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Gosford Park Review Blu-ray

Gosford Park (2001) – Filmkritik

„Das Rückgrat der britischen Upper Class“

Zu gern spielen Kriminalgeschichten in den Szenen der reichen Oberschicht. Kriminalautoren wie Agatha Christie oder Edgar Ellen Poe, aber auch Regie-Ikone Alfred Hitchcock (COCKTAIL FÜR EINE LEICHE) wussten, dass es in diesen Gesellschaftskreisen aus Intrigen und Affären genug Verdächtige für einen Mord gibt. Man spricht bei dieser Art von Stilmittel in der Literatur und beim Film von dem Whodunit-Konzept: Die allmähliche Aufdeckung eines Mordes und die Suche nach dem Verbrecher. GOSFORD PARK von Robert Altman nutzt dieses Stilmittel nicht nur, sondern macht sich auch über das Genre selbst lustig, spielt gekonnt mit den Erwartungen der Zuschauer und serviert alles noch von einer hochrangigen Besetzung. Die komplexe Handlung des britischen Autors Julian Fellowes wird extrem anspruchsvoll und dennoch unterhaltsam inszeniert, so dass der Film in vielen Kreisen bereits Kultstatus genießt. ARTHAUS bringt nun endlich in Deutschland eine HD-Version zu GOSFORD PARK als Blu-ray auf den Markt.

© ARTHAUS/STUDIOCANAL

Inhalt

Der britische Adel und die Oberschicht treffen sich zu einem Jagd-Wochenende auf dem Landsitz von Sir William McCordle. Es geht an diesen Tagen nicht nur um die Fasanenjagd, sondern auch darum neue wirtschaftliche Beziehungen zu knüpfen, die eine oder andere Affäre wieder aufleben zu lassen und sich dem Luxus hinzugeben. Das blaue Blut der geladenen Gäste wird durch eine Gruppe Amerikaner aus Hollywood aufgelockert, die aus einem Filmproduzenten und seinem Superstar bestehen.

Bei GOSFORD PARK steht aber nicht die Wochenendgesellschaft (Above Stairs) im Mittelpunkt, sondern deren Dienerschaft (Down Stairs).

Das Anwesen verfügt über einen großen betriebsamen Keller mit jeder Menge Personal, das vom Silberpolieren über das Kochen von mehreren Gängen bis hin zum Wäschedienst alles erledigen muss. Denn wie wir bereits in den ersten Szenen erkennen, bekommen manche Damen nicht einmal den Deckel einer Thermoskanne auf. Da jeder Besucher mit mindestens einem Diener oder einer Zofe erscheint, müssen auch diese koordiniert und untergebracht werden.

Das Leben der unselbstständigen Edelleute so angenehm wie möglich zu machen, scheint nicht stressig genug zu sein, denn – wie auch bei den Herrschaften in den Obergeschossen – gibt es jede Menge Klatsch und Tratsch auszutauschen. Jeder bringt seine eigenen kleinen Geheimnisse zu diesem Wochenende mit und dann wird auch noch jemand ermordet.

Gosford Park Review Blu-ray
William McCordle (Michael Gambon) und Louisa Stockbridge (Geraldine Somerville) // © ARTHAUS/STUDIOCANAL

Schauspielensemble Deluxe

Dieses Verbrechen geschieht tatsächlich erst in der 79. Filmminute, was beim Zuschauer aber nicht im Geringsten den Eindruck erweckt, darauf warten zu müssen. Die Einführung der Vielzahl von Charakteren ist so interessant erzählt, dass man von diesem Verbrechen, wie alle anderen dann doch noch überrascht wird. Im Prinzip ist die tragende Rolle des Films die von Mary Maceachran, gespielt von Kelly Macdonald (BOARDWALK EMPIRE, NO COUNTRY FOR OLD MEN). Sie führt uns Zuschauer als Zofe von Constance Trentham (Maggie Smith) in die Geschichte ein und da sie noch neu in diesem Beruf ist, werden ihr – wie auch uns – das komplizierte System aus Benimm und Etikette an solch einem Anwesen beigebracht.

Die „Above Stairs“ sind gut besetzt, vor allem mit Tom Hollander (NIGHTMANAGER, STOLZ & VORURTEIL) als Anthony Meredith und Kristin Scott Thomas (DER ENGLISCHE PATIENT) als Gastgeber-Ehefrau Sylvia McCordle. Wie bereits erwähnt liegt der Schwerpunkt der Geschichte auf dem Personal und das ist mit Clive Owen, Ryan Philippe, Hellen Mirren und Emily Watson ausgezeichnet besetzt.

Kristin Scott Thomas als Sylvia McCordle // © ARTHAUS/STUDIOCANAL

Ein Amerikaner und viele Briten

Die Schauspieler kommen auch durch die gelungene Inszenierung Robert Altmans, der als Amerikaner zum ersten Mal in Großbritannien drehte, authentisch daher. Die Lichtsetzung zeigt die Gänge des Anwesens in idyllischem Glanz und die Kamera von Andrew Dunn (PRECIOUS, BODYGUARD) fliegt förmlich durch die Räume. Robert Altman drehte die Szenen immer mit mindestens zwei Kameras, was den Schauspielern den Freiraum zum Improvisieren gab und auch gewollt stets einen Bediensteten in jeder Szene erscheinen lässt. Die Musik von Patrick Doyle, der zuletzt eine etwas geradlinige, aber ebenso spannende Kriminalgeschichte vertont hatte (MORD IM ORIENT EXPRESS), klingt märchenhaft, weiß aber dennoch Spannung zu erzeugen.

Die größte Leistung vollbringt der Drehbuchautor Julian Fellowes, der sich dank seines Adelstitels nicht nur in diesem gehobenen Umfeld bestens auskennt, sondern auch eine Vielzahl von interessanten Aspekten in die Handlung hineinschrieb. Der Name des Ortes und Filmtitel GOSFORD PARK wird zum Beispiel nie im Film genannt, der Inspektor schafft es nie sich mit seinem Namen vorzustellen, außerdem scheint sein Assistent der Kompetentere von beiden zu sein und die Dialoge des Adels sind stets bissig doppeldeutig zu verstehen.

Robert Altman (THE PLAYER, NASHVILLE) hat ebenfalls seine Handschrift hinterlassen. Er wollte eine häufige Nennung der Wortes „Fuck“ im Dialog, damit keine Kinder auf Grund der Altersfreigaben den Film sehen. Die Schauspieler des Adels trugen am Set stets echte Juwelen, welche sogar von einem Sicherheitsmann bewacht wurden und die Figuren der Dienerschaft bekamen keinerlei Makeup. Diese meisterlichen Handwerke der Personen hinter der Kamera lassen GOSFORD PARK nicht nur zu einem der besten Filme Altmans werden, sondern können sicherlich auch Filmfans begeistern, die sonst nicht viel mit Adelsgeschichten aus den 1930er-Jahren anfangen können. Es muss ja auch seinen Grund haben, warum J. D. und Turk aus der Comedy-Serie SCRUBS einmal im Jahr diesen Klassiker schauen.

Gosford Park Blu-ray Cover Helen Mirren
Helen Mirren als Mrs. Wilson // © ARTHAUS/STUDIOCANAL

Die Blu-ray

Gosford Park Blu-ray Cover ARTHAUS
Das Cover der Blu-ray von ARTHAUS

ARTHAUS bringt nun endlich die Blu-ray-Premiere von GOSFORD PARK nach Deutschland. Die Filme von Robert Altman werden im HD-Bereich hierzulande leider etwas stiefmütterlich behandelt. Das Bild ist ausgezeichnet, könnte jedoch für meinen Geschmack etwas körniger sein, da der Film auch im Jahre 1932 spielt. „Digital remastered“ muss nicht unbedingt auch digital aussehen. Der Ton ist sehr sauber abgemischt und man kann den schnellen, treffsicheren Dialogen gut folgen. Die deutsche Synchronisation hält den ein oder anderen bekannten Sprecher in einer Nebenrolle für eine Überraschung parat. Die Extras verfügen über die Audiokommentare des Regisseurs und Drehbuchtoren zum Film. Außerdem gibt es über eine Stunde Bonusmaterial (alle in OmU):

  • Geschnittene Szenen in SD (20:07 min)
  • Making of GOSFORD PARK (19:55 min)
  • Die Realität hinter GOSFORD PARK (08:41 min)
  • Q & A mit den Darstellern nach einer Aufführung von 2002 (25:03 min)

Fazit

Man kann für GOSFORD PARK eine direkte Kaufempfehlung geben. Es ist der perfekte Film, um sich an einem verregneten Tag in die Welt des Adels von 1932 entführen zu lassen. Selten wurden die Genres Krimi, Komödie und Drama so gut gemischt und unterhaltsam in diesem Umfeld inszeniert. Alle Liebhaber dieses britischen Ensemble-Films mit Biss können bei dem guten Preis-Leistungs-Verhältnis der Blu-ray bedenkenlos auf High Definition umstellen.

Titel, Cast und CrewGosford Park (2001)
PosterGosford Park Filmplakat
ReleaseBlu-ray (digital remastered) seit 20.09.18
Bei Amazon bestellen
RegisseurRobert Altman
Trailer
Englisch
SprecherKelly Macdonald (Mary Maceachran)
Maggie Smith (Constance Trentham)
Michael Gambon (William McCordle)
Kristen Scott Thomas (Sylvia McCordle)
Camilia Rutherford (Isobel McCordle)
Charles Dance (Raymond Stockbridge)
Geraldine Somerville (Louisea Stockbridge)
Tom Hallander (Anthony Meredith)
Bob Balaban (Morris Weissman)
Ryan Philippe (Henry Denton)
Stephen Fry (Inspector Thompson)
Clive Owen (Robert Parks)
Helen Mirren (Mrs. Wilson)
Emily Watson (Elsie)
Richard E. Grant (George)
DrehbuchJulian Fellowes
KameraAndrew Dunn
MusikPatrick Doyle
SchnittTim Squyres
Filmlänge138 Minuten
FSKab 12 Jahren

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