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Guns Akimbo (2019) – Filmkritik

Die Gamification schleicht sich immer mehr in unser Leben. Die Motivation für einen schwierigen oder langweiligen Prozess wir durch Highscores, Ranglisten, Fortschrittsbalken oder virtuelle Produkte vergrößert und Vokabeln lernen macht zum Beispiel mehr Spaß, wenn man einen Avatar mit jeder Lektion erweitern kann. Die Suchmaschine Ecosia lässt bei ihren Nutzern visuell mitlaufen, wie viele Bäume sie mit jeder Suchanfragen pflanzen und selbst bei langen Autobahnbaustellen schauen uns Emojis an, um zu vermitteln, wie lange das Hindernis noch dauert. Nichts Neues also, dass diese spieltypischen Elemente ihren Weg in Filme finden. Da das Medium aber recht passiv konsumiert wird, bedient es sich eher mit einem Spiel als Handlungsrahmen (BATTLE ROYALE, TRIBUTE VON PANEM) oder es übernimmt gestalterische Mittel aus Games wie zum Beispiel bei HARDCORE HENRY (2015) aus dem Ego-Shooter oder ENDER’S GAME (2013) aus Strategiespielen. GUNS AKIMBO passt in beide Kategorien. Ein Spiel ist hier das Handlungsgrundgerüst, zwei Menschen kämpfen bis zum Tod gegeneinander, und die Ästhetik erinnert an ein Shooter- oder Beat ‚em-up-Game. Der Actionstreifen biedert sich der Generation Y und Z (ab den 1980er geboren) geradezu an, so dass der Zuschauer sich von diesem stroboskopartigen Zuckerrausch mitreißen lässt oder kopfschüttelnd nach Originalität sucht. Nein, jemandem Pistolen an die Hände zu nageln ist nicht originell.

GUNS AKIMBO (2019)
© LEONINE

Handlung

Miles (Daniel Radcliffe) kommt in seinem Singledasein ohne nennenswerte Errungenschaften gut zurecht. Seine Ex-Freundin Nova (Natasha Liu Bodizzo) ist sein einziger Kontakt zum anderen Geschlecht, seine Spieleentwickler-Karriere endete bei einem Eichhörnchen Handygame und abends zischt er gern ein paar Biere auf der Couch in seinem von Spielfiguren gesäumten Nerd-Cave. Seine einzige Leidenschaft ist es in diversen Chats Leute zu beleidigen und wenn Troll Miles auf einen anderen Troll trifft, fühlt er sich erst richtig lebendig. Doch eines Abends landet er im Darkweb bei SKIZM. Die lassen Durchgeknallte um ihr Leben kämpfen und filmen den Kampf, damit ihn Millionen im Netz mitverfolgen können. In diesem Chatroom ist er leichte Beute, wird gehackt und ein paar Minuten später überfällt ihn ein Trupp Schläger und schraubt ihm an jede Hand eine automatische Handfeuerwaffe mit je 50 Schuss. Miles ist jetzt der neue Gegner für die amtierende Ranglistenerste Nix (Samara Weaving).

© LEONINE

Trollhunter

Ein Wunsch wird wahr. Wenn man im Internet einmal auf so einen richtig widerlichen Gesellen getroffen ist, der nur herablassend und beleidigend ist und sich hinter einem virtuellen Avatar versteckt, wünscht man sich diese Person doch mal im realen Leben zu treffen, um herauszufinden, ob er wirklich so taff ist wie er sich gibt. Miles, der Loser, der sich nur stark fühlt, wenn er andere beleidigt, wird hier zur Beute in einem blutigen Spiel für die Masse. Aber, er ist hier der Underdog in der Geschichte und so schlägt man sich schweren Herzen auf seine Seite. Die Erwartung, ob Miles etwas über sein feiges kindisches Verhalten lernt, wird nicht geliefert. Ob er am Ende das Mädchen bekommt und welche Endgegner er in GUNS AKIMBO trifft, muss jeder selbst herausfinden. Große Überraschungen kommen in diesem stilistischen Rahmen nicht vor.

GUNS AKIMBO (2019)
© LEONINE

Videogames als Spielfilm

Handwerklich ist die neuseeländische Produktion auf hohem Niveau. Die Kameras sind wie auf Drohne, die Gunfights schnittig schnell, ohne sich dem Magendreher „Handkamera“ zu bedienen und die blutigen, digitalen Effekte erfüllen ihren Zweck. Aber John Wick hat sich schon durch einige Filmerfahrungen geschossen und da liegt die Latte für diese Actionkomödie einfach zu hoch. Doch bereits zu Beginn muss sich der Zuschauer entscheiden, ob er die Nervenbahnen auf Durchzug stellt oder ob er sich an der Realitätsferne stört. Wenn Nix beim nächtlichen Autorennen in der ersten Szene die Kapuze bis über die Nase hängt, muss man ab sofort alles Unsinnige hinnehmen und sich ein alkoholisches Getränk seiner Wahl öffnen oder den nörgeligen Zuschauer in sich herauskehren. Filme wie CRANK (2006) oder HARDCORE HENRY (2015) bekehren aber diesen Nörgler durch ein solch hohes visuelles und erzählerisches Tempo. GUNS AKIMBO gelingt dies nicht. Zu unsympathisch ist Hauptfigur Miles, zu vorhersehbar die Klischee-Cops, zu dünnarmig und zielblind die Gegnerin und zu zahm der Bösewicht.

© LEONINE

Was noch hinzukommt ist, dass die Hauptfigur in ihrem digitalen Kokon immer wieder feststeckt und man als Zuschauer Chatnachrichten mitlesen muss – dafür wurde das Kino bestimmt nicht erfunden. Immer wieder bekommt man Alltagsprobleme serviert, wenn Miles mit seinen bewaffneten Händen zum Beispiel pinkeln muss. Wenn er zum x-ten Mal versucht sein Smartphone aus der Tasche zu klauben, ist es ein Wunder, dass er nicht an der nächsten Ecke vom Bus überfahren wird. Wenn kurz vorm Showdown noch eine Zeitsprung-Erklärung aufgetischt wird, landet sämtliche Erwartung als Zuschauer ernst genommen zu werden mit der letzten Patronenhülse im Matsch.

GUNS AKIMBO (2019)
© LEONINE

Daniel Radcliffe hat wohl wenig Schuld an diesem Rohrkrepierer, denn oft hat er bewiesen, dass er den Zaubererumhang für ernste und auch abgedrehte Rollen durchaus ablegen kann, siehe KILL YOUR DARLING (2013), HORNS (2013) oder SWISS ARMY MAN (2016). Die Filmerwartung an GUNS AKIMBO flippert zwischen Indieproduktion und handfestem Actionfest hin und her. Für eine kleinere Produktion gibt es kaum Eigenständiges, zu viele lahme Gags und für einen packenden Actioner wenige emotionale Verknüpfungen mit den Hauptfiguren. Das ist Regisseur Jason Lei Howden mit seinem Debüt DEATHGASM (2015) besser gelungen, auch wenn sich keine Erinnerungen an das Dämonen-Heavy-Metal-Hinterhof-Gemetzel einstellten, war es immerhin leichte Unterhaltung. Man kann nur noch genervt mit den Augen rollen, wenn GUNS AKIMBO zum wiederholten Mal die gleichen bescheuerten Stereotyp-Zuschauer von SKIZM vor den Displays zeigt, die einem vorleben, wie man sich jetzt fühlen soll.

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Fazit

Leider wird GUNS AKIMBO seinem WTF-Trailer nicht gerecht. Zu viele Entscheidungen der Figuren sind einfach zu dämlich und zu wenig ist der Film bereit völlig abzudrehen. Da schaut man dann doch lieber noch einmal SCOTT PILGRIM GEGEN DEN REST DER WELT (2010) und danach THE RAID (2011) und fiebert mit den Avataren mit.

© Christoph Müller

Titel, Cast und CrewGuns Akimbo (2019)
Poster
RegisseurJason Lei Howden
Releaseab dem 04.12.2020 im Mediabook und auf Blu-ray und DVD

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Trailer
BesetzungDaniel Radcliffe (Miles Lee Harris)
Samara Weaving (Nix)
Natasha Liu Bordizzo (Nova)
Ned Dennehy (Riktor)
Grant Bowler (Degraves)
Rhys Darby (Glenjamin)
Milo Cawthorne (Hadley)
DrehbuchJason Lei Howden
FilmmusikEnis Rotthoff
KameraStefan Ciupek
SchnittLuke Haigh
Zaz Montana
Filmlänge97 Minuten
FSKab 18 Jahren

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