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Hellraiser III – Hölle auf Erden (1992) | Filmkritik

Nach dem finanziellen Misserfolg von CABAL – DIE BRUT DER NACHT (1990) nahm Clive Barker nur noch einmal auf dem Regiestuhl Platz: LORD OF ILLUSIONS (1995) basierte wiederum auf einer Kurzgeschichte aus den BÜCHERN DES BLUTES. Neben seiner literarischen Tätigkeit – primär dem Verfassen von Fantasy-Romanen – schrieb Barker Drehbücher und fungierte vor allem als Produzent. HELLRAISER III – HÖLLE AUF ERDEN (Hellraiser III: Hell on Earth) erschien 1992 im gleichen Jahr wie CANDYMAN’S FLUCH (Candyman, Regie: Bernard Rose) und war geprägt von Differenzen zwischen Barker und Bob Weinstein, dessen Gesellschaft Miramax den Film finanzierte. Weinstein bestand auf eine action-lastige und eine mit Spezialeffekten durchdrungene Geschichte, aus Empörung hierüber wollte Barker sogar veranlassen, dass sein Name als Executive Producer nicht im Abspann genannt wird. Glücklicherweise sind aber viele Barker’schen Elemente in der dritten Fortsetzung der Hellraiser-Saga erhalten geblieben. Das Drehbuch wurde gemeinsam von den langjährigen Weggefährten Barkers, Peter Atkins und Tony Randel geschrieben, letzterer hatte HELLBOUND – HELLRAISER II (1988) gedreht. Regie führte Anthony Hichox. Dessen Vater Douglas Hichox soll trotz heftiger Abneigung gegen Horrorfilme, den Genre-Klassiker THEATER DES GRAUENS (Theatre of Blood, 1973) inszeniert haben, um seinen Sohn eine Freude zu machen.[1]

© Turbine Medien

Handlung

Die Journalistin Joey (Terry Farrell) wird in einem New Yorker Krankenhaus mit einem unheimlichen Erlebnis konfrontiert: ein schwer verletzter Mann wird von Ketten, die aus seinem Körper ragen, zerfetzt. Währenddessen ersteht JP Monroe (Kevin Bernhardt), der Besitzer des Musik-Clubs Boiler Room, indem das Opfer sich zuletzt aufgehalten hatte, eine bizarre Säulenskulptur, auf der gequälte Menschen abgebildet sind. Monroe, der bereits seine Eltern getötet hatte, schließt eine Art Teufelsbündnis mit dem in der Statue gefangenen Cenobite Pinhead (Doug Bradley): er lockt Menschen in sein Apartment, die Pinhead verschlingt, um seinem Verlies entkommen zu können. Terri (Paula Marshall), die den schwerverletzten Mann ins Krankenhaus begleitete, gelingt es Monroe zu überwältigen. Nachdem Pinhead auch Monroe getötet hat, kann er sein Gefängnis verlassen. Die Hölle bricht los.

© Turbine Medien

Interpretation

Wie bei den beiden Vorgängern sind auch Parallelen zu der Philosophie des französischen Schriftstellers Georges Bataille (1897-1962) erkennbar. Diese sieht im Ausleben sexueller Tabus das höchste Lebensprinzip, das „Ja-Sagen zum Leben bis in den Tod“. Dies schließt grausame Erfahrungen und sogar Todesfantasien mit ein. Bataille betrachtet den Menschen als isoliertes, nach der Geburt in die Welt geworfenes Wesen, dass bei seinem Streben nach Kontinuität eine „neue Form von Diskontinuität“ findet: als Paar verschmelzen zwei Wesen in ihrer Einzigartigkeit. Aber selbst dieser Gedanke wird weitgehend negiert. HELLRAISER – DAS TOR ZUR HÖLLE (1987) handelt von der sexuellen Abhängigkeit Julias von Frank, die im Gattenmord und schließlich auch dem eigenen Tod mündet, während in HELLBOUND – HELLRAISER II der von Julia besessene Channard ihr letztlich zum Opfer fällt.

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In HELLRAISER III wird die junge Frau, der Monroe eine Rose schenkte und die sich eine feste Beziehung zu ihm erhoffte, nicht nur nach heftigem Sex von Monroe wie ein benutzter Gegenstand weggeworfen, sondern sogar von Pinhead physisch vernichtet.[2] Der Tod selbst ist in den Hellraiser-Filmen niemals mit Erlösung verbunden – hier dem Prinzip aus DAS BÖSE (Phantasm, 1979) nicht unähnlich, wo die Verstorbenen zur Sklaverei gezwungen werden – sondern die weitere Existenz als Cenobite ist mit einer unheimlichen Verschmelzung der Technik verknüpft, mit welcher die Menschen zu Lebzeiten arbeiteten: Daniels (Ken Carpenter) Kamera wird zu seinem Auge, der DJ des Boiler Rooms wird von seinen eigenen Scheiben zerschnitten und benutzt diese später als Waffen. HELLRAISER III zählte auch zu den ersten Horrorfilmen, in denen Computereffekte genutzt wurden.

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Das apokalyptische Wirken der Cenobites findet auch ihre Entsprechung in einer Erzählung Barkers, die von der „Jagd nach Sex“ handelt. In DAS ZEITALTER DER BEGIERDE hat dieses die vorangegangenen Ären der Reformation, der Aufklärung und Vernunft abgelöst, dem „vielleicht das Ende von allem“ folgen wird, dass die Erde in Feuer versinken und in „letzten, flammenden Licht“ erleuchten wird. Bataille schreibt, von Hegel und Nietzsche beeinflusst: „Der Tod Gottes schenkt uns nicht einer positiven und begrenzten Welt wieder, sondern einer Welt, die sich im Exzess, der die Grenze übertritt, bildet und auflöst.“ Auch die Kräfte der Hölle geraten hierdurch in eine existenzielle Krise: so erklärt der Priester Joey, es gebe keine Dämonen, kurz bevor Pinhead die Kirche zerstört, sich mit Nadeln aus seinem Kopf Stigmata an den Händen zufügt und dem Geistlichen von seinem Fleisch zum Essen gibt.[3] Auch das gewalttätige 20. Jahrhundert selbst wird in HELLRAISER III reflektiert: der durch die Erfahrungen des Ersten Weltkrieges traumatisierte Soldat Elliott Spencer wird zum Cenobite Pinhead. Joey begegnet in Albträumen ihrem im Vietnam-Krieg vermisstem Vater. Ohne die grellen Effekte und in einer noch düsteren Atmosphäre hätte HELLRAISER III zu einem Horror-Meisterwerk wie JACOB’S LADDER – IN DER GEWALT DES JENSEITS (1990) werden können.

© Turbine Medien

Dennoch handelt es sich um eine gelungene Fortsetzung der Hellraiser-Reihe, die wie die Vorgänger geschickt literarische und philosophische Motive in die Handlung einfügt. Eine breite Untersuchung zum Einfluss Batailles auf das Werk von Clive Barker wäre zudem ein lohnendes wissenschaftliches Unterfangen.

© Stefan Preis

Verwendete Literatur

  • Barker, Clive (2003): Die Bücher des Blutes IV – VI. Erfstadt.
  • Bataille, Georges (1994): Die Erotik. München.
  • Stiglegger, Marcus (Hrsg.) (2002): Kino der Extreme. Kulturanalytische Studien. Sankt Augustin.

Quellen

  • [1] Im Gesamtwerk von Douglas Hichox finden sich allerdings häufig Elemente des phantastischen wie des Horror-Genres, so in DER HUND VON BASKERVILLE (The Hound of Baskervilles, 1983) oder auch bei seinem letzten Film, den Psychothriller BESTIE IN SCHWARZ (Blackout, 1985).
  • [2] Besonders CANDYMAN greift deutlich das Motiv des Paares auf: Helen träumt von einer Beziehung zu dem Geist, der in ihr seine frühere Geliebte wiedererkennt.
  • [3] Das Szenario wirkt deutlich von der Erzählung DIE GESCHICHTE DES AUGES (1928) von Bataille inspiriert.
Titel, Cast und CrewHellraiser 3: Hell on Earth (1992)
OT: Hellraiser III: Hell on Earth
Poster
Releaseseit dem 29.04.2022 die ersten drei Teile in einer Blu-ray- oder DVD-Box

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RegisseurAnthony Hickox
Trailer
BesetzungKevin Bernhardt (J.P. Monroe)
Lawrence Mortorff (Bum)
Terry Farrell (Joey Summerskill)
Aimée Leigh (Sandy)
Doug Bradley (Pinhead / Elliot)
Ken Carpenter (Doc / Camerahead)
Sharon Hill (blonde Krankenschwester)
Paula Marshall (Terri)
DrehbuchPeter Atkins
FilmmusikRandy Miller
KameraGerry Lively
SchnittChristopher Cibelli
James D.R. Hickox
Filmlänge97 Minuten
FSKab 18 Jahren

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