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Hot Summer Nights (2017) – Filmkritik

„Sommer, Sonne, Gras“

Der prestigeträchtige Filmvertrieb A24 hat sich dank einiger massiven Indie-Hits in den letzten Jahren in etwa den Ruf erarbeitet, den Miramax in den frühen 90ern umwaberte. Junge Filmemacher*innen und alte Hasen könne hier, so scheint es, abseits vom Kalkulierungszwang der Big Player ganz und gar idiosynkratische Stoffe realisieren, über die dann in einschlägigen Kritiken zu lesen ist, dass sie ein Kino bedienen, das es so eigentlich nicht mehr gibt. Mit HOT SUMMER NIGHTS kommt nun, etwa vier Jahre nach seiner Permiere beim South by Southwest Festival 2017, durch Koch Films das Regiedebüt von Elijah Bynum nach Deutschland.

Hot Summer Nights (2017)
© Koch Films

Neugierig stimmt zunächst die Besetzung: Ein Timothée Chalamet, kurz vor seinem Durchbruch zum Studierendenidol in CALL ME BY YOUR NAME; die, nachdem sie in dem Genreliebling IT FOLLOWS aufgetreten war, etwas ins Hintertreffen geratene Maika Monroe und in kleineren Nebenrollen die gern gesehenen Charakterdarsteller William Fichtner und Thomas Jane. Ganz dem aktuellen Zeitgeist entsprechend, verschreibt sich HOT SUMMER NIGHTS der trendigen Retrowelle und siedelt seine Handlung im Jahre 1991 an. Um den Instant-Classic-Baukasten zu komplementieren beschreibt sich HOT SUMMER NIGHTS selbst als Mischung aus Coming-Of-Age- und Neo-Noir-Crime-Drama. Breiten wir also unsere Handtücher aus, fahren ins Drive-In-Kino und schauen mal, was diese heißen Sommernächte zu bieten haben.

© Koch Films

Traumatisiert durch den Tod seines Vaters, vegetiert Teenager Daniel (Timothée Chalamet) bei schönstem Wetter hinter den verschlossenen Gardinen seines Jugendzimmers. Um der Trauer ein Ende zu setzen, verfrachtet ihn seine Mutter kurzerhand zu seiner Tante nach Cape Cod. In der Touristenhochburg tobt ein generationenumspannender Kampf zwischen den Einheimischen „Townies“ und den dekadent-republikanischen Touristen. Worauf sich aber alle einigen können, egal aus welchem Lager man auch kommt: So ein Sommerurlaub ist nur mit jeder Menge Marihuana durchzuhalten. Das liefert der draufgängerische Hunter (Alex Roe), um den sich die Mythen ranken, wie vor drei Monaten noch um den Snyder-Cut von JUSTICE LEAGUE.

© Koch Films

Durch ein paar blöde Zufälle landet Daniel nun direkt in Hunters Dealergeschäften und kann dank intuitiver BWL-Skills den Umsatz erstmal gehörig steigern. Die beiden sind sich einig: So kann es ewig weitergehen, solange sie es nicht irgendwie versauen. Und Daniel hat da schon gleich eine gute Idee, wie man es versauen könnte: Auf der einen Seite das Geschäft in den Augen anderer Dealer bedrohlich ausweiten und auf der anderen Seite mit der Ortsschöhnheit McKayla (Maika Monroe) anzubandeln. Ungünstig, dass die die Schwester des etwas überbeschützenden Hunters ist.

© Koch Films

HOT SUMMER NIGHTS ist ein durch und durch postmoderner Film, was nichts grundsätzlich Verwerfliches ist. Leider schleicht sich nach den ersten, sehr dynamischen Minuten das ungute Gefühl ein, dass hier irgendetwas im Getriebe ganz gehörig klemmt.

Auf dem Papier ist alles fast schon Genre-klassizistisch: Ein sardonischer Off-Kommentar eines Jugendlichen, der uns an „seinen“ Erinnerungen an den Sommer 1991 teilhaben lässt, eine ungleiche Freundschaft, ein kometenschneller Aufstieg, der zwangsläufig in einem qualvollen Abstieg münden muss und die stark nach Femme fatale riechende Schönheit  McKayla, die bereits den ganzen Ort zum vergeblichen Schmachten gebracht hat.

© Koch Films

Soweit die Crime-Einflüsse. Der wabernde Begriff des Neo dürfte hier dahingehend attribuisiert werden, dass sich Bynum der Austauschbarkeit seines Filmes ziemlich bewusst sein dürfte. Daniel, McKayla und Hunter sind nie mehr als Oberflächen, über die wir ohne den Off-Kommentar so gut wie nichts erfahren würden, Kuleschow-Personen im wahrsten Sinne des Wortes. Auch für den klassischen Aufstieg/Fall-Dualismus interessiert sich Regisseur Bynum herzlich wenig, die immer mal wieder eingeblendeten erwirtschafteten Geldsummen unserer beiden Sommerjobber wirken fast so, als höre man ein gelangweiltes „Ihr kennt das ja Alle. Jetzt kommt noch ein bisschen mehr Geld, aber gleich geht es bergab.“ aus den Zwischenpixeln des Fernsehers heraus. Solange HOT SUMMER NIGHTS diesen Ansatz bedient, weiß er durchaus zu gefallen. Wer jedoch dieses aseptische Pastiche-Verfahren durchzieht, der hat meistens auch etwas über sein Genre zu erzählen bzw. zu kommentieren. Man denke an Harmony Korines Meisterwerk SPRING BREAKERS, der der/dem Zuschauerin/Zuschauer so lange seine sonnenlicht-durchflutete Oberflächlichkeit auf die Netzhaut brannte, bis es so eiskalt wurde, dass man sich ganz dringend eine Kuscheldecke herbeiwünschte.

Hot Summer Nights (2017)
© Koch Films

Früh offenbart sich eine grundlegende Dialektik: Da sind auf der einen Seite die im Geschäft schnell aufsteigenden Burschen, die aber privat, bei ihren Freundinnen, ob jener Geschäfte versagen. McKayla verachtet die illegalen Geschäfte ihres Bruders zutiefst und zwingt so Daniel dazu, seine Persönlichkeit immer mehr zweizuteilen. Hunter bandelt mit Amy (Maia Mitchell), der Tochter des örtlichen Sheriffs (Thomas Jane) an, und sitzt urplötzlich beim „Feind am Tisch“. Leider fügt Bynum diesem interessanten Kniff keine neuen Gedanken hinzu, mehr als ihre Männer ängstig anschauen dürfen beide Darstellerinnen nicht. Besonders im Fall von Maika Monroe ist das nicht nur tragisch, sondern geradezu ärgerlich: Ihr betont obercooles Oberflächenspiel gehört nämlich zu den besten Momenten von HOT SUMMER NIGHTS.

Hot Summer Nights (2017)
© Koch Films

Zum Ende hin kriegt die Inszenierung gerade nochmal die Kurve und dreht nach einer schamlos aus BOOGIE NIGHTS „entliehenen“ Szene den Spannungsbogen nochmal gehörig auf und präsentiert ein herzlich simples Finale, welches vor der Kulisse einer bestimmt nicht handlungskommentierenden Naturkatastrophe auf den letzten Metern für ein immerhin befriedigendes Finale sorgt.

Wer sich also mit einem etwas unausgereiften bzw. schlussendlich nicht konsequent genug durchgezogenen Konzept anfreunden kann, kann getrost 100 Minuten in Cape Code verbringen.

© Fynn

Titel, Cast und CrewHot Summer Nights (2017)
Poster
RegisseurElijah Bynum
Releaseab dem 25.03.2021 auf Blu-ray und DVD

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Trailer

Englisch
BesetzungTimothée Chalamet (Daniel)
Maika Monroe (McKayla)
Alex Roe (Hunter)
Emory Cohen (Dex)
Thomas Jane (Sergeant Calhoun)
Maia Mitchell (Amy)
William Fichtner (Shep)
Jeanine Serralles (Daniel's Mother)
Reece Ennis (Okie)
Jack Kesy (Ponytail)
Thomas Blake Jr. (Taylor Middleton)
DrehbuchBorden Chase
D.D. Beauchamp
KameraJavier Julia
FilmmusikWill Bates
SchnittJeff Castelluccio
Tom Costantino
Dan Zimmerman
Filmlänge107 Minuten
FSKab 16 Jahren

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