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Indiana Jones und das Rad des Schicksals (2023) – Filmkritik

„Erzählalchemie“

Er kann es einfach nicht lassen. Warum sollen wir es ihm vorwerfen, denn wir haben ihn dazu gemacht. Harrison Ford als Indiana Jones wurde zu einer Ikone des Blockbusterkinos. Selbst seine Rolle als Han Solo in der zeitnahen Epoche tat dem Erfolg des Teilzeit-Professors und Vollzeit-Abenteurers keinen Abbruch. Indy ist Kult und Harrison Ford fand in der Rolle sein Lebenswerk. Nicht verwunderlich, dass er sich fast 20 Jahre nach der erfolgreichen Indiana-Jones-Trilogie (1981-1989) noch einmal den Hut in Gesicht zog und die Peitsche knallen ließ. Ford war zum Kinostart von INDIANA JONES UND DAS KÖNIGREICH DES KRISTALLSCHÄDELS (2008) bereits 66 Jahre alt.

© 2023 Lucasfilm Ltd. & TM. All Rights Reserved.

Aber der Mann scheint den Heiligen Gral wirklich zu besitzen. Er teilte im vierten Abenteuer die Kinnhaken wie kein anderer aus und wechselte immer noch todesmutig bei Verfolgungsjagden die Fahrzeuge – sicherlich auch dank seines Stuntmans. Vielleicht erinnern sich manche noch an das Filmende: Prof. Jones ist endlich verheiratet und ein Windstoß fegt während der Trauung seine Kopfbedeckung vor die Füße des Sohnes (Shia LaBeouf). Kurz bevor Sohn Henry den Hut greifen kann, um symbolisch in die Fußstapfen des Vaters zu treten, zupft ihm Indy den Hut aus der Hand. Der alte Mann ist noch nicht willens, sein Lebenswerk in junge Hände zu geben. Und so sitzen wir im Jahre 2023 im Kinosaal, um einen über 80 Jahre alten Harrison Ford auf der Suche nach einer Zeitmaschine von Archimedes hinterherzujagen. Das sollte doch funktionieren, denn die Figur Indiana Jones war in den 1980er Jahren auch nur eine Neuauflage der Kino-Abenteurer der 30er, die George Lucas in seiner Jugend so liebte.

Indiana Jones und das Rad des Schicksals (2023) – Filmkritik
© 2023 Lucasfilm Ltd. & TM. All Rights Reserved.

Handlung

Die Welt ist in Aufbruchsstimmung. 1969, die Amerikaner haben ihre Apollo-11-Besatzung nach einem Mondspaziergang wieder sicher auf der Erde empfangen. Die Zukunft liegt im Weltraum und das Rennen mit der Sowjetunion um die Vorherrschaft im Sonnensystem scheint gewonnen. Prof. Henry Jones (Harrison Ford) interessiert sich aber nach wie vor für die Vergangenheit. Die Scheidungspapiere mit Marion Ravenwood (Karen Allen) liegen in seiner kleinen New Yorker Wohnung auf dem Küchentisch und seine Pensionierung beginnt bereits morgen. Das Lebensende naht. Doch dann kreuzen sich seine Wege mit denen seiner Patentochter Helena Shaw (Phoebe Waller-Bridge), die ein Artefakt finden möchte, welches bereits ihren Vater Basil (Toby Jones) um den Verstand brachte. Doch hinter der sogenannten Antikythera – einer antiken, astronomischen Uhr – ist auch der Wissenschaftler Jürgen Voller (Mads Mikkelsen) her, der im Zweiten Weltkrieg den Nazis diente und jetzt die Amerikaner beim Flug ins All unterstützte. Für ihn stellt das Weltall keine Grenze mehr dar, die nächste Stufe ist die Überwindung von Zeit.

Indiana Jones und das Rad des Schicksals (2023) – Filmkritik
© 2023 Lucasfilm Ltd. & TM. All Rights Reserved.

Noch einmal auf Anfang

Genauso wichtig wie die ersten aufregenden Szenen in einem Indiana-Jones-Film sind die Gegenspieler. Zu Beginn erleben wir einen authentisch verjüngten Indiana Jones im Jahre 1945, der wieder einmal gegen die Nazis kämpft. Er will genau dasselbe Artefakt wie Hitler, trotz nahendem Kriegsende. Der Prolog schlingert durch die typische Dritte-Reich-Szenerie aus einer Hollywoodschreibmaschine: Ein Schloss im bewaldeten Gebirge, die Nazis versuchen noch alle Schätze zu retten, die Verfolgung endet in einer nervenaufreibenden Zug-Sequenz. Dann geht es ins Jahr 1969, die Zukunft gehört der Raumfahrt und nicht der Archäologie. Indy ist selbst zu einem Relikt geworden, das im Sessel bei zu viel Whisky einschläft. Der Gegner ist eine Bande Exil-Deutscher unter der Führung des Wissenschaftlers Voller aka Schmidt. Es war übrigens nichts Ungewöhnliches zur damaligen Zeit, dass führende deutsche Wissenschaftler in die USA bzw. Sowjetunion „übernommen“ wurden, denn das Wettaufrüsten lief nach Kriegsende weiter, direkt in den Kalten Krieg hinein. Doch von den Kommunisten geht in INDIANA JONES UND DAS RAD DES SCHICKSALS keine Bedrohung aus, es sind die gefährlichen Exil-Deutschen, die ihre Macht zurückwollen. Die Besetzung neben Mikkelsen sieht leider wie eine Kreuzung aus Turbo Kids und Stirb-Langsam-Schurken aus. Aber die Gegner in den Indiana-Jones-Filmen sind schon immer reine Karikaturen.

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Neu für die Filmreihe ist auf jeden Fall die Rolle der Frau. Sonst nur hysterisch kreischend und stets willens sich hinzugeben, kommt mit Phoebe Waller-Bridge frischer Schwung in die Indy-Frauenwelt und Geschlechterrollen. Ihr steht der Dieb in der Ausbildung zur Seite: Teddy (Ethann Isidore). Die Dynamik der drei klappt soweit ganz gut: Großvater, Ziehtochter und Abenteuerpraktikant. Jedoch interessiert sich das Drehbuch, welches in der Vorproduktion bereits durch ein Dutzend Hände ging, recht wenig für seine Figuren. Die Action und exotischen Orte sollen im Vordergrund stehen. Und gerade hier verhält sich INDIANA JONES UND DAS RAD DES SCHICKSALS erstaunlich austauschbar. Alte Tempel mit ihren Rätseln, Fallen und Schätzen, dass was wir sehen wollen, hat wenig Originalität und lässt kaum Spannung aufkommen. Vielleicht fehlt Regisseur James Mangold einfach die Liebe für ikonische Bilder seines Helden, die berühmten Schattenspiele zum Beispiel. Spielberg wusste, dass die Figur von ihren Posen lebt und nicht von ihrer emotionalen Tiefe. Mangold gehört zu den Besten des Fachs (LE MANS 66, LOGAN) und ihm sei durchaus erlaubt ein paar Merkmale zu erneuern, aber bei Wiederbelebungen von Klassikern, ist er vielleicht die falsche Wahl. Wir sind gespannt, wie es mit seiner Filmografie weitergeht, denn aktuell ist er für ein kommendes STAR-WARS-Projekt und den DC-Film SWAMP THING im Gespräch.

Indiana Jones und das Rad des Schicksals (2023) – Filmkritik
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Das Gute

Wenn im Mittelteil INDIANA JONES UND DAS RAD DES SCHICKSALS einen langen Atem zeigt, denn die Rätsel ähneln einer zähen Geschichtsvorlesung und die Nebenrolle mit Antonio Banderas als Renaldo wird geradezu verschenkt, dreht das Abenteuer zum Finale endlich in die hohen Drehmomente. So viel Mut hätte man der Geschichte dann gar nicht mehr zugetraut und auch das Ende findet eine gekonnte Aussage, die man sich als Generationskonflikt noch gut als „Moral der Geschichte“ mit nach Hause nehmen darf. Resultat: Auftakt und Finale erstklassig, der lange Mittelteil zu seicht und austauschbar. Der Spaß der Vorgängerfilme mit ihren cineastischen Fahrgeschäften fehlt. Jedoch vermisst man vor allem die kindliche Freude von Spielberg, seinem Publikum auch einmal an die Nieren zu gehen, als es wohlbehütet durch diesen Ausflug zu begleiten.

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Fazit

Wie auch der Schurke, irrt sich INDIANA JONES UND DAS RAD DES SCHICKSALS. Es ist eben nicht nur alles Mathematik. Dort ein paar zeitgenössische Figuren, hier ein paar schnelle Verfolgungsjagden und im Hintergrund nur visuelle Effekte, das ist am Ende zu wenig. Die größte Erkenntnis wird zu Filmbeginn klar, dass noch zig weitere Indiana-Jones-Filme folgen könnten, auch wenn Harrison Ford schon lange nicht mehr die Treppe hochkommt – Dank CGI kein Problem. Jedoch waren die damaligen Filme eben auch Kinder ihrer Zeit, passten mit ihrer postkolonialen Einstellung, ihrem Kapitalismusversprechen der Reagan-Ära und dem Publikumswillen ein Ticket für die Kino-Achterbahn zu lösen, genau in die Eighties. Heute reicht reine Unterhaltung mit vertrauten Ikonen schon lange nicht mehr aus das Publikum über zwei Stunden auf Abenteuerreise mitzunehmen.

© Christoph Müller

Titel, Cast und CrewIndiana Jones und das Rad des Schicksals (2023)
OT: Indiana Jones and the Dial of Destiny
Poster
ReleaseKinostart: 29.06.2023
RegieJames Mangold
Trailer
BesetzungHarrison Ford (Prof. Henry „Indiana“ Jones, Jr.)
John Rhys-Davies (Sallah)
Phoebe Waller-Bridge (Helena Shaw)
Mads Mikkelsen (Jürgen Voller)
Ethann Isidore (Teddy)
Boyd Holbrook (Klaber)
Karen Allen (Marion Ravenwood)
Shaunette Renée Wilson (Mason)
Toby Jones (Basil Shaw)
Antonio Banderas (Renaldo)
Thomas Kretschmann (Colonel Weber)
DrehbuchJez Butterworth
John-Henry Butterworth
David Koepp
James Mangold
KameraPhedon Papamichael
MusikJohn Williams
SchnittMichael McCusker
Andrew Buckland
Dirk Westervelt
Filmlänge154 Minuten
FSKab 12 Jahren

2 Gedanken zu „Indiana Jones und das Rad des Schicksals (2023) – Filmkritik“

  1. „Neu für die Filmreihe ist auf jeden Fall die Rolle der Frau. Sonst nur hysterisch kreischend und stets willens sich hinzugeben(…)“

    Dem würde Marion Ravenwood mit Recht vehement widersprechen.
    Und Elsa Schneider hatte sogar ein Motiv für die vermeintliche „Hingabe“.
    Es passt zwar 100%ig auf Willie Scott, reicht bei 5 Filmen aber nicht für ein derart pauschales Statement.
    Da bin ich eigen 😉

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