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Made in Abyss: Seelen der Finsternis (2020) – Filmkritik

Nach der ersten Staffel der Animeserie MADE IN ABYSS musste man sich erstmal erholen. Zu aufregend und emotional war das schicksalsträchtige Ende um Nanachi und Mitty. Die Abenteuerlust auf die Geheimnisse der Untiefen dieser Welt ist aber schnell wieder entbrannt, denn zu gern möchte man wissen, wie es den drei Höhlentauchern im Schlund des Abyss ergeht. In Japan konnte man 2019 die Geschichte der ersten Staffel in zwei Filmen noch einmal erleben: JOURNEY’S DAWN und WANDERING TWILIGHT. Jetzt geht es mit dem Kinofilm MADE IN ABYSS: SEELEN DER FINSTERNIS endlich weiter in die dunklen Tiefen des Abyss und unsere Neugier wird noch durch einen übermächtigen Gegner angefacht: Bondrewd.

© Akihito Tsukushi, TAKE SHOBO/MADE IN ABYSS PARTNERS

Handlung

Der Abyss zeigt sich gleich wieder von seiner zweigesichtigen Seite. Als Reg, Riko und Nanachi auf einer wunderschönen Wiese voller Blumen wandeln, zeigt die dortige Natur ihre grausame Seite. Ein riesiges Nest von lebendfleischfressenden Insekten lebt getarnt auf den Blättern. Ihnen kommt eine Schattenhand, einer von vielen Handlangern Lord Bondrewds zu Hilfe. Er verbrennt den ganzen Hügel und alles was sich darauf befindet. Die Schattenhand teilt den dreien mit, dass Bondrewd sie bereits in seiner Festung erwartet: Ido Front. Daran führt für die drei auch kein Weg vorbei. Ido Front ist eine verlassene Station und gleichzeitig der Zugang zur sechsten Schicht des Abyss. Bis zu dieser Station kann es ein Mensch schaffen und den Aufstieg danach überleben. Aber gerade diese Grenze ist für Bondrewd das perfekte Versuchslabor für seine grausame Forschung und Experimente. Das Team steht nun vor der Frage, ob es sich von ihm widerwillig helfen lässt. Aber Reg gerät schnell in das Interesse der übermächtigen Weißpfeife.

© Akihito Tsukushi, TAKE SHOBO/MADE IN ABYSS PARTNERS

Grenzzone

Etwas ungeschickt wirft einen der Film zurück in die Welt des Abyss. Nicht jeder hat als Vorbereitung für MADE IN ABYSS: SEELEN DER FINSTERNIS noch schnell die erste Staffel oder die Vorfilme gesehen. Aber Stück für Stück kehren die Erinnerungen mit Hilfe von kleinen Rückblenden an die emotionale Tour de Force zurück. Das Format der Spielfilmlänge sitzt wie angegossen. Die drei müssen am diabolischen Bondrewd vorbei, vorbei an Nanachis grausamer Vergangenheit und den Schritt zur sechsten Schicht wagen, aus der noch nie ein Mensch lebend zurückgekehrt ist. Das Tempo ist gut gewählt, jedoch kippen die Rückblenden etwas ins Inflationäre. Noch zu Beginn freut man sich über die Gedächtnisstützen, aber spätestens in der zweiten Hälfe, wenn Szenen aus der ersten Hälfte wiederholt werden, kommt man sich unterschätzt vor. Sei es drum, es ist eine chronische Anime-Krankheit, wie es auch im Dialog gebräuchlich ist, den Satz des anderen in eine Frage umzuwandeln. In eine Frage umzuwandeln? Genau.

© Akihito Tsukushi, TAKE SHOBO/MADE IN ABYSS PARTNERS

Zwei Figuren bringen die Aufmerksamkeit wieder auf volles Sehvergnügen. Zum einen unsere flauschige Lieblingsfigur Nanachi. Die nicht nur schlau agiert, sondern auch äußerst souverän mit der Situation in Ido Front umgeht. Zum anderen ist es der Herr der Finsternis: Bondrewd, in seiner mysteriösen Rüstung und seinem Helm mit violettem Lichtstrahl, der keinerlei Mimik verrät. Wir kennen seine grausamen Taten, bleiben aber, trotz seiner Gastfreundlichkeit und Liebe zu seiner Tochter Prushka, auf der Hut. Man will wissen, was seine Fähigkeiten sind, welche Relikte er schon nutzt und was seine Forschungen ergeben haben. Alle Antworten werden zum Finale gewährt, sind sinnig wie auch grausam zugleich.

© Akihito Tsukushi, TAKE SHOBO/MADE IN ABYSS PARTNERS

Der schmale Grat

Wer bereits in das Universum von MADE IN ABYSS eingetaucht ist, kennt die immer wieder schrägen Momente. Sei es im Kennenlernen erster Sexualität bei Riko und Reg oder bei den äußerst brutalen Erlebnissen der Protagonisten. Vor allem der Torture-Porn-artige Umgang mit den kindlichen Figuren lässt immer wieder Zweifel am geistigen Wohlbefinden der Autoren aufkommen. Warum Kinder in eine so grausame Welt geschickt werden müssen, bleibt ein Rätsel und reißt einen immer wieder in Momenten aus dem fantasiereichen Erzählfluss oder wie die Nerds sagen, dem fantastischen Worldbuilding.

© Akihito Tsukushi, TAKE SHOBO/MADE IN ABYSS PARTNERS

Allein schon die erste – und leider einzige – Kochszene zeigt, was MADE IN ABYSS in seiner Schrägheit ausmacht. Es geht wieder einem Tier fürs Abendessen an den Kragen. Dieses Mal sollen Schleimteufel roh besonders gut schmecken. Die drei häuten das fischartige Wesen, was scheinbar sein Inneres außen trägt und verarbeiten es zu Sashimi. Aber der Schleim schmeckt wohl äußerst lecker. Ein Schmunzeln kann man sich bei so viel Surrealität nicht verwehren. Der Animationsstil bleibt dem Vorgänger treu (Animationsstudio: Kinema Citrus), sprengt sogar bei einer Verwandlung von Reg die eigenen Regeln. Wie mit Kohle gezeichnet, rast er durch die schönen Animationsbilder. Reg scheint einer anderen Dimension zu entstammen. Ein dynamisches Artwork, was die Kampfszenen um einiges aufwertet. Angenehm zurückhaltend ist die meist anstrengende Riko. Sie wächst hoffentlich so langsam in die Rolle einer Anführung hinein, denn aktuell gibt die gute Nanachi den Ton der Gruppe an, was man gern akzeptiert. Sie hat eine wesentlich persönlichere und vielschichtigere Hintergrundgeschichte. Die Filmmusik von Kevin Penkin treibt die emotionalen Szenen wieder bis zum Maximum, leider aber meist darüber hinaus. Es fehlen Themen für die Charaktere, denen eine Wiederholung gewährt wird. Der Score fegt jedoch von einem Orchesterfeuerwerk zum nächsten und will sogar den Protagonisten die Show stehlen, was man ungern toleriert.

© Akihito Tsukushi, TAKE SHOBO/MADE IN ABYSS PARTNERS

Fazit

Vor allem das Kinofilmformat begeistert in MADE IN ABYSS: SEELEN DER FINSTERNIS. Wo in der Serie noch einige Längen der Langweile zum Gähnen führen, ist hier eine solide Drei-Akt-Struktur entstanden. Wer über die Gewalt an kindlichen Figuren hinwegsehen kann, wird ein furioses Kapitel aus den Geschichten des Abyss erleben. Gerne mehr davon.

© Christoph Müller

Titel, Cast und CrewMade in Abyss: Seelen der Finsternis (2020)
OT: Made in Abyss: Fukaki Tamashî no Reimei
Poster
ReleaseKinostart: 29.09.2020
RegisseurMasayuki Kojima
Trailer
FilmmusikKevin Penkin
DrehbuchHideyuki Kurata
Filmlänge113 Minuten
FSKab 12 Jahren

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