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MADE IN ABYSS Anime-Serie

Made in Abyss – Staffel 1 | Serienreview

„Die Hass-Liebe zum Untergrund“

Als Anime-Fan hat man es schwer, besser gesagt, die Geldbörse eines Anime-Fans hat schwer zu leiden. Die japanischen Trickfilme sind in ihrer Heimat äußerst beliebt und die Studios lassen sich die Lizenzen im Ausland gut bezahlen. Labels in Deutschland wie Kazé und LEONINE Anime gehen bei der Vermarktung neuer Anime-Lizenzen immer mit viel Geld in Vorauskasse . Nicht nur die Rechte kosten ein paar dicke Geldbündel, sondern auch die aufwändige deutsche Synchronisation. Anime-Nerds sind ungeduldig und schauen die japanischen Originale mit englischen Untertiteln. Was sehr schade ist, denn ich selbst kann mich erst bei einer gelungen deutschen Synchronisation zurücklehnen und die Bilderpracht mit einer unglaublichen Geschichten genießen. Netflix hat sich zum Glück beim Streaming-Konkurrenzkampf auf die Fahnen geschrieben, jede Menge synchronisierte Animes anzubieten.

© 2017 Akihito Tsukushi, TAKE SHOBO/MADE IN ABYSS PARTNERS
Blu-ray (Vol. 1) // © LEONINE Anime

Ich muss so weit ausholen, weil ich genau auf diesem umständlichen Weg auf die Serie MADE IN ABYSS gestoßen bin. Ein Freund schwärmte bereits vor zwei Jahren von der Serie – er hatte sie in Japanisch mit englischen Untertiteln angesehen. Ein halbes Jahr später gab LEONINE Anime bekannt, den Anime MADE IN ABYSS in Deutschland zu veröffentlichen. Meine Vorfreude wurde getrübt, als ich den Preis von insgesamt 90 Euro für zwei Volumes und 13 Folgen lesen musste. Ein knappes Jahr später strahlte mich die Kachel der Animeserie beim Netflix-Stöber-Suchlauf an. Einen Klick und viele schöne, dramatische und fremdschämende Momente später, ist die erste Staffel vorbei und ich kann nur sagen: Ich will mehr und tief in den Grund des Abyss abtauchen.

MADE IN ABYSS Anime-Serie
© 2017 Akihito Tsukushi, TAKE SHOBO/MADE IN ABYSS PARTNERS

Handlung

Die Welt ist eine Insel. In diesem Fall aber keine idyllische mit Palmen und einem kleinen Berg, sondern mit einem tiefen, dunklen Abgrund. Wie ein Vulkankrater geht bei dieser Insel der Schlund des Abyss mehrere Kilometer ins düstere Nichts. Um die Tiefe herum hat sich eine Metropole errichtet, die Stadt Orth. Die Bewohner leben von den Schätzen, die Höhlentaucher aus dem Abyss auf Meeresspiegelhöhe befördern. Es sind alte Relikte einer längst vergessenen Zeit und Zivilisation. Je tiefer die Relikte geborgen werden, desto größer sind deren magische Fähigkeiten und entsprechend deren Wert. In den Abyss hineinzugelangen ist verhältnismäßig leicht, aber wieder an die Oberfläche zu kommen, schwört den Fluch des Abyss hervor: Je tiefer der Abstieg, desto stärker ist der Einfluss auf die Gesundheit des Schatzsuchers beim Aufstieg. Von Halluzinationen bei den ersten Schichten kann es sogar zu einem Verlust der Menschlichkeit kommen, wenn man von ganz tief unten wieder an die Erdoberfläche gelangt.

MADE IN ABYSS Anime-Serie
© 2017 Akihito Tsukushi, TAKE SHOBO/MADE IN ABYSS PARTNERS
Blu-ray (Vol. 2) // © LEONINE Anime

Auf dieser Insel wächst die junge Riko auf. Weil ihre Mutter eine vielbeschäftigte Suchende in den unterirdischen Welten ist, muss Riko im Waisenheim aufwachsen. Dort lernt sie den Umgang mit dem Abyss und den Beruf des Höhlentauchers. Sie will eine Weiß-Pfeife werden, der höchste Grad, den ein Schatzsucher im Abyss erlangen kann. Eines Tages trifft sie in einer der oberen Höhlenschichten einen Androiden-Jungen, den sie auf den Namen Reg tauft. Er kann seine Arme auf bis zu 50 Meter verlängern und spitze Gegenstände können seiner gummiartigen Haut kaum etwas anhaben. Sein Gedächtnis hat er aber leider komplett verloren. Als Riko einen Zettel von ihrer Mutter Lyza erhält, will sie trotz der Gefahren mit Reg auf den Grund des Abyss vordringen. Neben den bekannten Nebenwirkungen gilt es auch eine Vielzahl von gefährlichen Tieren, magischen Kräften und bösartigen Höhlentauchern hinter sich zu lassen. Das Abenteuer kann beginnen.

© 2017 Akihito Tsukushi, TAKE SHOBO/MADE IN ABYSS PARTNERS

Das Zwitterwesen

Ich glaube, es ist mir noch nie so schwer gefallen einen Anime wie MADE IN ABYSS zu empfehlen oder sagen wir mal so: dem richtigen Zuschauer zu empfehlen. Vor allem sollte man vor diesem Abenteuer etwas Anime-Erfahrung mitbringen. Nicht etwa, weil die Handlung schnell erzählt wird, sondern weil bestimmte Anime-Eigenschaften eine übertriebene und dauerhafte Wiederholung erfahren. Meine größte Hemmschwelle, die Serie gänzlich perfekt zu finden, sind die Hauptfiguren. Riko und Reg sind übertrieben knuffig dargestellt. Das kann funktionieren, wenn beide nicht mit einer solch unmenschlichen und drastischen Welt zu tun hätten, wo an jeder Ecke ein Monster auf Nahrungssuche lauert. Die strahlenden Augen, die kindliche Naivität und das ständige Geflenne haben mich manche Minuten meiner Gemütlichkeit vor dem Fernseher gekostet. Vor allem Riko als treibende Hauptfigur erhält bis zum Ende dieser Staffel kaum Sympathiepunkte. Treudoof tritt sie von einer Gefahr in die nächste und lässt sich von Helferlein Reg aus jeder Situation retten. Hier erschließt sich der Sinn ihres Verhaltens noch nicht, denn MADE IN ABYSS ist eine Animeserie der starken weiblichen Figuren. So lässt es mich nur vermuten, dass Riko einen starken Entwicklungsprozess durchmachen soll, denn die Welt in der sie lebt ist gnadenlos.

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© 2017 Akihito Tsukushi, TAKE SHOBO/MADE IN ABYSS PARTNERS

Überlebenskampf

Erst einmal ist die Mission von Riko und Reg auf den Grund des Abyss zu tauchen ein Himmelfahrtskommando. Auch wenn es ihnen gelingt die kilometerlangen Strapazen und bösartigen Kreaturen hinter sich zu lassen, können sie aufgrund des Fluchs nicht wieder an die Oberfläche zurück. Aber es sind Kinder und wir wollen ihnen mal diese unüberlegte Tat verzeihen, sonst hätten wie ja auch keine spannende Geschichte. Und die wird einem in ganz kleinen Häppchen serviert. Die Gesetze und Regeln dieses Universums werden immer in Teilen beschrieben und auch die Hintergrundgeschichten der Figuren kommen Stück für Stück zu Tage. Wenn die beiden Kinder immer tiefer ins Erdinnere vordringen, kommen animetypisch mehr Fragen als Antworten auf und hinzu kommt noch der Umstand, dass es mindestens zwei Folgen gibt in denen kaum etwas passiert. Bei gerade einmal 13 Folgen in Staffel 1 ist das eine wirklich schlechte Ausbeute für die Zuschauer, aber dafür haben es die letzten drei Folgen in sich.

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© 2017 Akihito Tsukushi, TAKE SHOBO/MADE IN ABYSS PARTNERS

Nanachi

Als ich nach der ersten Hälfte mehr aus Gewohnheit weiterschaute und Hoffnung auf einen coolen Gegner hegte, traf mich ein Schicksalsschlag der beiden Hauptfiguren wie ein Donner. Erfolgreich eingebettet in Folgen des Nichtspassierens, ging es überraschend ans Leben von Riko und der treue Reg wusste sich kaum noch zu helfen. Die Rettung für beide war ein flauschiges Hasenwesen namens Nanachi, was nicht nur beiden Hoffnung gab, sondern auch die Serie förmlich wiederbelebte. Nanachi hat eine tragische Vergangenheit erlebt und in der finalen Folge, die doppelt so lang ist wie die anderen Folgen, geht es ans Knochenmark jedes Zuschauers. Herzerweichend und brutal traurig kommt so viel Dramatik ins Spiel, dass man die Fingernägel kaum mehr aus der Sessellehne herausbekommt und den trockenen Kloß im Hals versucht zu bändigen. Inhaltlich möchte ich nicht darauf eingehen, aber nur soviel für jeden, der die Serie begonnen hat: Haltet bis zum Ende durch, denn es wird sich lohnen.

MADE IN ABYSS Anime-Serie
© 2017 Akihito Tsukushi, TAKE SHOBO/MADE IN ABYSS PARTNERS

„Sonst wirst du nackt aufgehangen“

Wenn dieser Satz zum ersten Mal von der Waisenhaus-Chefin fällt, zweifelt man bei den kindlichen und knuffigen Hauptfiguren an der Funktion des eigenen Gehörs. Um den Zweifel wegzuwischen, gibt es gleich ein kurzes Bild zur visuellen Unterstützung, auf dem Riko in bester Bondage-Manier nackt an den Armen aufgehangen wird. Was bitte soll das denn? Man ist einiges aus der Fantasiewelt der japanischen Animatoren gewöhnt, aber nicht in einem solch unschuldigen Kontext. Leider wird das Ganze noch als kleinerer „Running-Gag“ genutzt, was einem immer wieder den Fremdscham in die Nackenhaare fahren lässt. Die ersten kindlichen und präpubertären Annäherungen der beiden Hauptfiguren sind stimmig ins Skript geschrieben. Auch die erste Neugier auf das andere Geschlecht ist durchaus nachzufühlen, aber die Bondage-Nummer ist ein zu starker Fremdkörper in dieser Serie.

MADE IN ABYSS Anime-Serie
© 2017 Akihito Tsukushi, TAKE SHOBO/MADE IN ABYSS PARTNERS

Des weiteren muss man MADE IN ABYSS durchaus scharfe Zähne bescheinigen, welche man bei den ersten Bildern und dem Trailer nicht erwartet hätte. Vor allem der recht rigorose Umgang mit der Tierwelt im Abyss, nämlich als potentielles Futter an jeder Ecke, kann Vegetariern etwas sauer aufstoßen. Kräuter und Früchte zu suchen scheint einfach zu lang zu dauern, dann lieber das nächstbeste Lebewesen auf den Grill schmeißen. Die Brutalität nimmt zum Ende der Staffel potenziell zu und findet im Schicksal von Mitty ihr grausames Finale. Dafür bekommt man einen charismatischen, gnadenlosen und interessanten Gegner vorgestellt, der Lust auf Staffel 2 macht.

Staffel 2?

2020 startete in den japanischen Kinos und in ausgewählten deutschen Kinos ein Sequel-Film: MADE IN ABYSS: SEELEN DER FINSTERNIS, der inhaltlich nahtlos an Staffel 1 anschließt. Außerdem gab das japanische Unternehmen Kadokawa bekannt, dass es mit einer zweiten Staffel weitergehen soll. Wer so lang nicht warten kann, um zu erfahren, wie es weitergeht, greift zum Manga, der nicht nur im Land der aufgehenden Sonne weitere Kapitel erhält, sondern auch in Deutschland beim Altraverse Verlag einen fleißigen Herausgeber gefunden hat.

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© 2017 Akihito Tsukushi, TAKE SHOBO/MADE IN ABYSS PARTNERS

Fazit

Man kann schon von einer Hass-Liebe zu MADE IN ABYSS sprechen. Die filigranen Hintergrundzeichnungen, die komplexe, vielschichtige Höhlenwelt und eine letzte Folge, die einen bis ans Mark erschüttert, hat man so schon lange nicht mehr gesehen. Die übertrieben kindlichen Figuren, die unangenehmen Bondage-Exkurse und das zähe Erzähltempo im Mittelteil der Staffel rauben dem seriösen Animefan schon manche Nerven. Das Verlangen, die Geschichte im Manga weiterzulesen, ist jedoch ungebrochen.

© Christoph Müller

Titel, Crew und CastMade in Abyss (2017)

RegisseurMasayuki Kojima
Poster
Release Staffel 1Veröffentlichung auf 2 Volumes (Blu-ray und DVD) von Universum Anime

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deutsche SynchronsprecherLinda Fölster (Riko)
Laurine Betz (Reg)
Ilona Brokowski (Shiggy)
Rubina Nath (Nat)
Maximiliane Häcke (Nanachi)
Sonja Spuhl (Lyza)
Sebastian Schulz (Jiruo)
Sarah Madeleine Tusk (Kiyui)
Bondrewd (Oliver Siebeck)
Trailer Staffel 1
MangavorlageNach dem Manga "Made in Abyss" vom Autor Akihito Tsukishi
Animations - StudioKinema Citrus
SerienumfangStaffel 1 mit 13 Folgen à 23 Minuten (Folge 13 ist 46 min lang)
MusikKevin Penkin
Im StreamIhr könnt die Serie auch Streamen mit meinem Account bei Anime on Demand
Aktuell kann man sie auch mit einem NETFLIX-Account sich ansehen.
Altersfreigabeab 12 Jahren

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