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Harry und Sally (1989) – Filmkritik

Filme haben das Zeug zu einem richtigen Evergreen, wenn sie ihrem Thema treu bleiben. HARRY UND SALLY ist eine Romantikkomödie, nicht mehr und nicht weniger. Unter der Regie von Rob Reiner laufen Meg Ryan und Billy Crystal zur Höchstform auf. Zwischen den beiden Rollen funkt es immer wieder, dank der cleveren Dialoge und dem pointierten Szenenspiel von Drehbuchautorin Nora Ephron. Zusätzlich vermittelt HARRY UND SALLY diese wohlige Unbeschwertheit, die man in den Kinos der damaligen Zeit in Filmen wie UND TÄGLICH GRÜSST DAS MURMELTIER (1993) oder NOBODY’S FOOL (1994) finden konnte. Zu jener Zeit floh man nicht vor weltumspannenden Krisen oder Depressionen ins Kino, sondern um sich vor schlechtem Wetter schützen oder um einfach nicht mehr allein zu sein. Heute wird diese Art von Therapie nur noch in den eigenen vier Wänden mit Internethilfe durchgeführt. Balsam für die Seele wird man mit Nullen und Einsen nicht finden, denn so etwas kann einzig und allein eine simple Liebesgeschichte und die schönste Filmstadt der Welt: New York.

© Capelight Pictures

Handlung

Alles beginnt mit Sparsamkeit und einer Mitfahrgelegenheit. Sally Albright (Meg Ryan) und Harry Burns (Billy Crystal) haben ihr Studium an der Universität von Chicago abgeschlossen und ziehen nach New York. Beide haben sich noch nie vorher getroffen und die Fahrt ist von Harmonie weit entfernt. Ihre Ansichten und Lebenseinstellungen könnten nicht unterschiedlicher sein. Der kleine Roadtrip endet im Morgengrauen in New York und beiden gehen ihrer Wege. Fünf Jahre später begegnen sie sich im Flugzeug wieder. Sie sind in festen Beziehungen und ihre Persönlichkeiten immer noch meilenweit voneinander entfernt. Weitere fünf Jahre später ist Sallys Beziehung vorbei und Harrys Ehe geschieden. Sie treffen sich zufällig in einem Buchladen. Es entsteht eine Freundschaft, mehr nicht. Ihre besten Freunde Marie (Carrie Fisher) und Jess (Bruno Kirby) springen dagegen direkt zusammen ins Taxi und verlieben sich. Können denn Männer und Frauen überhaupt „nur“ Freunde sein?

© Capelight Pictures

Persönlichkeit

HARRY UND SALLY ist kein Film der komplexen Beziehungsanalysen. Der Film ist rein subjektiv, so subjektiv, dass immer wieder ältere Pärchen von ihrem Kennenlernen oder ihren langen Ehen berichten. Die Blaupausen für eine gute Beziehung könnten nicht unterschiedlicher sein, passen aber immer zum nächsten Kapitel in HARRY UND SALLY. Liebe und Freundschaft folgt keiner Mustervorlage und ist von Mensch zu Mensch verschieden. Was macht aber genau diese Filmbeziehung so liebenswert? Beide kommen von der Uni, sind bereits junge Erwachsene, haben Meinungen und Ansichten. Vor allem Harry hat festgefahrene Ansichten über Frauen und Männer. Doch Sally gibt Kontra. Beide müssen erst durch den Verlust ihrer ersten richtigen Beziehung hindurch, um zu erkennen, dass nicht alles einem Lebensplan entspricht. Harry legt seine Bedenken zu einer Freundschaft mit einer Frau ab und Sally entdeckt etwas Warmherziges in dem teilweise arroganten Harry. Normalerweise drehen sich Filme nur um eine Person, die eine Veränderung durchmacht. Hier verändern sich beide Charaktere, aber vor allem deswegen, weil sie einander schätzen lernen und gern Zeit miteinander verbringen.

© Capelight Pictures

Die Hauptrollen

Crystal und Ryan sind eine Wucht. Sie waren nie cooler gekleidet und hatten nie wieder bessere Dialogszenen. Doch die heimliche Hauptdarstellerin des Films ist die Stadt New York Ende der 1980er Jahre. Die Metropole hat ihre düsteren Jahre hinter sich gelassen. HARRY UND SALLY bewegt sich zugegebenermaßen in den gehobeneren Vierteln, vielleicht strahlt auch deswegen  New York nie wieder so schön wie hier. Auch wenn einige Wohnungsszenen im Studio gedreht wurden, meint man nie den Big Apple zu verlassen. Regisseur Rob Reiner und sein Kameramann Barry Sonnenfeld kennen die Stadt und filmen Straßenszenen ohne Schauspieler wie Menschen im Park, auf den Straßen und den Geschäften. Der Übergang zwischen Drehort New York und Studio ist so fließend, dass man der urbanen Stimmung einfach nicht entfliehen kann. Geradezu malerisch zeigt sich New York in seinen Jahreszeiten. Rodelnde Kinder im Park, das verregnete Menschengetümmel zwischen den Häuserblocks, die sommerliche Brise zwischen den Reihenhäusern in Brooklyn oder das frostige Footballspiel der Giants. HARRY UND SALLY ist zwar ein reiner Dialogfilm, doch New York spielt sich immer wieder mit seiner filigranen Gemütlichkeit dokumentarisch in den Vordergrund. Der amerikanische Tourismusverband hätte es sich nicht besser wünschen können. Die Realität ist sicher eine andere, wie es einer weiteren großen Filmstadt (Paris) nachgesagt wird, aber das Ganze kommt visuell wie auch inhaltlich zuckersüß zusammen. Wie in dieser Szene: Harry und Sally spazieren durch den farbenprächtigen Herbst im Central Park. Die Wege sind leer und selbst die Ausstellung, die sie besuchen scheint verlassen. Beide wirken harmonisch zusammen, von Großstadteinsamkeit keine Spur. Die Stadt wird zu einem Gemälde, in dem sie umherstreifen, völlig frei. Sie haben einander, die Liebe ist nur noch eine Frage der Zeit.

© Capelight Pictures

Nicht ohne die Filmgeschichte

Mit HARRY UND SALLY ging die Welle der romantischen Komödien im Kino richtig los. Aber dieser zeitlose Klassiker scheut sich nicht, seine Inspirationen zu offenbaren. Die erste Screwball-Komödie wird gleich zu Beginn angedeutet: die Mitfahrgelegenheit. In ES GESCHAH IN EINER NACHT (1934) fliehen ein aufgeblasener Journalist und eine verwöhnte Millionärstochter vor ihrem einflussreichen Vater. Hier: Harry in lockeren Klamotten und Traubenkern spuckend erklärt Sally erst einmal, wer sie überhaupt ist und wie Beziehungen funktionieren, Clark Gable nicht unähnlich. Sally wirkt in ihrer Korrektheit ziemlich arrogant und oberflächlich, wie Claudette Colbert als privilegierte Tochter. Ihr Gehabe beim Essen grenzt an Überheblichkeit. Doch der Film lässt diese Referenz nach 13 Minuten bereits hinter sich. Und falls Harry mit seiner Frauen-und-Männern-können-keine-Freunde-sein-Hypothese recht hätte, wäre der Film schnell vorbei. Denn jetzt wird die Theorie einer Prüfung unterzogen.

© Capelight Pictures

Regisseur Rob Reiner ist Sohn des berühmten Schauspielers und Regisseurs Carl Reiner (REICHTUM IST KEINE SCHANDE, 1979) und Drehbuchautorin Nora Ephron stammt ebenfalls aus einer Familie von Drehbuchautoren. Die Hollywood-Referenzen sind geradezu vorprogrammiert. Beide sollen auch mehr oder weniger die Geschichte anhand des Junggesellenlebens von Rob Reiner und den Witzen von Billy Crystal zusammengeschrieben haben. Sie konnten es sich aber nicht nehmen weitere – bewusste oder unbewusste – filmhistorische Bezüge einzubauen. Harry und Sally streiten während der Autofahrt über die Wahl von Ingrid Bergman in CASABLANCA (1942) – ein Melodram mit einem unvergesslichen Nicht Happy End. Das Ganze wird später noch potenziert. Sie telefonieren und beide schauen den Klassiker auf ihrem eigenen Fernseher. Doch mit Hilfe eines Splitscreens sieht es so aus, als ob beide nebeneinander im Bett liegen. Was noch getrennt ist, bringt der Schnitt zusammen. Wir als Publikum wissen bereits schon lange, dass sie zusammengehören, doch wenn es passiert, muss erstmal alles den Bach runtergehen, wie die spätere Verdopplung dieser Splitscreen-Szenen mit ihren Freunden in perfektem Dialogtiming zum Besten gibt: „Ich glaube ich werde krank.“. Einer der ersten auffälligen Splitscreens wurde übrigens im Film BETTGEFLÜSTER (1959) vollzogen. Hier wurden Doris Day und Rock Hudson mit einem Schnitt im Bett zusammengeschoben.

© Capelight Pictures

Neben diesem Verweis darf man natürlich nicht die offensichtlichste Filmreferenz verbergen: DER STADTNEUROTIKER (1977). Die gewitzten Dialoge über Beziehungen auf den Gehwegen der Metropole New York und manches Outfit erinnern sehr an Woody Allen und Diane Keaton.

Lieblingsfilm für Zuhause

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Beste Qualität für diese liebenswerte Romantikkomödie gibt es vom deutschen Label Capelight Pictures auf Ultra HD Blu-ray und Blu-ray. Mit grandiosem Bild und gutem Ton wandert der Lieblingsfilm HARRY UND SALLY endlich in die Filmsammlung. Das limitierte Mediabook bietet neben umfangreichen Extras einen schönen Booklettext von Filmjournalistin Jenny Jecke. Dies ist die beste Veröffentlichung des Films weltweit. Zu diesem Coup kann man dem Berliner Independent Label nur gratulieren.

Fazit

Liebe und Freundschaft wurden nie schöner in einem Film mit Leben erfüllt. Heute sind die Nostalgiegefühle regelrecht überwältigend. Die Stadt New York bekommt mit HARRY UND SALLY ein filmisches Denkmal gesetzt und das Publikum erhält an einsamen Tagen eine der schönsten Liebesgeschichten überhaupt.

© Christoph Müller

Titel, Cast und CrewHarry und Sally (1989)
OT: When Harry Met Sally…
Poster
Releaseseit dem 20.10.2023 im Mediabook (UHD + Blu-ray) und einzeln auf DVD erhältlich.

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RegieRob Reiner
Trailer
BesetzungBilly Crystal (Harry Burns)
Meg Ryan (Sally Albright)
Carrie Fisher (Marie)
Bruno Kirby (Jess)
Steven Ford (Joe
Lisa Jane Persky (Alice)
Michelle Nicastro (Amanda)
Harley Jane Kozak (Helen)
Franc Luz (Julian)
Tracy Reiner (Emily)
DrehbuchNora Ephron
KameraBarry Sonnenfeld
MusikMarc Shaiman
SchnittRobert Leighton
Filmlänge96 Minuten
FSKab 16 Jahren

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