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Infinity Pool (2023) – Filmkritik

Regisseur Brandon Cronenberg, der Sohn von David, der vor ein paar Jahren erstmals mit POSSESSOR (2020) international auffiel, hat auf der Berlinale 2023 nun den Nachfolger INFINITY POOL vorgestellt.

Handlung

Der Erfolgsautor James Foster (Alexander Skarsgård) will seine aktuelle Schreibblockade durch einen Strandurlaub auskurieren, hängt aber nur schlaff im Liegestuhl herum. Halb so wild, seine Frau Em (Cleopatra Coleman) ist ja die Tochter seines wohlhabenden Verlegers. Da taucht die Schauspielerin Gabi (Mia Goth) auf und drängt sich als großer Fan geradezu in James‘ Leben. Gemeinsam mit Gabis Ehemann Alban (Jalil Lespert) brechen sie zu einem Tagestrip in die für Touristen verbotene Zone auf: das Land außerhalb des hermetisch abgeriegelten Luxusresorts, wo die Einheimischen unter ärmlichen Bedingungen leben. Das führt erwartungsgemäß in die Katastrophe. James wird zum Tode verurteilt, wie ihm Detective Thresh (Thomas Kretschmann) ungerührt mitteilt. Wie kann er der Hinrichtung entkommen? Und hat er das überhaupt?

Das Doppelgängermotiv

Es beginnt ein Spiel mit dem Doppelgängermotiv, das Cronenberg im Folgenden immer weiter treibt. Der alte (oder neue) James macht jedenfalls Veränderungen durch, die von Gabi und ihren Freunden sadistisch vorangetrieben werden. Er wird immer krimineller und gewalttätiger, gleichzeitig zerbröckelt seine alte Existenz: Ist er überhaupt ein Erfolgsautor? Oder ist er nur ein ideenloser, prätentiöser Möchtegernschriftsteller? Ängste, wie sie wohl jeder Künstler kennt, hier ist James sicher auch ein Alter Ego des Regisseurs. Am Ende sitzt er wieder im Liegestuhl, nun aber als neuer Mensch.

Auf halbem Weg steckengeblieben

Leider geht Brandon Cronenberg nicht so weit wie sein Vater (wie es NAKED LUNCH in der Retrospektive der Berlinale fast gleichzeitig bewies). So bleibt der Film auf halbem Weg zwischen Realismus und Irrsinn stecken. Das fiktive Urlaubsland wird mit vielen Details ausgestattet, etwa einer thailändisch anmutenden Schrift, die dem Zuschauer zu Anfang ein wenig aufdringlich präsentiert wird. Es ist so bitterarm und unterentwickelt, dass reiche Touristen fast als neue Kolonialherren auftreten, wie der Film deutlich kritisiert. Gleichzeitig verfügt es aber über eine unglaublich fortgeschrittene Technologie, die wie Magie erscheint. (Dieser Widerspruch wird durch eine lapidare Erklärung eher noch betont.) Auch kann Cronenberg auf ein paar Splattermomente nicht verzichten, die hier auch in die Gewaltszenen nicht passen.

Es ist schon schade: Der Film hat schöne Ideen und Szenen, aber manche führen nirgendwohin, etwa wenn Gabi am Anfang demonstriert, wie sie sich als Schauspielerin darauf spezialisiert hat zu scheitern. Dieses Motiv wird danach nicht wieder aufgegriffen, im Gegenteil entwickelt sich Gabi zu einer Art Manifestation des Bösen. Folklore-Masken, die an die Touristen verramscht werden und wirklich gruselig aussehen, werden im Film ausgiebig zur Erzeugung einer unangenehmen Atmosphäre eingesetzt – doch warum sollten die Einheimischen mit solchen Alptraummasken feiern?

Insbesondere Mia Goth gibt dem Affen in einigen Szenen ganz schön Zucker – üblicherweise ein Hinweis darauf, dass der Regisseur die Schauspieler nicht ganz im Griff hatte. Tatsächlich scheint Cronenberg eher an der aufwändigen Montage der Rausch- und Traumsequenzen als an der Schauspielerführung interessiert gewesen zu sein, wie man aus den (lobend gemeinten) Erzählungen seines Kameramanns Karim Hussain bei dem Q&A auf der Berlinale heraushören kann.

Auftritt auf der Berlinale

Auch wenn es nicht die Weltpremiere war – tatsächlich war der Film in den USA bereits regulär angelaufen -, waren Cast und Crew in Berlin prominent vertreten und sorgten durchaus für große Begeisterung vor und im Kinosaal. Alexander Skarsgård, Sohn von Stellan und Bruder u.a. von Bill Skarsgård, dem neuen Pennywise in IT (2017), pflegte sein erratisches Image: Diesmal erschien er zwar nicht in Unterhose auf dem Roten Teppich, aber legte sich mit dem Gesicht nach unten darauf. Auf die Frage, welche Rolle ihn bislang am meisten herausgefordert hat, antwortete er nicht beflissen mit der aktuellen. Im Gegenteil, die Rolle des James nannte er „nicht besonders schwierig“.

Fazit

Das Urteil bleibt zwiespältig. Horrorfilme (darunter reihe ich INFINITY POOL mal ein) sind sowieso nicht jedermanns Geschmack, und dieser hat echte Schwächen. Auf der Berlinale wurde die ungekürzte Fassung gezeigt, die geschnittene Version mag in diesem Fall sogar die bessere sein. Neben der Doppelgänger-Thematik, die schon oft behandelt wurde, geht es in INFINITY POOL aber auch um etwas Anderes: Was wird aus Menschen, die sich von wirklich Allem freikaufen können, die alle moralischen Grenzen ungestraft überschreiten können? Das hat man noch nicht so oft gesehen.

© Franz Indra

Titel, Cast und CrewInfinity Pool (2023)
Poster
RegieBrandon Cronenberg
ReleaseKinostart: 20.04.2023
Trailer
BesetzungAlexander Skarsgård (James Foster)
Mia Goth (Gabi Bauer)
Cleopatra Coleman (Em Foster)
Jalil Lespert (Alban)
Thomas Kretschmann (Detective Thresh)
Jeff Ricketts (Charles)
John Ralston (Dr. Bob Modan)
Amanda Brugel (Jennifer)
Caroline Boulton (Bex)
DrehbuchBrandon Cronenberg
KameraKarim Hussain
MusikTim Hecker
SchnittJames Vandewater
Filmlänge117 Minuten
FSKungeprüft

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