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Guardians of the Galaxy Vol. 3 (2023) – Filmkritik

„Die Streuner“

Die Bande aus interstellaren Rumtreibern kommt endlich wieder zusammen, um ihren dritten Abenteuer-Sampler auf die große Leinwand loszulassen. Und vielleicht ist GUARDIANS OF THE GALAXY VOL. 3 der letzte Film in dieser Konstellation, so wir sie kennen. Denn das Universum expandiert unerschöpflich weiter, Oberschurken bedrohen immer wieder ganze Sonnensysteme und vor allem Persönlichkeiten verändern sich. Die Zeit und ihre Ereignisse wirken auf alle, ob miesgelaunter Waschbär, stumpfer Zerstörer, erinnerungsschwache Cyborg-Killerin, wortkarges Borkenwesen oder humanoides 80er-Jahre-Waisenkind: „The Times They Are A-Changin‘ “ – nein, Bob Dylan ist nicht auf dem Soundtrack. Wir wollen unsere Helden nicht auf der Stelle treten sehen. Emotionen entstehen nun einmal durch Veränderungen. Aber mittlerweile geht man mit anderen Ängsten ins Kino: Werden sich die Guardians ihrem Geldgeber beugen? Müssen sie sich der neu herbeikonstruierten Multiverse-Saga des MCU beugen, einfügen und ihr Handlungstreiber sein? Denn das macht die Truppe um Star-Lord so liebenswert: Sie missachten so manche intergalaktische Ordnung und vor allem scheren sie sich einen Dreck um die gierige Hyperserialität der Marvelfilme. Entwarnung ist hiermit gegeben, die Guardians bleiben sich treu und geben sogar noch ein bisschen mehr von dem, was sie auszeichnet. Zusätzlich bekommt endlich eine Figur ihr Scheinwerferlicht, das sie verdient hat.

© Marvel

Handlung

So etwas wie Alltag kehrt in Knowhere ein. Die Bevölkerung auf der Minenkolonie folgt ihrem einfachen Treiben, die Guardians eröffnen ihr Hauptquartier und Peter Quill (Chris Pratt) lässt sich ordentlich volllaufen, um über den Verlust von Gamora (Zoe Saldana) hinwegzukommen. Nachdem die grüne Schönheit aus dem Blip zurückkehrte, konnte sie sich nicht mehr an Star-Lord und ihre Liebe zu ihm erinnern. An ihrer Stelle hält Schwester Nebula die Guardians auf Trab. Nebenbei treiben Drax (Dave Bautista) und Mantis (Pom Klementieff) ihre Streiche mit sich und anderen. Doch die Ruhe hält nicht lang an, denn eine alte Rechnung will beglichen werden. Ayesha (Elizabeth Debicki) ist immer noch ordentlich sauer wegen der gestohlenen Batterien von Rocket (Bradley Cooper) und der Niederlage beim Planeten Ego. Sie schickt die neuste Kreation aus ihrer goldenen Welt: Adam Warlock (Will Poulter). Der bringt Rocket in solche Lebensgefahr, dass die Guardians bei ihrer medizinischen Hilfe etwas entdecken: Sie können kein heilendes Medi Pack anwenden, da Rocket an seinem Herzen einen Kill Switch trägt. Dieser verhindert, dass seine technischen Upgrades in fremde Hände geraten. Es wird Zeit zum Schöpfer des kämpfenden „Trash Panda“ zu fliegen: The High Evolutionary (Chukwudi Iwuji). Und dessen Absichten sind keineswegs hilfsbereit.

© Marvel

Do You Realize??

Hand aufs Herz, wirklich jeder Charakter in GUARDIANS OF THE GALAXY VOL. 3 ist sympathisch, selbst wenn sie bescheuerte Witze machen, die gern auf Kosten der Leben anderer gehen und die man meilenweit gegen den Wind wittert. Jeder in dieser Bande aus Streunern ist auf seine Art gebrochen, ein Rebell geworden und hat dennoch seine zweite Chance bekommen, einmal etwas nicht Eigennütziges zu tun. Es schwebt etwas Melancholie über ihren Köpfen. Dieses Gefühl wird durch Songs eines wieder einmal vortrefflichen Soundtracks verstärkt. Wo gibt es noch Szenen im Blockbusterkino, in denen die Figuren in die Ferne schauen und einem Song lauschen und wir ganze Strophen zu hören bekommen? Dem Mp3-Player Zune sei Dank.

© Marvel

In Vol. 2 musste sich Quill seiner Vergangenheit stellen, göttliche Mächte gegen seine neue Familie eintauschen. Jetzt ist es an der Zeit, die bereits in Teil zwei geöffnete Persönlichkeit von Rocket zu erforschen und die hat erstaunlich aktuellen Themenbezug.

In the Meantime

Während in manchen Ländern die Evolutionslehre noch verteufelt wird, ja sogar in Ländern in den dieser Film im Kino laufen wird, treibt der Mensch längst in seine von künstlicher Intelligenz beeinflusste nächste Evolutionsstufe. Unser kleiner pelziger Freund hat bereits in jungen Jahren einige Sprünge auf der Entwicklungsleiter hingelegt, auch dank seiner technischen Implantate und der gewissenlosen Arbeit eines Genies. Der hier erschaffene Oberschurke The High Evolutionary strebt nicht weniger als die letzte Evolutionsstufe an, die perfekte. Doch in seiner genialen Arbeit hat er nicht mit einer Anomalie gerechnet. Seine Genialität wird von der eigenen Schöpfung in Frage gestellt, sogar überflügelt. Übrigens, ein essentieller Fakt der Evolution ist es, dass sich die Nachkommenschaft weiterentwickelt. Doch Evolutionary will die kontrollierte Entwicklung und vor allem will er weiterhin an der Spitze stehen, ein Gott sein.

© Marvel

Auch hier gibt es eine gewisse Parallele zur aktuellen A.I.-Diskussion in unserer Realität. Den meisten ein bis vor wenigen Monaten noch unbekanntes Unternehmen namens OpenAI, zeigt überraschenderweise mit einem Chatprogramm auf welchem Level sich künstliche Intelligenz bereits befindet und die aktuellen Lenker der Techbranche wie Microsoft, Google, Musk und Zuckerberg bitten um einen Entwicklungsstopp. Einen Moment Pause, um über diese rasante Entwicklung zu sinnieren und gegebenenfalls Regelungen zu treffen, bevor uns die Maschinen hinter sich lassen. Liebe Leserinnern und Leser, verzeiht diesen kleinen gedanklichen Ausflug, aber es ist doch von Belang, wenn man bei einem Unterhaltungsfilm wie GUARDIANS OF THE GALAXY VOL. 3 auf solche Gedanken während des Filmerlebnisses kommt. Das zeugt davon, dass nicht nur eine Actionsequenz die nächste jagt, sondern auch ausreichend geistige Inhalte in diesem bunten Treiben zu entdecken sind. Aber eines ist immer auf Platz eins: der Spaß!

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Come and Get Your Love

Regisseur James Gunn hat für die Guardians die perfekte Formel gefunden. Ein bisschen verwunderlich ist, dass er sie im DC-Universum nicht anwenden wollte – belangloser konnten in THE SUICIDE SQUAD (2021) die Charaktere nicht sein. Aber hier und jetzt fiebert man bei jedem mit, die Formel geht auf. Es schwebt neben hoher Sympathie immer der Nervenkitzel mit, dass doch der ein oder andere Charakter ins Jenseits übergleitet. Vielleicht liegt es auch der archaischen Art der Guardians gegenüber ihres Heldentums, es zu ignorieren und vielleicht doch über die Klippe zu springen. Dazu findet sich im Finale eine treffende Bebilderung von Michelangelos „Die Erschaffung Adams“ (Ausschnitt aus dem Deckenfresko in der Sixtinischen Kapelle), nur eben hier im Weltall und mit einem Zune-Player im Mittelpunkt. Die Zauberformel heißt ein Wechselspiel aus Action, Witzen und Emotionen. Gegeißelt ist man nie von dieser Formel, auch wenn manch Gag schnell durchschaubar ist, sind die Actionsequenzen stets packend unerwartet, wie zum Beispiel der schnittfreie Kampf oder eher ein Tanz des Todes in einem Raumschifftunnel. Das Tempo ist immer genau dosiert, tritt mal auf die Bremse mit einem Track aus der Playlist oder einer Nahaufnahme, die dann doch länger stehenbleibt als man es im MCU gewöhnt ist. Das Grundrezept der Guardians wurde also nicht ignoriert, jedoch etwas verbessert und ein paar aktuelle und neue Zutaten beigefügt. Es schmeckt immer noch vortrefflich.

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I Will Dare

Neben dem gelungenen Unterhaltungseskapismus muss man auch Kritik üben. Denn das Finale, so emotional es auch ist, lebt fast nur von den Hauptfiguren und der Befreiung gequälter Tiere als von einer Gruppe perfekt evolutionierter Kinder. Keine Sorge diesen Satz versteht man, wenn man den Film gesehen hat. Die Frage ist, was sagt das über unsere Gesellschaft aus, dass unsere Empathie gegenüber Tieren und Außerirdischen größer zu sein scheint als gegenüber den Zweibeinern, die uns am ähnlichsten sind. Das mag auf jeden anders wirken, aber es wird inszenatorisch gewichtet. Vielleicht liegt es an der Opferrolle, dass Tiere sich schlechter wehren können, aber möglicherweise spielt unsere gesellschaftliche Isolierung der letzten Jahre, dank technischer Distanzierungsmittel, eine Rolle. Man schenkt schneller unbedenklich Liebe an einen fremden Hund als einem armen Menschen am Wegesrand ein paar Taler in den Becher zu werfen.

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Ein zweiter Wermutstropfen ist, dass die Gemeinschaft aus schwer sozialisierbaren Außenseitern, welche die Guardians so besonders macht, dann doch noch mit Absicht nach der Ziellinie gebrochen wird. Die Patchwork-Familie muss sich kurz vor Abspann der Option auf Einzelfilme, Serienoptionen oder emotionalen Wiedervereinigungen reumütig beugen.

Fazit

Es gibt liebesbedürftige Hunde, cronenbergsche Organwelten, ein tierisches Erd-Duplikat und jede Menge cooler Zeitlupen mit eingängigen Songs im Hintergrund. GUARDIANS OF THE GALAXY VOL. 3 hält, was es verspricht, auch wenn die letzten Szenen etwas an der Unabhängigkeit der Streuner kratzen. Dennoch zweieinhalb Stunden knallbunte Unterhaltung reichen aus, berauscht darüber hinwegzusehen.

© Christoph Müller

Titel, Cast und CrewGuardians of the Galaxy Vol. 3 (2023)
Poster
ReleaseKinostart: 03.05.2023
RegisseurJames Gunn
Trailer
BesetzungChris Pratt (Peter Jason Quill / Star-Lord)
Zoe Saldana (Gamora)
Dave Bautista (Drax, der Zerstörer)
Vin Diesel (Stimme von Groot)
Bradley Cooper (Stimme von Rocket)
Karen Gillan (Nebula)
Pom Klementieff (Mantis)
Sean Gunn (Kraglin Obfonteri)
Marija Bakalowa (Cosmo the Spacedog)
Will Poulter (Adam Warlock)
Chukwudi Iwuji (High Evolutionary)
Elizabeth Debicki (Hohe Priesterin Ayesha)
Sylvester Stallone (Stakar Ogord)
DrehbuchJames Gunn
KameraHenry Braham
MusikJohn Murphy
SchnittGreg D'Auria
Fred Raskin
Filmlänge150 Minuten
FSKab 12 Jahren

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