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Hellraiser: Hellworld (2005) – Filmkritik

Eingefleischte Fans der Cenobiten reagierten skeptisch auf die bereits achte Fortsetzung der Hellraiser-Reihe. HELLRAISER: HELLWORLD (2005) handelt von einer Internet-Communty, die an dem Online-Computerspiel Hellworld teilnimmt, das auf Clive Barkers Charakteren basiert. Im Grunde war es konsequent, im Internet-Zeitalter die Cenobiten in den virtuellen Raum zu verlegen. Außerdem werden in der originellen Geschichte auch die vielleicht wichtigsten Einflüsse auf Barker – der im Hintergrund beratend tätig war – zitiert: die Gothic Novel, Edgar Allan Poe und der Marquis de Sade.

© Dimension Films

Handlung

Zwei Jahre nach dem grausamen Suizid des jungen Online-Gamers Adam (Stelian Urian) treffen sich dessen Freunde auf einem abgelegenen Landhaus. Dort findet eine exklusive Hellworld-Party statt, zu der nur intensive Nutzer des gleichnamigen Computerspiels eingeladen wurden. Der sensible Jake (Christopher Jacot) hofft dort eine Internet-Bekanntschaft anzutreffen. Er, Chelsea (Katheryn Winnick), Allison (Anna Tolputt), Mike (Henry Cavill) und der Asthmatiker Derrick (Khary Payton) treffen den Gastgeber (Lance Henriksen), der ihnen erzählt, das Gebäude sei angeblich einst von LeMarchand errichtet worden, dem Schöpfer der Lament Configuration. Nachdem er ihnen Getränke ausgibt – die skeptische Chelsea verletzt er mit einer Nadel – händigt er ihnen Mobiltelefone aus, mit denen sie sich mit den übrigen maskierten Gästen zu One-Night-Stands verabreden können. Im Anschluss erleiden mehrere der ‘Hellraiser’ – so werden die Community-Mitglieder genannt – grausame Tode: Pinhead (Doug Bradley, der bisher letztmals diese Rolle verkörperte) tötet Derrick mit einem Beil und Mike wird vom einem weiteren Cenobite an einem Haken gehängt. Im Morgengrauen lüftet sich das schreckliche Geheimnis.

© Dimension Films

Interpretation

„Ihr seid (…) im Grunde eines unbewohnbaren Waldes, über steilen Bergen, deren Zugänge alsbald zerstört wurden, nachdem ihr sie passiert habt, ihr seid in einer uneinnehmbaren Festung eingeschlossen, und niemand weiß, wo ihr euch befindet. Ihr seid getrennt von eueren Freunden und Angehörigen, ihr seid bereits tot für die Welt und atmet nur noch zu unserer Lust.” Marquis de Sade, Die 120 Tage von Sodom

Hans Schifferle bezeichnete Clive Barker einmal als den Erben der dunklen englischen Romantiker und als Nachfolger des englischen Gothic Cinema von Hammer und Amicus. Entsprechend ist HELLRAISER: HELLWORLD eine moderne Interpretation der Poe-Adaptionen Roger Cormans sowie des Slasher-Films der 1980er Jahre. Die Legenden, die sich um das Hellworld-Haus ranken – es sei zunächst ein Kloster und später ein Sanatorium für psychisch kranke Straftäter gewesen – vor allem die Geschichte der Ordensschwester Ursula (Catalina Alexandru) erinnert an NIGHTMARE III – FREDDY KRUEGER LEBT (A Nightmare on Elm Street 3: Dream Warriors, 1987): Freddys Mutter war eine Nonne, die von Psychiatrie-Insassen vergewaltigt wurde. Katholische Motive sind auch allgegenwärtig in dem Film, bereits beginnend mit dem Intro, dass eine Trauerfeier in einer Kirche zeigt.

© Dimension Films

Lance Henriksen, der legendäre Darsteller von Frank Black aus MILLENIUM verkörperte in den Episodenfilm ALPTRÄUME (Nightmares, 1983) einen an seinen Glauben zweifelnden Priester, dem der leibhaftige Teufel erscheint – der Gastgeber, der aus durchaus nachvollziehbaren Motiven, Hellworld inszenierte, begegnet am Ende Pinhead und glaubt zunächst zu träumen. Diese Wendung erinnert an Poes klassische Novelle „Die Maske des Roten Todes“, 1964 von Roger Corman genial verfilmt. Entsprechend ist Pinhead auch als Tod auf einer Tarot-Karte abgebildet.

© Dimension Films

Freddys Methode seinen Opfern im Traum als sexuelles Erlebnis zu erscheinen wird ebenfalls zitiert: Derrick und Mike geraten durch ihre Sex-Partnerinnen in tödliche Fallen. Der Folterstuhl, auf dem Allison von zwei drehenden Rädern zerschnitten wird oder das plötzliche Aufwachen in einem Sarg erinnert an Beschreibungen aus Sades 120 Tage von Sodom. In Barkers Originalvorlage zu HELLRAISER – DAS TOR ZUR HÖLLE (1987) habe Sade eine LeMarchand-Box gegen Papier getauscht, um diese Geschichte schreiben zu können. Der Puzzle-Box kommen in HELLRAISER: HELLWORLD zwei makabre Bedeutungen zu: als Umschreibung des weiblichen Genitals oder des Gefangen-Seins in einem Sarg.

© Dimension Films

Im Laufe der Handlung erfährt man, dass in den Getränken starkes Psychedelikum befand. Anschließend wurde den Gästen das angetan, was Edgar Allan Poe als „die grauenvollste aller Martern, die je dem Sterblichen beschieden wurde” nannte. Roger Cormans vielleicht düsterster Film LEBENDIG BEGRABEN (The Premature Burial, 1961) nach Edgar Allan Poes gleichnamiger Erzählung erzählt die Geschichte eines an Taphephobie leidenden Mannes, der einem Komplott seiner Verwandten zum Opfer fällt. Hans Schifferle bezeichnete die Darstellung einer „psychedelisch-dekadenten Landschaft (…) eine Oase der Onanie in Rot und Violett (…) wie ein schrecklicher LSD-Trip” – Eindrücke, die auch bei HELLRAISER: HELLWORLD entstehen – und bemerkte die Nähe zwischen Todesangst und Todessehnsucht, die später auch in nahezu allen Hellraiser-Filmen präsent ist. Ist es bei Corman noch eine geldgierige Ehefrau, die als „Todesengel (…) schlimmste Schreckensvorstellungen erfüllt” kommen in HELLRAISER: HELLWORLD anonymen Affären oder nicht existenten Chatpartnerinnen diese Funktion zu.

© Dimension Films

Die Gräber stehen auch symbolhaft für Vereinsamung im Internet-Zeitalter, nicht wirklich in Kommunikation mit anderen zu treten oder keine Beziehung eingehen zu wollen. Der in Rumänien gedrehte HELLRAISER: HELLWORLD ist ein atmosphärisch dichter, unterschätzter Horrorfilm, der gerade die mit der Digitalisierung verknüpften Ängste reflektiert. Ungewöhnlich für die Hellraiser-Reihe endet er mit einer Fahrt in den Sonnenaufgang. Ein unglücklicher junger Mann hat Erlösung in romantischer Liebe gefunden.

© Stefan Preis

Verwendete Literatur:

  • Brüchler, Markus (2022): MovieCon Sonderband 8: Hellraiser. Holzwickede.
  • Schifferle, Hans (1994): Die 100 besten Horror-Filme. München.

 

Titel, Cast und CrewHellraiser: Hellworld (2005)
Poster
ReleaseKinostart: 15.02.2006 (Deutschland)
RegieRick Bota
Trailer

Trailer zu ZEITLOS Kinoreihe
BesetzungStelian Urian (Adam)
Katheryn Winnick (Chelsea)
Anna Tolputt (Allison)
Khary Payton (Derrick)
Henry Cavill (Mike)
Christopher Jacot (Jake)
Lance Henriksen (Host)
Doug Bradley (Pinhead)
DrehbuchCarl V. Dupré
KameraGabriel Kosuth
Musik
Lars Anderson
SchnittAnthony Adler
Filmlänge91 Minuten
FSKab 16 Jahren

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