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God is a Bullet (2023) – Filmkritik

„Hoffnungslos”

Filme eignen sich ausgezeichnet, um unbekannte Milieus darzustellen. Drogenszenen (TRAINSPOTTING), Adrenalinjunkies (GEFÄHRLICHE BRANDUNG) oder das Polizeikollegium (COPLAND) können erlebnisnah besucht werden ohne die eigenen vier Wände verlassen zu müssen und sich in Gefahr zu begeben. GOD IS A BULLET ist mehr ein Milieufilm als ein Action-Thriller. Das ist Regisseur und Drehbuchautor Nick Cassavetes zu verdanken, der sich nie wirklich auf ein Genre festlegen wollte, wie zum Beispiel WIE EIN EINZIGER TAG (2004) oder BEIM LEBEN MEINER SCHWESTER (2009) belegen. GOD IS A BULLET basiert auf dem erfolgreichen Roman von Boston Teran, welcher auf wahren Ereignissen beruht. Mit der Info „Inspiriert von wahren Ereignissen“ geht der Film zu Beginn also kräftig in Vorkasse. Denn jetzt erwartet das Publikum informationsreiche und authentische Szenen, jedoch verstrahlt die Inszenierung eine solche Oberflächlichkeit, dass man am Ende nicht so richtig weiß, ob das jetzt ein Hinweis auf die oberflächliche amerikanische Gesellschaft ist oder nur ein Versuch ist, das schwache Drehbuch zu überdecken.

© Capelight Pictures

Handlung

Die Teenagerin Gabi (Chloe Guy) wird von einer brutalen satanistischen Sekte entführt. Die Mörder und Vergewaltiger hinterlassen ihre tote Mutter und den Ehemann. Vater Bob Hightower (Nikolaj Coster-Waldau) ist zwar Polizist, jedoch kommen die Ermittlungen nicht voran. Nach sechs Wochen erfolgloser Suche, bekommt er von der drogensüchtigen Case Hardin (Maika Monroe) einen Hinweis. Ihr ist es vor Jahren gelungen, den Kult um Cyrus (Karl Glusman) zu verlassen. Sie ist sich sicher, dass die Entführung von seiner satanistische Gruppe ausgeführt wurde. Der bibelfeste Bob und die traumatisierte Case ziehen zusammen los, um Gabi zu finden und aus ihrer Entführerhölle zu befreien, wenn sie überhaupt noch lebt.

© Capelight Pictures

Weltenkonflikt

GOD IS A BULLET bedient sich nicht gerade vieler feiner Nuancen. Die Beziehung von Vater zur Tochter wird auf ein Telefonat begrenzt, die Hauptfiguren durch Beschreibungen in Dialogen definiert und die amerikanische Plastikwelt in New Mexiko ist die Bühne für den Schrecken. Die Gruppe der Satanisten fällt zu Beginn in dieser christlichen Welt auf wie ein Fuchs im Hühnerstall. Dreckige Autos, tätowierte Gesichter und schräges Verhalten, dennoch scheinen sie niemanden in der sicherheitsbedürftigen Oberklasse zu beunruhigen und können unbemerkt verschwinden. Die klischeehafte Welt steht im starken Gegensatz zu den versprochenen realen Ereignissen.

© Capelight Pictures

Schauspielerin Maika Monroe soll mit ihrer Rolle unser Zugang zur obskuren Welt der Antichristen sein. Hier macht es sich der Film sehr leicht: Tattoos, Drogen, Waffen und traumatische Flashbacks. Dieser Gegensatz der zwei Welten, heile Welt der reichen Amerikaner versus vernichtende Hexenmeister klingt auf dem Blatt Papier sicherlich interessant, wird aber durch die schludrige Schauspielführung und teilweise unlogischen Momente untergraben. Bob lässt sich in wenigen Stunden den ganzen Oberkörper tätowieren, Schusswaffen zu kaufen ist anscheinend kein Problem und die gesetzlose Welt in Mexiko wirkt wie ein Niemandsland aus dem Studio. Eine geografische Orientierungshilfe gibt es fürs Publikum nicht und auch die Zeitsprünge werden nie visuell markiert. GOD IS A BULLET fährt geradeaus auf sein blutiges Finale zu und das auf einem äußerst flachen dramaturgischen Spannungsbogen.

© Capelight Pictures

Selbstjustiz und Magie

Ein Vater, der seine entführte Tochter retten will und alles dafür tut, ist nicht gerade ein neuer Plot, doch es reicht für einen spannenden Anfang. Interessant wird es dann erst mit der Veränderung, die der Protagonist durchmachen muss. Die Katharsis, seine festen moralischen Werte, die er hinter sich lässt, um ein unschuldiges Leben zu retten. Paul Schrader schrieb und inszenierte das packende Drama HARDCORE (1979), in dem ein Vater auf der Suche nach seiner Tochter ist, die im dunklen Pornobusiness der Snuff-Filme „verloren“ geht. Lebt sie noch oder ist sie schon eine ganz andere? Solche Fragen stellt GOD IS A BULLET kaum, Cassavetes zeigt lieber den seelischen Kampf von Case Hardin zwischen Selbstzerstörung, Rache und Menschlichkeit. Dieser innere Konflikt ist auch das, was nachhallen wird.

© Capelight Pictures
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Die Brutalität, die obskure Faszination für Kulte und die religiöse Zerstreuung des Vaters sind nur noch Last für das eigentlich packende Drama von Case. Das kann natürlich auch an den eigenen Wünschen liegen, Folter, Qual und Missbrauch nicht realitätsnah sehen zu wollen, aber der Film macht es einem in der Hinsicht leicht, für die Figuren kaum Interesse aufzubringen. Regisseur Cassavetes ist auch Literaturprofessor in New York und spätestens mit diesem Hintergrundwissen sind die Dialoge, Nebenfiguren und -handlungsstränge erschreckend unwichtig. Das fällt besonders durch die schwache Darstellerleistung, abgesehen von Jamie Foxx, in diesen Bereichen auf. Der überdrehte Errol Grey (Jonathan Tucker) quietscht sich durch den halben Film und die Satan-Gang scheint einen unermesslichen Fundus an stilsicherer Bekleidung dabei zu haben. Das Selbstjustiz-Duo versucht auf der Reise ihre religiösen Abziehbilder zu hinterfragen, doch es ist keinerlei Diskurs zu erkennen, es ist reines Abspielen von Phrasen.

© Capelight Pictures

Fazit

Das Versprechen auf blutigen True Crime und seelische Achterbahnfahrt wird nie erfüllt. Die Dialoge sind bedeutungsschwaches Geplapper, die Effekte digitaler Ramsch und die angepriesenen Satanisten stehen gut ausgeleuchtet wie Schaufensterpuppen in der amerikanischen Einöde. Das Einzige, was in Erinnerung bleibt, ist das Talent von Maika Monroe und die Erkenntnis, dass Amerika nur eine Religion eint, und das ist die der Handfeuerwaffen.

© Christoph Müller

Titel, Cast und CrewGod Is a Bullet (2023)
Poster
Releaseseit dem 16.11.2023 im Mediabook (UHD + Blu-ray) und einzeln auf Blu-ray und DVD erhältlich.

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RegieNick Cassavetes
Trailer
BesetzungNikolaj Coster-Waldau (Bob Hightower)
Maika Monroe (Case Hardin)
Karl Glusman (Cyrus)
Jamie Foxx (Der Fährmann)
January Jones (Maureen Bacon)
David Thornton (Arthur Naci)
Paul Johansson (John Lee)
Jonathan Tucker (Errol Grey)
Ethan Suplee (Gutter)
Garrett Wareing (Wood)
Chloe Guy (Gabi)
DrehbuchNick Cassavetes
Vorlagenach dem gleichnamigen Roman von Boston Teran
KameraKenji Katori
MusikAaron Zigman
SchnittBella Erikson
Filmlänge156 Minuten
FSKab 18 Jahren

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