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Horizon (2024) – Filmkritik

„Eine amerikanische Saga“

Der internationale Blick auf die USA scheint magnetisch. Nicht nur weltpolitisch hängen die Augen und Ohren an den Amerikanern, sondern auch die Narrative aus den Vereinigten Staaten sind enorm einflussreich. Ein verhältnismäßig junges Land (es gibt in Deutschland Dörfer, die sind dreimal so alt), das sich in den letzten Jahrzehnten zur Supermacht hocharbeitete. Arbeit ist vielleicht der falsche Begriff. Die USA erreichten diese Position mit rücksichtsloser Gier und dem unerschütterlichen Glauben, dass Ressourcen unendlich sind. Eine Geschichte voller Unterdrückung, Drama und Erfolgshoffnung für jeden Menschen. Der „American Dream“ ist nicht ohne Grund eine Erfindung der Republikanischen Partei.

© Tobis Film

Das Filmgenre Western nimmt in der amerikanischen Filmgeschichte einen besonderen Platz ein, da es sich inhaltlich über die Jahrzehnte vom Heldenfilm zum Antiheldenfilm entwickelte. Die Stimmung eines Neuanfangs mit eigenem Besitz und den unermesslichen Weiten der geografischen Vielfalt erstrahlt am besten in Westernfilmen. Kevin Costner gehört in dieses Genre seit den 1990er Jahren und träumte von einer umfangreichen Saga der amerikanischen Siedlerepoche. Die Pläne blieben viele Jahre in der Schublade, doch  seit seiner Hauptrolle im Serienerfolg YELLOWSTONE, einer Neo-Western-Serie, die 2024 mit der fünften Staffel endet, gaben die Filmstudios endlich Geld für das Projekt frei. Es soll eine mehrteilige Filmreihe werden mit – Stand Juli 2024 – vier Teilen. Die ersten zwei Kapitel sind bereits gedreht und Nummer drei durch eine Streikphase in Hollywood unterbrochen. Aber wir wollen nicht zu viel über temporäre Produktionsbefindlichkeiten reden, sondern über das, was HORIZON darstellt: einen Auftakt.

© Tobis Film

Handlung

Für eine Siedlung ist Wasser das Wichtigste. Ein malerisches Stück Land im mittleren Westen, ein Fluss durchquert das Tal, das durch Felsen vor Winden geschützt ist. Die ersten Pilger kommen aus dem Osten, und stecken ihre Grenzen ab. Das Land „gehört“ jedoch bereits einem anderen Volk, den Apachen. Es ist ihr Jagdrevier für Wild und die ersten Siedler werden von ihnen umgebracht. Durch Flugblätter mit dem Versprechen auf fruchtbaren, günstigen Boden, wird dieser Ort namens „Horizon“ weiterhin die Aufmerksamkeit vieler auf sich ziehen, die ihr Glück suchen.

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Die nächste große Gruppe von Siedlern wird erneut von den Einheimischen umgebracht, nur Wenige überleben. Unter den Überlebenden befindet sich Frances Kittredge (Sienna Miller) mit ihrer Tochter Elizabeth (Georgia MacPhail). Ein Teil der Siedler sinnt nach Rache und schließt sich Skalpjägern an, während der Rest von der Armee zum nächsten militärischen Posten, unter der Führung von Col. Albert Houghton (Danny Houston), Capt. Trent Gephart (Sam Worthington) und Sgt. Major Thomas Riordan (Michael Rooker) geleitet wird. Währenddessen erreicht Hayes Ellison (Kevin Costner) ein kleines Nest in Wyoming. Dort gerät er mit der Prostituierten Marigold (Abbey Lee) in eine langjährige Fehde zwischen der Skyes Familie und Ellen Harvey (Jena Melone).

Der Strom nach Horizon reißt nicht ab. Gerät die nächste Planwagen-Kolonne unter der Führung von Matthew Van Weyden (Luke Wilson) ebenfalls in ihr Verderben?

© Tobis Film

Der Regen folgt dem Pflug

Es ist wieder Zeit für ein weiteres Western-Epos. Die Laufzeiten von Filmen folgen keinen festen Regeln mehr, also warum sich nicht für drei Stunden ins Kino zurückziehen? Doch gleich zu Beginn birgt HORIZON ein paar Probleme mit den eigenen Erwartungen. Meine Vorstellungen müssen mit denen von euch nicht übereinstimmen, aber dank Costners Regiearbeit an DER MIT DEM WOLF TANZT (1990) hatte ich zumindest visuelle Erwartungen. HORIZON ist jedoch gar nicht so cineastisch wie vermutet. Das 16:9-TV-Bildverhältnis und die vielen digitalen Hintergründe trüben den Eindruck eines Filmepos. Was die Maskerade etwas unauffälliger macht, sind das aufwändige Kostümdesign und die vierbeinigen Nebendarsteller. Man sollte auch bedenken, dass Produktionskosten nicht unermesslich sind und es kaum noch Landstriche gibt, die nicht zivilisatorische Spuren aufweisen. Da ist etwas digitales Birkenlaub ein einfaches, günstiges Gestaltungsmittel.

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Aber auch die Kamera kommt nicht wirklich in die Versuchung mit Bildern etwas Handlung zu erzählen. Die ersten Minuten sind fast ohne Dialog und markieren einen wunderbaren Prolog, aber dann läuft der Film wie ein Bühnenschauspiel. Bei der Vielzahl von Figuren und Orten wird es schwierig dem Geschehen zu folgen und auch persönliche Lieblinge zu finden. Costner selbst in der Rolle von Hayes Ellison gewährt sich überraschenderweise wenig Screen Time und weitere Charaktere wirken bisweilen etwas oberflächlich. Persönlich stört mich auch die Schönheit aller Figuren in diesem Film, das beginnt bei den fiesen Skyes-Brüdern, die ohne Zweifel als heutige Unterwäsche-Model durchgehen würden. Da helfen ein paar falsche gelbe Zähne auch nicht. Sienna Miller ist permanent mit perfekt gestyltem, goldenem Haar und in perlweißer Spitze im staubigen Nirgendwo zu sehen. Das trägt der Liebesgeschichte und der oft kitschigen Filmmusik leider zu viel Make-up auf. Vielleicht hat Costner nicht nur ein Budget-Problem, sondern auch eines mit seinen Vorstellungen vom Ende des 19. Jahrhunderts im Mittleren Westen.

© Tobis Film

Aber vielleicht ist da noch mehr

Auch wenn das Visuelle nicht mit den eigenen Erwartungen übereinstimmt, macht ein Vergleich mit dem Serienkonzept keinerlei Sinn. Nur weil vor gut zehn Jahren Produktionsbudgets für Serien enorm gestiegen sind und dementsprechend auch ihre Qualität, muss HORIZON nicht zwangsläufig als Serie besser funktionieren. Costner wollte ein Film-Epos und das muss man akzeptieren. Die PATE-Trilogie wäre als Serie kaum erträglich. Jedoch fehlen HORIZON für eine gut inszenierte Geschichte die cineastischen Momente. Am Ende bleibt eine Szene im Gedächtnis: Costners Figur macht sich auf den Weg zu einem Haus, und die Gefahr gesellt sich in Form von Caleb Skyes, fies gespielt von Jamie Campbell Bower (STRANGER THINGS), zu ihm. Die Spannung kommt aus dem Dialog, beide Darsteller schenken sich nichts und am Ende geschieht das, was unvermeidlich ist.

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Jedoch hat man die meiste Zeit das Gefühl einem Bühnenstück beizuwohnen, als in einem Kinosessel zu sitzen. Aber das wird sicherlich mit dem mittleren Produktionsbudget zu tun haben. HORIZON legt aber auch jede Menge Potenzial für weitere spannende Geschichte in dieser Saga: die Rolle der asiatischen Einwanderer, der Einfluss des Amerikanischen Bürgerkriegs und der Verfasser dieser Flugblätter auf das gelobte Land – kurz in der Vorschau am Ende ist Giovanni Ribisi in der Rolle des Pickering zu sehen. Auch wenn Costner als Regisseur, Produzent, Drehbuchautor und Darsteller unbedingt einen Kinofilm drehen wollte, bleibt nach drei Stunden Hochglanzwestern nur der Appetit auf mehr: mehr Spannung, komplexere Charaktere und tiefere historische Aussagen.

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Fazit

Von der Vorspeise wird man nicht satt. HORIZON ist schwer zu beurteilen, da es den Anfang einer Saga darstellt. Die Schienen sind grob in eine Richtung gelegt. Jetzt liegt es am Willen der Produktionsstudios und Kevin Costner, dafür zu sorgen, dass die Fahrt nicht langweilig und schnurgerade verläuft.

© Christoph Müller

Titel, Cast und CrewHorizon (2024)
OT: Horizon; An American Saga - Chapter 1
Poster
ReleaseKinostart: 22.08.2024
RegieKevin Costner
Trailer
BesetzungKevin Costner (Hayes Ellison)
Sienna Miller (Frances Kittredge)
Sam Worthington (First Lt. Trent Gephart)
Jena Melone (Ellen/Lucy)
Danny Huston (Col. Houghton)
Luke Wilson (Matthew Van Weyden)
Abbey Lee (Marigold)
Jamie Campbell Bower (Caleb Sykes)
Hayes Costner (Nathaniel)
Charles Halford (James Sykes)
Bodhi Okuma Linton (Sacaton)
Amos Little (Realston)
Michael Rooker (Sgt. Major Riordan)
Michael Angarano (Walter Childs)
Jon Beavers (Junior Sykes)
Owen Crow Shoe (Pionsenay)
Tatanka Means (Taklishim)
Wasé Chief (Liluye)
Ella Hunt (Juliette Chesney)
Tom Payne (Hugh Proctor)
Will Patton (Owen Kittredge)
Isabelle Fuhrman (Diamond Kittredge)
DrehbuchJon Baird
Kevin Costner
KameraJ. Michael Muro
MusikJohn Debney
SchnittMiklos Wright
Filmlänge181 Minuten
FSKab 12 Jahren

 

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