig als sogenannter „Expendable“ an Bord des Schiffes. Seine Erinnerungen werden datengesichert. Bei Ableben wird einfach ein neuer Klon von ihm ausgedruckt. Mickey muss bereits während des Fluges für gefährliche Experimente herhalten und als die Siedler auf einem eisigen Planeten eintreffen, ist Mickey zur Stelle, um die vergiftete Atmosphäre zu testen und ein passendes Impfserum auszuprobieren. Wie der Filmtitel verrät, geht die Geschichte bis zu Klon Nummer 17, der sich doch ein wenig von seinen Vorgängern unterscheidet bzw. durch etwas Glück nicht so stirbt, wie es eigentlich vorgesehen war. Als Mickey 17 es wieder zurückschafft, muss er feststellen, dass sich bereits Version 18 über seine Freundin Nasha (Naomi Ackie) hermacht. Beide Mickeys sind in ihrer Persönlichkeit jedoch unterschiedlich, 17 ist eher zurückhaltend unterwürfig, wohingegen Nummer 18 bereit ist, sein Leben mit Gewalt auf den Kopf zu stellen. Zusätzlich ist die Existenz von sogenannter Multipler gesetzeswidrig und führt zum Todesurteil aller Klone. Dabei haben wir Mickey 17 durch seinen erfolgreichen Überlebenskampf doch gerade erst ins Herz geschlossen.

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MAGA in Space

Das Drehbuch des Regisseurs basiert auf dem Roman MICKEY7 von Edward Ashton. Wie schon in OKJA (2017) versteht es Joon-ho die westliche Welt sarkastisch und zynisch übertrieben darzustellen. Bei OKJA war es noch das heuchlerische Greenwashing der westlichen Welt. In MICKEY 17 ist es nun die Arroganz, den Weltraum mit imperialistischen Motiven zu bevölkern – ohne Rücksicht auf dortige Lebewesen.“ Das alles mit einer Mannschaft, die aus Personen besteht, die entweder im Kapitalismus nach unten durchgereicht wurden oder von Phrasen ihres Anführers völlig fehlgeleitet sind. In beiden Fällen sind es Menschen ohne Geld und somit mit geringer Selbstbestimmung über ihr Leben. Mark Ruffalo spielt Marshall mit falschen Zähnen und sichtlicher Freude an der offensichtlichen Vorlage: der US-Präsident Donald Trump.

Mit einer Mischung aus permanent verunsichertem Größenwahn, unterwürfigem Ehemann, übertriebenem TV-Prediger und morallosem Eroberer zieht der Film die Parodie konsequent durch. Hier wird es aber bereits schwierig, da der echte Trump schon selbst seine beste Karikatur ist und man es mittlerweile nicht einmal in der filmischen Fiktion erträgt, so etwas zu sehen. Warum es in MICKEY 17 sogar noch ein Attentat auf Marshall geben muss – inklusive blutigem Streifschuss –, weiß wohl nur Bong Joon-ho selbst. Denn spätestens bei den roten Mützen auf den Köpfen der Zuschauer muss doch jedem klar sein, wer hier die Vorlage ist. Es kann natürlich der Fall sein, dass das Attentat im Film bereits viel früher im Skript stand und danach die Realität die Fiktion einholte.

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Politik

Das bringt uns schon zum Kern, warum MICKEY 17 nicht so richtig in seinen Bann zieht. Für eine Parodie ist es zu früh und zu nah dran. Der Weltraumbesiedlungswunsch von Tech-Millionären ist zu dicht am aktuellen Zeitgeschehen. Wer über diesen Pilgerwunsch namens Niflheim spricht, sollte auch Möglichkeiten des Widerstands gegen solche Mächte zeigen. Und mit der Hauptfigur Mickey 17 bekommen wir einen besonders passiven und träumerischen Charakter als Held vorgesetzt. Aber vielleicht will Bong Joon-ho auch nur beweisen, dass der männliche Held entweder zu dumm, zu weinerlich oder zu aggressiv ist, um wirklich unsere Menschheit vor dem Untergang zu bewahren. Das lenkt das Rampenlicht auf Nasha, die Heldin in MICKEY 17: stark, sexuell selbstbestimmt und mit den richtigen Argumenten im Konflikt mit dem irren Herrscher. Ein ganz klares Bekenntnis zum Feminismus.

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Holpriger Science-Fiction

MICKEY 17 widersetzt sich gängigen dramaturgischen Mustern völlig. Das ist natürlich von Vorteil, weil man als Publikum immer mit allem rechnen muss. Allerdings gibt es immer wieder Spannungseinbrüche, sodass man das Gefühl hat, der Film sei aufgrund seiner Aktualität etwas zu hastig mit heißer Nadel gestrickt worden. Abgesehen von der technischen Entwicklung des Klonens, hat MICKEY 17 keinerlei Science-Fiction-Gadgets zu bieten. Waffen, Spritzen, Fahrzeuge und IT-Technik scheinen keinerlei technologischen Sprünge gemacht zu haben. Bei diesen zukünftigen Menschen scheint es auch keinerlei kulturelle Entwicklung zu geben, außer dass sie vielleicht noch dümmer und egoistischer werden. Aber auch dies scheint eine gewollt zynische Vision des Filmemachers zu sein.

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Fazit

MICKEY 17 trägt eindeutig die Handschrift von Regisseur Bong Joon-ho. Doch der Inhalt – so maßlos übertrieben er auch sein mag – liegt immer noch so nah an der politischen Realität, dass einem mehr zum Gruseln als zum Lachen ist. Das revolutionäre Aufbegehren gegen den Imperialisten ist deutlich zu spüren, scheint aber kaum nutzbar für unsere Realität. Eine Zusammenarbeit mit intergalaktischen Kellerasseln in polarem Klima steht uns leider nicht zur Verfügung – oder kennt ihr jemanden?

© Christoph Müller

Titel, Cast und CrewMickey 17 (2025)
Poster
ReleaseKinostart: 06.03.2025
RegieBong Joon-ho
Trailer
BesetzungRobert Pattinson (Mickey Barnes)
Naomi Ackie (Nasha Barridge)
Toni Collette (Ylfa)
Mark Ruffalo (Kenneth Marshall)
Steven Yeun (Timo)
Holliday Grainger (Gemma)
Anamaria Vartolomei (Kai Katz)
Cameron Britton (Arkady)
Angus Imrie (Shrimp Eyes)
Patsy Ferran (Dorothy)
Daniel Henshall (Preston)
Steve Park (Agent Zeke)
Ian Hanmore (Darius Blank)
DrehbuchBong Joon-ho
Vorlagebasiert auf dem dem Roman "Mickey7" von Edward Ashton
KameraDarius Khondji
MusikJung Jae-il
SchnittYang Jin-mo
Filmlänge137 Minuten
FSKab 12 Jahren

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