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Mara – Die rechte Hand des Teufels (2020) | Filmkritik

Zuerst glaubte ich an eine Neuverfilmung der italienischen Westernkomödie DIE RECHTE UND DIE LINKE HAND DES TEUFELS (LO CHIAMAVANO TRINITÀ, 1970), doch ich lag damit falsch, denn MARA – DIE RECHTE HAND DES TEUFELS ist gänzlich ein Horrorfilm. Aber Spaß beiseite, in Aleksey Kazakovs Regiedebüt geht es um viel mehr als nur um profanen Horror. Es ist ein Psychodrama, eine Paartherapie und ganz zuletzt ein Horrorfilm. Alles dreht sich um ohnmächtige Männlichkeit und verletzter Weiblichkeit, um Trauer, Schmerz, Verlust und Unsicherheit, die auf Dauer jede Beziehung unwiderruflich zersetzen. Es geht um das junge Paar Andrej und Olga, die nach dem Verlust ihres ungeborenen Kindes einen Weg in die Normalität suchen. Auf ihrer Suche begegnen sie in einem alten sowjetischen Gebäude einer mysteriösen Frau, deren Vergangenheit sich untrennbar mit der Qual und der Hoffnung unserer beiden Protagonisten verbindet. Zuerst bedarf es jedoch der schmerzlichen Entfremdung, um sich dann in Beschuldigungen und schlussendlich in Rache zu wandeln. Denn MARA ist in gewissem Sinne auch ein Rache-Thriller, Rache auf vielfältiger Art und Weise.

© Capelight Pictures

Handlung

Nach einem brutalen Überfall im neuen Zuhause ist die Beziehung zwischen Andrej (Semyon Serzin) und Olga (Marina Vasileva) äußerst angespannt. Zudem ist Olga schwanger und verliert kurz darauf das Kind. Kurzerhand besucht Andrej die mysteriöse Mara (Aleksandra Revenko), die als außergewöhnliche Frau mit besonderen Kräften bekannt ist. Andrej bittet sie um Hilfe: Er wünscht sich sehnlichst, dass Olga die Erinnerungen an diesen traumatischen Abend vergisst. Die mysteriöse Frau willigt unter der Bedingung ein, dass beide so lange in Maras Apartment ziehen und sich um ihre fremdartigen Pflanzen kümmern, während sie geschäftlich auf Reisen ist. Zu Beginn scheint alles nach Plan zu verlaufen, doch plötzlich geschehen seltsame Dinge, denen sich das verängstigte Paar stellen muss.

© Capelight Pictures

Hexe oder Paartherapie?

Während in unseren Breitengraden die Menschen eher zu einem Psychiater gehen, greift der moderne Russe lieber zum Altbekannten und besucht die örtliche Hexe von nebenan. Schon in Timur Bekmambetovs grandiosem WÄCHTER DER NACHT (NOCHNOY DOZOR, 2004) treffen wir den Helden Anton zu Beginn bei einer Hexe an, als er sie um Hilfe bei der Entfernung eines ungeliebten Kindes ersucht. Ob dieses Verhalten auf große Teile der russischen Bevölkerung zutrifft, entzieht sich allerdings meiner Kenntnis. Trotz aller positiven Ansätze in MARA – DIE RECHTE HAND DES TEUFELS gibt es auch einige negative Probleme. Die Atmosphäre in Aleksey Kazakovs Inszenierung ist nicht so dicht und bedrohlich, wie wir es von Genre-Kollegen kennen. Und auch die Story verfängt sich immer wieder in unnötig lange Passagen und hängt im Mittelteil etwas durch.

© Capelight Pictures

Um das Rätsel der bösen Frau zu lösen, müssen Andrej und Olga weit in die Vergangenheit reisen, und gerade hier hat MARA seine stärksten Momente. Ebenso wie die surrealen, fast schon psychedelischen Momente in der Hexenküche, die sich in einer labyrinthartigen Wohnung vor den Augen normaler Menschen verbirgt. In dieser unbekannten Dimension ist das Bedrohliche spürbar. Hier ist die Gefahr jederzeit akut und ein destruktiver Unterton liegt in der Luft. Tempo und Atmosphäre ähnelt seinem russischen Genre-Kollegen THE BRIDE (NEVESTA, 2017), der aber thematisch eine ganz andere Richtung einschlägt. Das Setting, der Score und auch die sparsamen Effekte sind überzeugend und rangieren auf einem hohen Niveau wie überhaupt der russische Genre-Film in den letzten Jahren enorm an Klasse dazugewonnen hat.

© Capelight Pictures

Die Hexe von Regisseur Kazakov weist ein ungewöhnliches androgynes Äußeres auf. Das geht so weit, dass in einigen Szenen der Eindruck entsteht, wir sehen einen äußerst großen und schlanken Mann vor uns. Dazu kommt ihre sehr kühle, ja fast schon arrogante Art im Umgang mit Menschen. Ungewöhnlich, weil wir bei Hexen entweder an alte, gebrechliche Großmuttertypen denken oder eben an den männermordenden Vamp, der das pralle Leben verkörpert. Doch gerade Aleksandra Revenko versteht es großartig, in jeder ihrer knappen Auftritte eine besonders bedrohliche Präsenz aufzubauen, die bis zum Rezipienten auf die Couch reicht. Lediglich die beiden Hauptdarsteller können nicht auf ganzer Linie überzeugen. Semyon Serzin (LETO, 2018) und Marina Vasileva (SAG MIR, WER ICH BIN, 2014) hatten in ihrer bisher recht kurzen Filmografie hauptsächlich Auftritte in russischen TV-Serien. Ihre Performance auf der Leinwand wirkt an einigen Stellen etwas unbeholfen und auch unentschlossen. Als wüssten sie nicht recht, was der Regisseur von ihnen nun erwartet. Dagegen hat Aleksandra Revenko (DER DIE ZEICHEN LIEST, (M)UCHENIK 2016 und SILVER SKATES, 2020) deutlich mehr Erfahrung aufzuweisen, was sich unter anderem in ihrer überzeugenden Performance widerspiegelt. Augenscheinlich fühlt sie sich in ihrer Rolle als böse Zauberin pudelwohl und geniest jeden Augenblick auf der Leinwand. Für Aleksey Kazakov hingegen bedeutet MARA – DIE RECHTE HAND DES TEUFELS sein Regiedebüt. Bisher arbeitete er als Autor und Produzent beim Film und kennt sich in vielen Genres hervorragend aus. Mit MARA – DIE RECHTE HAND DES TEUFELS präsentiert er uns einen ansehnlichen Start als Regisseur.

© Capelight Pictures

Fazit

In der Werbung orientiert sich Kazakovs Film an Dario Argentos SUSPIRIA (1977) und HORROR INFERNAL (INFERNO, 1980) sowie an Hélène Cattet und Bruno Forzanis DER TOD WEINT ROTE TRÄNEN (L‘ÉTRANGE COULEUR DES LARMES DE TON CORPS, 2013). Kurz gesagt, ist das sehr, sehr hoch gegriffen und trifft in keinem Moment zu, auch wenn sich einige wenige Szenen thematisch ähneln. Trotzdem ist MARA ein durchaus solider Film mit einer teils packenden Atmosphäre und einigen schön schaurigen Bestandteilen. Ein großes Manko wird für viele Rezipienten das sehr ruhige, ja fast schon bedächtige Tempo sein, das darüber hinaus mit einigen unnötigen Längen aufwartet. Alles in allem gelingt es Regisseur Aleksey Kazakov endlich einen russischen Horrorfilm zu präsentieren, der seinen eigenen Weg geht. Der sich mehr an alte Mythen und Geschichten des Landes anlehnt, anstatt verzweifelt dem Mainstream Müll aus Hollywood nachzueifern, wie wir schon mehrfach bei einigen seiner Kollegen feststellen mussten.

© Stefan F.

Titel, Cast und CrewMara - Die rechte Hand des Teufels (2020)
OT: Pobochnyi effekt
Poster
Releaseab dem 26.11.2021 auf Blu-ray und DVD

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RegisseurAleksey Kazakov
Trailer
BesetzungSemyon Serzin (Andrej)
Marina Vasileva (Olga)
Aleksandra Revenko (Mara / Ved‘ma)
Anatoliy Zhuravlyov (Starik)
Maria Abramova (Mädchen)
DrehbuchAleksey Kazakov
KameraEvgeny Kozlov
MusikNadezhda Gritskevich
SchnittAleksandr Amirov
Filmlänge92 Minuten
FSKab 16 Jahren

 

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