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Im Netz der Versuchung (2019) – Filmkritik

Die Handlung

Auf der nicht näher verorteten Tropeninsel Plymoth fährt Ex-Soldat Baker Dill (Mathew McConaughey) reiche Touristen auf seinem Boot zum Hochseefischen aufs Meer. Dort hat er zudem noch eine offene Rechnung mit einem gigantischen Thunfisch namens „Justice“ offen. Dies führt dann schon mal dazu, dass er den biertrunkenen Touris die Angel aus den schwitzigen Händen reißt, um den am Haken hängenden Giganten zukünftiger Fischdosen an Bord zu hieven. Doch das gelingt ebenso wenig wie sein Business durchgängig gut am Laufen zu halten. Das führt nicht nur zu leeren Kassen, sondern auch zu Unstimmigkeiten mit seinem Assistenten Duke (Djimon Hounsou, BLOOD DIAMOND). Die Enttäuschung darüber vögelt er sich dann bei einer guten Freundin mit bestimmten Vorzügen (Diane Lane, UNTREU) von der Seele. Zur Belohnung erhält er dafür von ihr noch eine „Zugabe“ und ein kleines Taschengeld. Die so schnell verdienten Dollar bringt er dann zur weiteren Frustbewältigung direkt in die Hafenspelunke seines Vertrauens.

Im Netz der Versuchung (2019)
© Universum Film

Spätestens hier wird deutlich, dass er mit sich und seinem Leben nicht wirklich im Einklang lebt. Dies scheint auch mit seinem Sohn zusammen zu hängen, der jenseits der Insel in seinem Zimmer vor einem Computer sitzt. Trotz der räumlichen Distanz zueinander scheinen die beiden dennoch auf magische Weise gedanklich immer wieder miteinander in Kontakt treten zu können. Oder bildet er sich dies nur ein? Wie aus dem Nichts taucht dann plötzlich noch seine Ex Geliebte Karen (Anne Hathaway, LES MISERABLES) als eine Art wiedergeborene Veronica Lake auf, um ihn um einen besonderen Gefallen zu bitten.

Wie es sich bei geheimnisvollen, blonden Damen aus der Vergangenheit eines gebrochenen Helden gehört, möchte sie durch ihren Ex nun ihren aktuellen, gewalttätigen Ehemann, der zudem noch eine Unterweltgröße zu sein scheint, endgültig loswerden. Für die erfolgreiche Inszenierung eines Angelunfalls auf See würde ihr „Taschengeld“ an ihn dann sogar noch höher ausfallen – nämlich 10 Millionen Dollar. Warum McConaughey´s Figur diesen nicht gerade geringen Betrag ausschlägt und was ein nervöser Mann im Anzug mit Koffer (Jeremy Strong, MOLLYS GAME) immer wieder von ihm zu wollen scheint, findet in diesem immer mysteriöser verlaufenden Film-Noir-Konstrukt eine am Ende gar nicht mehr so überraschende Auflösung.

Im Netz der Versuchung (2019)
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LOST IDENTITY in TWIN PEAKS – or is there LIFE ON MARS?

Wer die Überschrift konzentriert liest, kommt automatisch großen Vorbildern für diesen ambitionierten Mystery-Thriller auf die Spur. Dass er zudem noch recht „selbstbewusst“ DER ALTE MANN UND DAS MEER (1958) und NUR DIE SONNE WAR ZEUGE (1960) in seinem Handlungseinerlei verrührt, kann man IM NETZ DER VERSUCHUNG zunächst nicht wirklich vorwerfen. Schließlich ist es immer spannend, wenn ein Film erst nach und nach seine eigentliche Geschichte entfaltet und erst ganz am Schluss ihr Kerngeheimnis freigibt.

Dafür kann man durchaus auch mit bekannten Story-Elementen arbeiten, wenn diese dann auch eine für die Geschichte wirklich relevante Funktion haben. Form und Inhalt müssen sich hier besonders akkurat ergänzen. Nur dann funktioniert es, dass in der Rückschau alles Vorangegangene durch seine finale Auflösung plötzlich in einem ganz anderen Licht erscheint. So kann der Film zu einer magischen Zaubershow werden. Die Auflösung ist dann das weiße Kaninchen. Alles davor ein spannend unterhaltsames Ablenkungsmanöver. Mit dieser Prämisse möchte uns auch IM NETZ DER VERSUCHUNG beglücken. Warum es am Ende nicht wirklich funktioniert, hat mehrere Gründe. Da ist zum einen die sich rein auf Oberflächlichkeiten konzentrierende Regie.

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Regie und Drehbuch

Steven Knight (Autor von SCHMUTZIGE, KLEINE TRICKS, 2002 und Mastermind der hochwertigen TV-Serie PEAKY BLINDERS) scheint dem Potential seiner eigenen Geschichte nicht wirklich zu trauen. Zwar gelingen ihm vereinzelt schöne Einstellungen und einige skurrile Momente, kann durch sie aber kaum bedeutende Ankerpunkte für die Auflösung am Ende setzen. Immer wenn etwas visuell tatsächlich mal eine eigenständige Bildsprache einläuten könnte, indem ein Moment wirklich auch mal „schräg“ daherkommt, verlassen wir die Szenerie auch schon wieder. Dadurch kann sich keine durchgängige Grundspannung entwickeln. Alles sieht irgendwie nett, aber nie „zu nett“ aus.

Es musste ja nicht gleich ein zweites TWIN PEAKS in Florida entstehen. Dennoch sollte man ein wenig mehr mit szenischen „Unschärfen“ arbeiten, wenn man die Handlung schon an einem Ort spielen lässt, der nicht das zu sein scheint, was er laut seiner Postkartenidylle vorgibt. Stattdessen zitiert Knight eher halbherzig Elemente aus DIE TRUMAN SHOW, ohne sich deren ursprünglicher Absurdität bewusst zu sein. Eine eigene visuell inszenatorische Note will sich so über den kompletten Film nicht einstellen. Stattdessen präsentiert er ein klischeehaftes Lowlight ans nächste, inklusive der wohl peinlichsten INCEPTION-TRANSCENDENCE-CGI Nachahmung aller Zeiten!

Im Netz der Versuchung (2019)
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Zwar wird bis zum Schluss das Hauptmysterium weitestgehend erklärt, vernachlässigt dabei aber das eigentliche Drama. Das was wir sehen, ist das was wir sehen – kaum mehr. So ist die Schlussauflösung zwar für sich genommen stimmig und in ihrer Aussage durchaus berührend. In ihrer Verbindung zum restlichen Film jedoch ein kitschig aufgesetzter Fremdkörper. Dabei vergisst Autor und Regisseur Knight einige zuvor lang eingeführte Figuren in die Auflösung zu integrieren. Leider verkommen dadurch recht interessant angelegte Charaktere am Ende zu bloßen Stichwortgebern. In der Rückschau ergibt sich nach der Auflösung kein wirklich zufriedenstellendes Gleichgewicht zwischen Ablenkungsshow und dem enthüllten Kaninchen.

Durch das Fehlen eines unter dem Konstrukt durchgängig atmenden Dramas zerfällt IM NETZ DER VERSUCHUNG in Einzelteile. Auch wenn diese für sich durchaus unterhaltsam daherkommen, wirken sie letztendlich beliebig. Zu wenig abgründige Dunkelheit für einen wirklichen Film-Noir, zu wenig persönlich spürbares Drama, um von der Auflösung am Ende wirklich ergriffen zu sein. Am Ende ein zerfahrener Genrebastard ohne echte Seele.

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Die Darsteller

Geht man allein von der namentlich hochrangigen Besetzung aus, muss man sich schon ein wenig die Augen reiben, warum ein solcher Film direkt für den Heimkinomarkt vertrieben wird. Immerhin spielen mit Mathew McConaughey und Anne Hathaway zwei Oscarpreisträger, mit Djimon Hounsou ein zweifach für diesen Preis Nominierter und mit Jason Clarke auch kein mimisches Leichtgewicht mit.

Machen wir es kurz: in den USA war SERENITY (Originaltitel) ein Totalflop, der bereits für böses Blut zwischen den Darstellern und dem Verleih geführt hat. In ihren Augen sei IM NETZ DER VERSUCHUNG mangelhaft beworben worden. Aus den Augen der Verleiher scheinbar völlig zurecht. Kaum jemand wollte den Film um das eher behauptete Liebespaar McConaughey/Hathaway sehen. Tatsächlich geht diese Paarung auch völlig den Bach runter. Während der charismatische McConaughey hier wirklich alles abliefern darf, was ihn bisher bekannt gemacht hat – inklusive nacktem Hintern – muss man Anne Hathaway fast dafür bedauern wie wenig sexy und charismatisch sie für diese Rolle agiert. Dass im Film früher beide ein Paar gewesen sein sollen ist in etwa so glaubhaft wie Donald Trump als Politiker.

Wie man die passenden Funken zwischen dem ewigen Sunnboy McConaughey und einer Frau sinnlich fliegen lassen kann, beweist Diane Lane mal eben so im Vorbeihuschen in ihrer völlig verschenkten Minirolle als Freundin mit Herz, Geld und feuchten Schenkeln. Eine leidenschaftliche Vergangenheit, aus der auch noch ein Kind hervorgegangen sein soll, glaubt man Hathaway in dieser Rolle genau so wenig wie ihre dort aktuelle Beziehung zu einem brutalen Gangster. Und genau so spielt sie auch: unglaubwürdig und leider völlig fehlbesetzt. Fast hofft man, dass es nur an ihren edlen Designeroben und den unnatürlich blonden Haaren liegt, dass sie so hilflos überfordert durch ihre Szenen irrt.

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Nochmal zurück zu Mr. „Ich sehe einfach immer total heiß aus, egal wie abgefuckt ich laut Drehbuch sein soll“: Nichts gegen Nacktheit im Film. Immer her damit, wenn es der Handlung dient. Aber hier wirkt sie genauso fehl am Platz wie Hathaway in diesem Film. Spätestens nach der Auflösung am Schluss muss man schon noch länger darüber nachdenken, was sich die Macher von IM NETZ DER VERSUCHUNG genau dabei gedacht haben, ihn nackt auf einen ebenfalls unbekleideten Jungen zuschwimmen zu lassen.

Immerhin kann Jason Clarke hier mal so richtig die Arschlochsau rauslassen. Doch auch das wirkt seltsam uninspiriert, so wie der gesamte Film.

Im Netz der Versuchung (2019)
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Lichtblicke

Wenigstens kann man IM NETZ DER VERSUCHUNG komplett als McConaughey´s-Casting-Video für die nächste Davidoff-Cool-Water Kampagne nutzen. Anne Hathaway kann sich derweil schon mal überlegen, ob sie ihrer ebenfalls Oscar prämierten Kollegin Sandra Bullock bei der Goldenen Himbeere 2020 nacheifern soll. Die holte sich ihre Auszeichnung der Schande für VERRÜCKT NACH STEVE (2010) nämlich persönlich ab und machte so aus einer lausigen Filmperformance noch eine richtig gute PR-Nummer in eigener Sache. Einen so coolen Auftritt würde man der armen, fehlbesetzten Anne nach diesem Desaster tatsächlich gönnen. Go on, Anne!!!

Dann gibt es im Film einen alten Mann, der sich einsam und gedankenverloren in der Hafenspelunke an seinem Whiskey festkrallt. Vielleicht wünscht er sich dabei ja ins Double Diner von Twin Peaks. Denn dort würde man seiner stillen Exzentrik mehr Aufmerksamkeit entgegenbringen.

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Die Blu-ray

Das Bild ist, wie so oft bei aktuellen Produktionen, sehr gut. Die Extras konzentrieren auf die übliche, nichtssagende Lobhudelei der Beteiligten. Das ist in etwa so interessant wie die Aussagen eines Bäckers zu seinen Brötchen. „Natürlich ist das ein ganz wunderbarer Film mit einer tollen Botschaft. Es war eine der besten Erfahrungen meiner Karriere!“ „Genau, meine Brötchen sind die Besten!“

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Da diese Aussagen der Darsteller wohl noch vor der Verleihkatastrophe und vor dem Abrauschen an den Kinokassen getätigt wurden, ist es fast schon wieder komisch, die Darsteller so enthusiastisch agieren zu sehen. Anderseits sind wir hier höchstwahrscheinlich nur Zeuge der stupiden Professionalität Hollywoods. Alles ist immer ganz toll, egal ob es stimmt, oder nicht. Irgendwie passt diese Haltung doch ganz gut zu Präsident Trump. Für ihn machen auch alle in seinem Kabinett immer einen ganz tollen Job, bis er sie ein paar Wochen später mit seinem „You are fired!“ wieder abserviert. Hat Hollywood vielleicht sogar im Moment den Präsidenten, den es verdient?

Wer gerade nichts anderes zu tun hat und seinen To-Watch-Stapel gerade erfolgreich auflösen konnte, der kann ja mal versuchen, den Film anhand einiger Einzelszenen so weiterzudenken, wie man ihn dann auch tatsächlich gerne sehen würde. Vielleicht ein neuer Trend: der Heimkinobaukasten – Bauen Sie sich anhand spannender Einzelszenen ihren zukünftigen Lieblingsfilm! IM NETZ DER VERSUCHUNG wird dabei sicher nicht herauskommen.

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Fazit

Nicht immer muss ein Verleih falsch liegen. Wenn ein Film nicht läuft, kann es durchaus auch mal daran liegen, dass er einfach nicht gut ist. Dann ist es für jede Art von Vertrieb schwer entsprechende Reichweite zu erzielen. Da versucht man dann mit einem Plakatmotiv ein gewisses Grundinteresse zu wecken, schürt dann jedoch völlig falsche Erwartungen. Schaut man sich nur das gewählte Artwork an, assoziiert man sich automatisch zu Nicole Kidman und Sam Neil auf ihr weit auf See gefangenes Segelboot in TODESSTILLE (1991). Der Trailer wiederum führt einen mehr in die LOST-(TV-Serie, 2004-2010) IDENTITY-(2003) Ecke und verwirrt dadurch schon im Vorfeld. Bezeichnenderweise entschärft man dort auch noch Blut und McConaugheys´s nackten Po, um so auch die unter 16-Jährigen einzusammeln. Indirekt kann man dann sogar von einer Art Selbstsabotage aller vertrieblichen Einheiten sprechen. So erleben wir ein Scheitern über die gesamte Produktionskette eines Projekts, was mit der richtigen Fokussierung von Seiten des Drehbuchs und der Regie gut hätte vermieden werden können.

© Andreas Ullrich

Titel, Cast und CrewIm Netz der Versuchung (2019)
OT: Serenity
Poster
ReleaseKinostart: 02.05.2019
Ab dem 13.09.2019 auf Blu-ray und DVD

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RegisseurSteven Knight
Trailer
BesetzungMatthew McConaughey (Baker Dill)
Anne Hathaway (Karen Zariakas)
Diane Lane (Constance)
Jason Clarke (Frank Zariakas)
Djimon Hounsou (Duke)
Jeremy Strong (Reid Miller)
DrehbuchSteven Knight
KameraJess Hall
MusikBenjamin Wallfisch
SchnittLaura Jennings
Filmlänge106 Minuten
FSKab 12 Jahren

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