„Selbst auferlegtes Leid“
Manchmal holt einen in schlaflosen Nächten die eigene Vergangenheit ungewollt ein und man fängt an abzuwiegen, ob man alles erreicht hat was man wollte. Als ob das nicht schon genügt, gibt es alte Freunde, die im Vergleich eine erfolgreichere Karriere hingelegt haben. Jetzt bleibt einem nur noch das eigene Kind, um den Traum vom vielen Geld und großen Ruhm wahr werden zu lassen. So ergeht es bei IM ZWEIFEL GLÜCKLICH dem 47-jährigen Brad, der ein kleines unbekanntes NGO-Projekt hat, dessen Sohn dagegen eine schillernde Universitätskarriere bevorsteht.
Inhalt
Ben Stiller verkörpert diesen Vater, der in einer von Zweifeln zerfressenen Mid-Life-Crisis steckt. Sein einziger Angestellter hat gekündigt, um mehr Geld im Finanzsektor zu verdienen und die Medien führen ihm den Erfolg seiner ehemaligen Kommilitonen (Multi-Millionär, Start-Up-Genie, Politikkorrespondent und Hollywoodregisseur) vor. Sein Sohn Troy, gespielt von Austin Abrams, hat die High-School beendet und ihm stehen, auf Grund guter Noten und musikalischem Talent, alle Universitäten als Option zur Verfügung. Vater und Sohn verbringen ein paar Tage in der Universitäts-Hochburg der Elite Boston, um sich bei den angesehenen Pädagogen vorzustellen. Welche Hochschule ist für eine schillernde Karriere von Troy am Besten und was will er eigentlich werden?
Eine gute Schauspielerwahl
Ben Stiller hat bereits in Filmen wie DAS UNGLAUBLICHE LEBEN DES WALTER MITTY (2013) oder GEFÜHLT MITTE ZWANZIG (2014) bewiesen, dass er durchaus eine interessante Versuchsperson für eine Mid-Life-Crisis ist. Das gelingt ihm mit viel Sympathie, aber auch genug Selbstironie. Durch sein gestyltes und sportliches Äußeres kauft man Ben Stiller die Angst vor dem hohen Alter gern ab. IM ZWEIFEL GLÜCKLICH steht und fällt mit der Sympathie des Zuschauers ihm gegenüber. Austin Abrams (MARGOS SPUREN) als Sohnemann Troy konnte mich ebenfalls überzeugen. Er ist ein schüchterner, in sich gekehrter Junge, der bei anfänglich wirkender Arroganz, dann doch durch clevere Sätze seinen Vater mehr unterstützt, als dieser ihn.
Ein Auf und Ab der Gefühle
Mich persönlich hat in der ersten Filmhälfte das Gejammer von Ben Stillers Figur gestört: Selbstmitleid auf höchstem Niveau! Insgeheim hatte ich gehofft, dass ihm einmal wirklich schlimme Dinge passieren, damit er wieder erkennt, welches Glück er eigentlich hat. Seine Frau Melanie (Jenna Fischer) und er haben einen guten Job, ein eigenes Haus und einen intelligenten und gesunden Sohn. Außerdem haben sie die Möglichkeit ihn auf eine Elite-Universität zu schicken, was in den USA ohne Stipendium eine immense Kreditbelastung für die Eltern ist. Brad widerfährt nichts Traumatisches, jedoch wird er von der reizenden Ananya (Shazi Raja) wieder auf Kurs gebracht. Sie verkörpert mit ihren jungen Studienjahren die Ideale, die Brad in seiner Universitätszeit besaß. Sie wäscht ihm gehörig den Kopf und er erkennt, dass seinem Glück nur er selbst im Weg steht. Das hält jedoch nicht lang an, denn er muss gezwungener Maßen Kontakt zu seinen erfolgreichen Kommilitonen aufnehmen.
IM ZWEIFEL GLÜCKLICH oder der etwas treffendere Originaltitel BRAD’S STATUS ist optisch einem Woody Allen-Film sehr ähnlich. Die Hauptcharaktere gehen viel spazieren und unterhalten sich dabei. Der Film lebt vom Dialog und den Schauspielern. Brad erzählt ab und zu aus dem Off von seinem Leid, was uns einen Einblick in seine verschobenen Ansprüche gibt, aber für die Filmhandlung meist unnötig ist. Die Kameraarbeit und der Schnitt sind schlicht und funktional gehalten. Positiv sind mir die Cellostücke von Mark Mothersbaugh aufgefallen, der ebenfalls Stücke für Wes Anderson-Filme schreibt. Die Score vertont die gespannten Nerven der Hauptfigur bestens. Die restlichen Songs im Film fügen sich in ihrem Coffee Shop-Sound stimmig ins Geschehen ein.
Fazit
Zum ganz großen Wurf reicht es für IM ZWEIFEL GLÜCKLICH dann doch nicht. Hierfür ist das Leid der Hauptfigur einfach zu unwichtig und das Filmende wird einem lieblos vor die Füße geworfen. Dennoch muss ich zugeben, mich selbst in manchen Gedankengängen von Brad wiedererkannt zu haben und dadurch bleibt mir der Film in guter Erinnerung, vor allem durch die talentierten jungen Schauspieler, denen hoffentlich noch einige Filmprojekte vorgelegt werden.
Chefredakteur
Kann bei ZURÜCK IN DIE ZUKUNFT mitsprechen / Liebt das Kino, aber nicht die Gäste / Hat seinen moralischen Kompass von Jean-Luc Picard erhalten / Soundtracks auf Vinyl-Sammler / Stellt sich gern die Regale mit Filmen voll und rahmt nur noch seine Filmposter