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I'm a cyborg but that's okay Mediabook capelight

I’m a Cyborg, but that’s OK (2006) – Filmkritik

„Der Wahnsinn und die Kreativität”

Wow, mir wird wieder leidlich bewusst, wie schnell die Zeit vergeht. I’M A CYBORG, BUT THAT’S OK ist bereits zehn Jahre alt. Ich hatte es sogar geschafft, damals eine Filmvorstellung aufzutreiben und danach völlig verwirrt, aber dennoch beschwingt, den Kinosaal verlassen. Park Chan-Wook war seit OLDBOY für mich zu einem Genie gewachsen, der in seinen Filmen immer hart auszuteilen wusste. Aber ein Liebesfilm von ihm, mit Märchen-Elementen, Halb-Fiktion-Halb-Realität? Dieser Regisseur hat mehr Vielfalt in seinem Repertoire als erwartet.

Im a Cyborg But Thats OK Lim Soo-jung, Rain, Park Chan-wook
© capelight pictures

Fünf Jahre konnte ich über das Kinoerlebnis nachdenken bis mir die DVD des Films von Rapid Eye Movies in die Hände fiel. Jetzt wusste ich, was mich erwartete und die vielen verrückten Figuren mit ihren völlig ungewöhnlichen Macken und dem ausufernden Spiel der Fantasie wandelten sich zu einer wahren Pracht. Heute, im Sommer 2018, ist I’M A CYBORG, BUT THAT’S OK zum ersten Mal auf Blu-ray und im Mediabook von capelight erschienen. Nun konnte ich meinen dritten Besuch in dieser koreanischen Irrenanstalt, wo jeder sein Päckchen Wahnsinn zu tragen hat, verbuchen. Hier hat sich für mich noch einmal eine ganz andere Tür geöffnet: Eine kleine Liebeserklärung an die Großeltern.

I'm a Cyborg, But That's OK Lim Soo-jung und Rain
© capelight pictures

Inhalt „I’m a Cyborg, but that’s OK”

Young-goon (Lim Soo-jung) ist überzeugt ein Cyborg zu sein. Als sie ihren Körper an eine Steckdose anschließt und nur knapp mit dem Leben davon kommt, wird sie von ihrer Mutter, die selbst mit Mühe und Not ihre letzten paar Schrauben im Oberstübchen halten kann, in eine Psychiatrie eingewiesen. Dort verweigert sie zu essen, weil ein Cyborg nur mit Energie funktioniert. Der selbst eingelieferte Dieb Il-sun ist fasziniert von dem Neuankömmling Young-goon, macht sich aber auch Sorgen um sie, als sie immer schwächer wird. Il-sun, gespielt vom K-Popstar Rain, kann nicht nur Gegenstände stehlen, sondern auch die Fähigkeiten anderer Personen, welche er ausschweifend nutzt. Das surreale Märchen in einer Psychiatrie nimmt somit seinen Lauf.

I'm a Cyborg, But That's OK Lim Soo-jung
© Capelight Pictures

Umfangreiche Gedankenanstöße

Den Film mit DIE FABELHAFTE WELT DER AMÉLIE zu vergleichen ist naheliegend, führt aber auf eine falsche Fährte. Amélie wandelt ebenfalls auf dem schmalen Grat von Tagträumerei und Realität, aber bei I’M A CYBORG, BUT THAT’S OK haben die Hauptfiguren mit geistigen Krankheiten zu kämpfen. Die Psychosen und Neurosen sind zwar leicht zugänglich und manchmal zum Brüllen komisch, jedoch schafft es Regisseur Park Chan-wook (DIE TASCHENDIEBIN) deren Welt nicht zu beschönigen. Es schwingt immer etwas Ernst und Gefahr mit. Die reale Welt kann weder damit umgehen, noch kann kann ein Mensch ohne Essen leben, auch wenn er überzeugt davon ist ein Cyborg zu sein. Dies zeigt sich besonders gut im Verhalten der Mutter von Young-goon, die mit ihrer schlechten Erziehung und dem falschen Umgang der Persönlichkeitsstörung ihrer Tochter, tiefe Spuren in deren Psyche hinterlassen hat. Was mich beim erneuten Ansehen dieses koreanischen Märchens begeistert hat, war die Liebe von Young-goon zu ihrer Großmutter, die ihren Verstand gegen den einer Maus eingetauscht hat und nur noch Rettich isst. Das wird in seiner ganzen Dramatik erst zum Ende des Films gezeigt und bricht einem als Zuschauer dann spätestens hier das Herz wie auch das unserer Cyborg-Protagonistin.

I'm a Cyborg, But That's OK Lim Soo-jung
© capelight pictures

Während des Films taucht ihre Oma immer wieder in kleineren Fantasie-Momenten auf und versucht ihr den Sinn des Lebens zu verraten, bevor sie das Gummiband der Zeit wieder aus der Welt schnippst. Eine generationsübergreifende Beziehung, die mir in ihrer Intensität in diesem Film noch nicht aufgefallen ist. Der Regisseur und gelernte Philosoph Park Chan-wook spricht mit seinem Film eine Vielzahl von Thematiken an: Das Wort Cyborg kommt zum Beispiel ursprünglich aus der Raumfahrt. Dahinter versteckt sich der Gedanke, Astronauten mit Hilfe von technischen Verbesserungen des menschlichen Körpers an die Lebensbedingungen anderer Planeten anzupassen. Young-goon will sich in diesem Film aber ganz und gar nicht den gesellschaftlichen Bedingungen anpassen und verzichtet sogar auf die koreanische Grundnahrung: Reis. Anpassung erfolgt durch ihren möglichen Retter Il-sun, der sich einen Weg in ihre Welt erdenkt und es dadurch vielleicht schaffen kann, sie zu retten.

I'm a Cyborg, But That's OK Lim Soo-jung Rain
© capelight pictures

Das Mediabook von capelight

Im a Cyborg But Thats OK Mediabook Cover Capelight
Cover Mediabook 2-Disc-Collectors-Edition

Von diesen interessanten Thematiken gibt es eine Menge im Film. Das Booklet im Mediabook von Marco Heiter hilft dabei sie zu entdecken. Der Kulturwissenschaftler gibt den Inhalt des Films wieder – also erst nach Genuss von I’M A CYBORG, BUT THAT’S OK lesen – wertet es aber mit einer Vielzahl von kulturellen und philosophischen Aspekten auf. Man lernt beispielsweise, dass in Korea niemand fragt: „Wie geht es dir?“, sondern „Haben Sie schon etwas gegessen?“. Heiter gibt in seinem Text immer nur kleine Denkanstöße, ohne uns zu sehr seine Interpretation aufzuzwingen. So stelle ich mir einen filmbegleitenden Text vor, dann noch ohne filmwissenschaftlich verschrobenen Satzbau und inflationären Einsatz von Fremdwörtern.

Die 2-Disc-Limited-Edition enthält den Film als Blu-ray und DVD. Ich habe den direkten Vergleich mit der DVD von Rapid Eye Movies gemacht. Das Bild der Blu-ray von capelight ist wesentlich schärfer als das der DVD. Große Anpassung in den Farben und Kontrasten gab es nicht, war aber auch nicht nötig. Die schillernden Bilder von Kameramann Chung Cung-hoon, aktuell mit HOTEL ARTEMIS im Kino, sind auf der Blu-ray ein wahrer Genuss. Es gibt auch ein interessantes Konzept zur Kameraführung, welches von Cung-hoon im umfangreichen Interview auf den Extras erläutert wird. Ebenfalls gibt es ein Making-of und Interview mit dem Regisseur Park Chan-wook, worin er auch darauf eingeht zum ersten Mal einen Film digital gedreht zu haben. Alle Extras sind passend in die Todsünden eines Cyborgs im Blu-ray-Menü eingeteilt. Es ist ein feines Release – wie gewohnt von capelight (RUNAWAY TRAIN, KIKUJIRO’S SOMMER) – welches hier in meinen Händen liegt und dann noch mit einem fairen Preis-Leistungs-Verhältnis. Der selben Meinung ist Volker vom Filmblog „Die Nacht der lebenden Texte“.

I'm a Cyborg, But That's OK Lim Soo-jung und Rain
© capelight pictures

Fazit

Es hat unglaublich Spaß gemacht, diesen anspruchsvollen, vielschichtigen und liebevollen Film wieder einmal zu sehen. Ich höre oft, dass es Park Chan-wooks schwächster Film sein soll, aber dieser Künstler mit dem Herzen eines Philosophen dreht keine schwachen Filme und die starke Blu-ray-Veröffentlichung im Mediabook von capelight hilft enorm bei dieser Erkenntnis.

Titel, Cast und CrewI'm a Cyborg, But That's OK (2006)
OT: Ssa-i-bo-geu-ji-man-gwen-chan-a
RegisseurPark Chan-wook
PosterIm a cyborg but thats okay Kinoposter Mediabook
Release2-Disc Limited Collector's Edition Mediabook und DVD
Bei Amazon kaufen:
SchauspielerLim Soo-jung (Cha Young-goon)
Rain (Park Il-sun)
Trailer
DrehbuchJeong Seo-kyeong
Park Chan-wook
KameraChung Chung-hoon
MusikJo Yeong-wook
SchnittKim Jae-beom
Kim Sang-beom
AltersfreigabeAb 12 Jahren freigegeben
Technische Daten der Blu-rayTon: DTS-HD Master Audio 5.1 Deutsch und Englisch
Bild: 2,35:1 (1080p)
Untertitel: Deutsch
Laufzeit: 102 min
Typ: BD 50
Regionalcode: B

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