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Memory – Über die Entstehung von ALIEN (2019) | Filmkritik

Die Mehrzahl der Leser wird den nun folgenden Klassiker kennen und auch lieben. Die Rede ist vom Meisterwerk zu einem der erfolgreichsten Franchise der Welt: ALIEN: DAS UNHEIMLICHE WESEN AUS EINER FREMDEN WELT (ALIEN, 1979). Die legendäre Geschichte der siebenköpfigen Mannschaft des Raumschiffes Nostromo, die auf einem unbekannten Planeten eine bösartige außerirdische Intelligenz entdeckt und durch sie ihr Leben bedroht. Bis heute gibt es einige Fortsetzungen, Cross-over, Prequels, dreiste Kopien, Spiele, Comics, Bücher, Figuren, Kleidung und vieles mehr. Mit ALIEN hat sich Starregisseur Ridley Scott über Nacht ein Denkmal für die Ewigkeit gesetzt, wie auch Hauptdarstellerin Sigourney Weaver. Einige Jahre später fügte Scott einen weiteren Meilenstein im SF-Genre mit BLADE RUNNER (1982) hinzu, doch das ist eine andere Geschichte.

Ronald Shusett – Executive Producer │ Drehbuch ALIEN // © Exhibit A Pictures-Photographer Robert Muratore

In einer Zeit, als Außerirdische freundlich und klein waren, wie in Steven Spielbergs DIE UNHEIMLICHE BEGEGNUNG DER 3. ART (CLOSE ENCOUNTERS OF THE THIRD KIND, 1977), lässt Scott eines der furchtbarsten Wesen, das die Leinwand jemals gesehen hat, auf die unbedarften Zuschauer los. Heutige Generationen können sich den Schock und das Entsetzen nicht mehr vorstellen, den ALIEN in den Kinosälen weltweit verbreitete. Und genau diesen legendären Film hat sich nun der Schweizer Alexandre O. Philippe zur Brust genommen, um eine knapp 90-minütige Dokumentation zu drehen. Zuvor hat Philippe bereits mit einigen Dokus auf sich aufmerksam gemacht, darunter beispielsweise THE PEOPLE VS. GEORGE LUCAS (2010), 78/52 – DIE LETZTEN GEHEIMNISSE VON PSYCHO (78/52, 2017) oder LEAP OF FAITH: WILLIAM FRIEDKIN ON THE EXORCIST (2019).

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Bevor Ridley Scott zum Regisseur von ALIEN wurde, war ein ganz anderer Regisseur für den Film vorgesehen und auch schon verpflichtet (dazu mehr in MEMORY). Trotzdem erschuf Scott einen Mythos, der sich seit seiner Uraufführung fest im kollektiven Unterbewusstsein der Zuschauer verankert hat. Auch wenn er nicht allein die treibende Kraft hinter ALIEN war, wie leider schon öfters fälschlicherweise geschrieben wurde, hatte er trotz allem einen großen Einfluss mit seinem Eintritt in das Projekt gehabt. Philippes Doku beleuchtet ganz besonders das Trio O‘Bannon, Scott und Giger. Weitere wichtige Entscheidungsträger fallen leider unter den Tisch wie beispielsweise der französische Comiczeichner Jean Henri Gaston Giraud, besser bekannt als Moebius, der ebenfalls umfangreich am Design des Films beteiligt war.

Terry Rawlings, Cutter von ALIEN, und Ivor Powell, Koproduzent von ALIEN // © Exhibit A Pictures-Photographer Robert Muratore.tif

Weitere Schwerpunkte neben Story und Design sind in MEMORY der Facehugger und die berüchtigte Spaghetti-Szene mit John Hurt sowie ihre Auswirkungen auf den Film, die Crew und allem, was noch kommen sollte. Philippe zeigt uns die Vorgeschichte zu Dan O‘Bannons (1946 – 2009) bekannter Alien-Idee, die in Comics der 50er sowie bei H.P. Lovecraft ihren reinen, destillierten Ursprung findet. Den langen, kreativen, aber auch mühsamen Prozess bis hin zum Endergebnis, das uns allen für immer im Gedächtnis haftet. Eine interessante Zwischenepisode für O‘ Bannon war der Job bei einem gewissen John Carpenter, der 1974 seinen ersten Spielfilm drehte. Carpenter heuerte O‘ Bannon für DARK STAR – FINSTERER STERN (1974) an, sowohl als Schauspieler wie auch als Mitautor für das Drehbuch. So verwundert es nicht weiter, dass der fertige Film wie eine Slapstick-Version von 2001 – ODYSSEE IM WELTRAUM (2001: A SPACE ODYSSEY, 1968) und eben ALIEN wirkt. Dan O‘ Bannon war es auch, der H. R. Giger (1940 – 2014) ins Gespräch für ALIEN brachte. Durch dessen Buch „H.R. Gigers Necronomicon“ wurde er auf den bekannten Schweizer aufmerksam.

Dan O’Bannon zum Start von ALIEN // © Courtesy of the O’Bannon Estate

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Darüber hinaus lässt MEMORY noch heute (2019) lebende Zeitzeugen, Kollegen, Mitarbeiter, Schauspieler und Entscheidungsträger zu Wort kommen wie beispielsweise Tom Skerritt, Veronica Cartwright, Ivor Powell, Terry Rawlings, Roger Christian, Roger Corman, Diane O‘Bannon und Carmen Scheifele-Giger, um nur ein paar zu nennen. Dazu gibt es umfangreiche Aufnahmen vom Set, sowie Gigers fantastischen Entwürfen zu bewundern.

Skizze des Alien aus dem Nachlass von Dan O’Bannon // © Courtesy of the O’Bannon Estate

Ebenfalls präsentiert uns Alexandre Philippe eine Erklärung der Funktion und Symbolik zu den einzelnen Figuren des Films sowie des Aliens, die bis in unsere Zeit hineinreicht und warum die Besatzung der Nostromo fast schon als androgyn bezeichnet werden kann. Wie auch die alles überlagernde Symbolik des Todes, des Halbmonds und der Mondsichel, die im Film präsent ist und wie ein Orakel das zu erwartende Grauen vorhersagt. ALIEN visualisiert bis heute nicht nur unsere Angst vor dem Unbekannten, vor dem gesichtslosen Bösen im Schrank oder unter unserem Bett, es ist auch eine Verbindung vieler Mythen und wundersamer Gestalten unserer langen Geschichte. Dazu gibt es noch Dutzende sexueller Anspielungen und Deutungen, die bis heute für Diskussionen sorgen.

Dan O’Bannon am Set von ALIEN // © Courtesy of the O’Bannon Estate

Fazit

Das für eine allesumfassende ALIEN-Dokumentation knapp 90 Minuten viel zu kurz sind, dürfte den meisten klar sein. Es kann einfach nicht jeder Aspekt besprochen werden und so hat sich Alexandre Philippes Doku auch nur auf einige wenige Punkte konzentriert, was keineswegs negativ zu werten ist. Als Einstieg ins ALIEN-Universum ist seine Doku MEMORY allemal gelungen und nimmt vor allem die Neulinge an die Hand. Hardcorefans werden hingegen eher leer ausgehen. Schlussendlich liefert MEMORY einen kleinen, sehr spannenden Einblick in ein dunkles Universum, dass uns bis heute begeistert und immer wieder zu hitzigen Diskussionen herausfordert. Aber MEMORY bietet auch einen nostalgischen Blick zurück in der Geschichte des Kinos: In eine Zeit, in der Filme die Kinobesucher wahrhaftig zu überraschen und zu erschrecken vermochte.

© Stefan F.

Titel, Cast und CrewMEMORY – ÜBER DIE ENTSTEHUNG VON ALIEN (2019)
OT: MEMORY: THE ORIGINS OF ALIEN
Poster
RegisseurAlexandre O. Philippe
Releaseab 03.09.2021 als VoD
ab dem 12.11.2021 auf Blu-ray und DVD

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Trailer

Original mit englischen Untertiteln
DrehbuchAlexandre O. Philippe
FilmmusikJohn Hegel
KameraRobert Muratore
SchnittChad Herschberger
Filmlänge92 Minuten
FSKAb 16 Jahren

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