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Hellboy (2019) – Filmkritik

„Call of Lameness“

Am 1. April eine Neuigkeit zu verkünden, stößt oft auf wenig Vertrauen. So erging es mir in der Pressevorstellung zu HELLBOY am 01.04.19. Das Flimmern auf der Leinwand fühlte sich wie ein zweistündiger Aprilscherz an, nur, dass allen im Saal das Lachen im Halse stecken blieb. Sicher kennen und lieben viele die HELLBOY-Filme von Guillermo del Toro oder schätzen die Comicvorlage. Aber der viel zu lange Trailer zeugte schon von der Unsicherheit des Studios mit dieser dämonischen Neuauflage.

© Universum Film

Dabei war die Besetzung des roten Riesen mit dem steinernen Unterarm durch David Harbour (STRANGER THINGS) eine geniale Entscheidung. Auch die Nebenrollen mit Milla Jovovich (RESIDENT EVIL-Reihe, DAS FÜNFTE ELEMENT) als fiese Hexe und Ian McShane (AMERICAN GODS) als Vaterrolle, hatten einiges an Schauspieltalent zu bieten. Man war gespannt, wie der Horrorfilm-Regisseur Neil Marshall (DOG SOLDIERS, THE DESCENT) das Franchise rebootet, es mit der Härte der Comics ausstattet und vielleicht ein paar Aspekte beleuchtet, die del Toro in seinen Filmen vernachlässigte. Doch das letzte bisschen Hoffnung, das ich am Aprilmorgen noch zusammenkratzen konnte, half mir nicht einmal über die ersten Minuten hinweg.

© Universum Film

Handlung

Der Film beginnt in Schwarzweiß. Aha, Blick in die Vergangenheit also. Die Blutkönigin Nimue (Milla Jovovich) stellt mit ihrer dunklen Magie und allerlei Getier das alte englische Königreich auf den Kopf. Jedoch gelingt es König Arthur und Merlin, sie mit dem Verrat ihrer Schwester zu hintergehen. Die Hexe wird zerteilt, einzeln in Kisten verschlossen und über das Land verstreut vergraben, so dass sie nie wieder ihre vollen Kräfte zum Einsatz bringen kann. Gut 1.500 Jahre später muss sich Hellboy (David Harbour) mit einem mexikanischen Wrestler rumschlagen, der von einem vampir-ähnlichen Wesen besessen ist. Keine Austreibung durch Faustschläge gelingt ihm und der Wrestler, der irgendwie auch ein guter Kollege von Hellboy ist, wird mit Hilfe der Ringecke gepfählt. Hellboy versucht seinen Frust über ein paar Wochen in den mexikanischen Kneipen zu ertränken, bis sein Ziehvater Professor Bruttenholm (Ian McShane) mit dem B.U.A.P (Behörde zur Abwehr paranormaler Entscheidungen) auftaucht: Nein, er soll nicht Hexe Nimue besiegen, sondern einem schrägen, adligen Jagdclub helfen, der seit vielen Generationen Riesen tötet. Bis Nimue und Hellboy aufeinandertreffen und die Geschichte etwas Schwung bekommen könnte, vergehen noch einige Kapitel mit unwichtigen Szenen, Personen und Splattereffekten.

© Universum Film

Die Optik ist nicht alles

HELLBOY ist ab 16 Jahren freigegeben, sieht aber wie der Traum eines 14-jährigen Gore-Liebhabers aus. Es wird gehackt, geschnitten, genäht, geknackt und geplatzt, was das Zeug hält. Jedoch geschieht dies alles auf einem so rückständigen virtuellen Effekte-Niveau, dass man eher glaubt einem vergessenen Crossover der Videospiele DOOM und DIABLO beizuwohnen. An ein paar fliegenden Eingeweiden und Blutfontänen kann auch ich mich erfreuen, aber dann muss es zumindest den Anschein wahren echt zu sein, Unterhaltungswert zu haben oder die Situation der Figuren im Film näherzubringen. Nicht so bei HELLBOY, hier scheint massiv die Sparschraube im Bereich Post-Production angezogen zu sein und das Ergebnis ist eine Reise ins Zeitalter der CD-ROM. Aber selbst über so etwas kann man hinwegsehen, wenn man ein paar coole Kämpfe oder magisches Feuerwerk sieht und jede Menge witzige One-Liner aus dem Munde des Höllenjungen zu hören bekommt. Bei all diesen drei Punkten versagt der Film.

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Die Kämpfe sind so vorhersehbar wie die Titel der kommenden Disney-Verfilmungen und gehen im Schnellschnitt der Orientierungslosigkeit unter. Die magischen Fähigkeiten sind für den Zuschauer kein bisschen nachvollziehbar. Niemand erklärt uns, was jeder kann und wozu. Man hat das Gefühl, der Hokuspokus soll nur weitere Splatter-Szenen berechtigen. Die unsterbliche Nimue schreit vor Schmerzen, wenn ihr irgendwelche warzigen Hexen minutenlang den Körper zusammennähen, aber die Pest nach London bringt sie mit einem Fingerschnippen. Wenn dunkle Kreaturen aus der Hölle oder anderen Dimensionen kommen – auch Baba Jaga hat einen Auftritt, der eher Ekel auslöst als dem Drehbuch zu dienen – dann leben sie doch von der Fantasie des Zuschauers. Nicht ohne Grund wurde das Alien in ALIEN (1979) nie komplett gezeigt, aber jeder Zuschauer kann noch Jahre später beschreiben, wie es aussieht. Die gruselige Gestalt setzt sich erst im Kopf der Zuschauer zusammen. In HELLBOY wirken alle Monster wie ein Sammelsurium von Videospielentwürfen, was sicherlich auch den schlechten CGI-Effekten zu verdanken ist. Man wird das Gefühl nicht los, das Finale von SILENT HILL oder der Animeserie BLOOD-C mit diesem Weltuntergang zu verwechseln.

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Der rote Riese

Das übermotivierte Drehbuch versucht, die gesamte Comicvorlage in den Film zu pressen. Die Story, den inflationären Einsatz von schlechten Effekten und ein führungsloses Schauspielensemble kann man mit einem alkoholischen Getränk vielleicht noch verschmerzen, wenn Hellboy ein paar knackige Sprüche klopft und seinen trocken Humor dem grotesken Umfeld entgegenwirft. Ron Perlman hat dicke Spuren im Franchise hinterlassen, aber David Harbour hat genug Präsenz, um ihn als den neuen Hellboy zu akzeptieren. Leider misslingt auch hier die Umsetzung jeder Menge Möglichkeiten. Seine Witze, welche die Figur trotz ihres höllischen Aussehens so sympathisch machen, löschen jeden Funken von Humor. Sie sind einfach nicht witzig. Die vielen grotesken Szenen hätten genug Möglichkeiten geboten, dass Hellboy sich über seine Situation hätte lustig machen können. Nein, man riecht jeden Joke bereits meilenweit gegen den Wind. Ich hatte erst Bedenken, dass es nur mir so geht, aber um mich herum gab es auch keinerlei Resonanz auf den „witzigen“ Hellboy.

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Weiterhin bleibt die Vater-Sohn-Beziehung zwischen Prof. Bruttenholm und Hellboy auf der Strecke. In der 2004er Version gewannen John Hurt und Ron Perlman mit ihrer glaubwürden Liebe und der schüchternen Art Hellboys in Gegenwart seines Ziehvaters das Mitgefühl der Zuschauer. Hier  schreien sich Harbour und McShane den ganzen Film nur an. Hellboy wirkt wie ein trotziger Teenager mit zu viel Kraft und Vater Bruttenholm scheint kein Interesse an ihm zu haben. Dieser wichtige emotionale Faden wird nicht einmal ansatzweise aufgegriffen. Aushelfen soll hier die junge Sasha Lane (AMERICAN HONEY) als Medium Alice Monagan mit ihrer Freundschaft zu Hellboy. Statt einen Zugang zur Hauptfigur zu schaffen, muss sie Visionen Verstorbener auskotzen – ja, das passiert wirklich. Ironischerweise machen gerade diese emotionalen Blockaden Hellboy zur einsamen, traurigen Figur, die wir aus den Comics kennen, aber eben nur in unsympathisch.

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Fazit

Am Ende bleibt es einer der größten Flops des noch jungen Kinojahrs, trotz viel Potential und der Treue zur Comicvorlage. Der richtige Aprilscherz kam für mich mit der Hidden-Credit-Scene, die die Zuschauer tatsächlich für eine Fortsetzung motivieren soll. Aber bis zu dieser Szene wird sicher kaum einer im Saal bleiben. Aber ein Gutes hat die 121-minütige Quälerei. Der Beweis ist hiermit geliefert: Statt auf niedrigem Niveau Geld zu verbrennen, hätten die Produzenten Guillermo del Toro lieber die geforderten 100 Mio. für einen würdigen Trilogie-Abschluss geben sollen. Ich werde mir jetzt erst einmal HELLBOY I & II ansehen. HELLBOY II kommt übrigens am 23. Mai 2019 auf 4K-UHD raus, vielleicht ist hier das Geld der Kinokarten besser angelegt.

Titel, Cast und CrewHellboy - Call of Darkness (2019)
OT: Hellboy
Poster
Kinostartab dem 11.04.2019 im Kino
ab dem 30.08.2019 auf DVD, Blu-ray und 4k-UHD
Bei Amazon bestellen:
RegisseurNeil Marshall
Trailer
BesetzungDavid Harbour (Hellboy)
Milla Jovovich (Nimue)
Ian McShane (Professor Trevor „Broom” Bruttenholm)
Sasha Lane (Alice Monaghan)
Daniel Dae Kim (Maj. Ben Daimio)
Alistair Petrie (Lord Adam Glaren)
Sophie Okonedo (Lady Hatton)
Penelope Mitchell (Ganeida)

DrehbuchAndrew Cosby
ComicvorlageHELLBOY von Mike Mignola
KameraLorenzo Senatore
MusikBenjamin Wallfisch
SchnittMartin Bernfeld
Filmlänge121 Minuten
FSKab 16 Jahren

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