„Sie sind unter uns“
M. Night Shyamalan hat es tatsächlich geschafft, seine durch berüchtigte Werke wie THE LAST AIRBENDER oder THE HAPPENING gelittene Reputation wieder herzustellen. Wurde sein Name 2013 in der AFTER-EARTH-Werbekampagne noch bewusst verschwiegen, so ziert er nun, 2018 recht deutlich die Werbeplakate zu seinem neuesten Film GLASS, den Abschluss der dann im Nachhinein so betitelten „Eastrail 177 Universe“-Trilogie.
In Comics ist die Welt denkbar simpel. Es gibt klar definiertes Gut und Böse, Schwarz und Weiß, Licht und Schatten. Diese Polarität bildet das Leitmotiv von GLASS. In ausnahmslos jeder Szene kontrastieren Neonlicht und Schatten, die Figuren spiegeln sich fast pausenlos in Computerbildschirmen, Pfützen oder dem titelgebenden Spiegelglas. Syamalans Aussage: Vielleicht ist das mit der Gut-/Böse-Aufteilung am Ende des Tages doch gar nicht so einfach. Aber der Reihe nach.
Handlung
Seit 19 Jahren durchstreift David Dunn (Bruce Willis) die Straßen Philadelphias, um des nächtens den Straßenräubern und Gewaltverbrechern das Handwerk zu legen. Seine Gabe: Übermenschliche Stärke und die Fähigkeit, die Abgründe eines jeden Menschen bei Berührung zu sehen. Doch 19 Jahre gehen nicht spurlos an einem vorbei. Dunn ist alt geworden, es fehlt schlicht eine größere Motivation, seitdem er damals, 1999, Elijah Price (Samuel L. Jackson) besiegte – zu sehen in UNBREAKABLE. Ein neuer Superschurke müsste her. Zeitgleich treibt Kevin (James McAvoy) als schizophrener Psychopath weiterhin sein Unwesen. Immer häufiger bricht seine gefährlichste Persönlichkeit, das „Beast“, aus ihm heraus. Irgendwann treffen Dunn und Kevin schließlich aufeinander. Und werden von einer Sondereinheit überwältigt und in eine mysteriöse Anstalt unter der Aufsicht von Dr. Ellie Staple (Sarah Paulson) eingesperrt. Man scheint auf sie gewartet zu haben. Staple hat sich auf Menschen spezialisiert, die von sich behaupten, Superhelden zu sein. Einen dritten Patienten hat sie auch noch. Elijah Price, den im wahrsten Sinne des Wortes zerbrechlichen „Mr. Glass“.
Stil vor Action
Soweit zum Set Up. Über den Rest wollen wir schweigen, schließlich ist das hier ein Shyamalan Film und die ein oder andere Wendung findet sich auch in GLASS. Einen alles verändernden Twist wie in seinem Debütwerk THE SIXTH SENSE sollte man aber nicht erwarten, GLASS ist für den Großteil seiner Laufzeit sogar fast subtil. Viel Zeit nimmt der Regisseur sich, um Willis, Jackson und McAvoy in ihren Zellen zu zeigen, sie in den Dreier-Therapie-Sitzungen neu anzuordnen, den Kampf mit ihren Fähigkeiten zu thematisieren. Dabei gehört die Hauptbühne zweifelsohne James McAvoy und seinen 24 Persönlichkeiten, die der Gute stets an der Grenze zum Overacting angelegt hat. Das mag man, oder man mag es nicht. Wer also damit in SPLIT keine Probleme hatte, wird sich auch hier schnell heimisch fühlen.
Jackson schwebt für einen Großteil der Handlung schweigend und bedrohlich im Hintergrund, auf mysteriöse Weise schafft er es immer wieder nachts aus seiner Zelle auszubrechen und stoisch die Gänge der Anstalt abzufahren. Ein wenig verschenkt ist Willis als „The Overseeer“, muss er sich er doch damit begnügen den „Guten“ zu spielen. Seine Figurenentwicklung ist in UNBREAKABLE komplett vollzogen worden, er tut nunmal Gutes, auch wenn Shyamalan probiert, ihm eine gewisse Ambivalenz und Kollateralschäden während seiner Einsätze anzuhängen. Je nachdem wie man nun also zu McAvoys Figur steht, sollte man sich eventuell auf eine Menge Leerlauf in der Filmmitte gefasst machen, denn die widmet sich stark dem traumatisierten Kevin Crump. Es braucht dann eine Weile, bis der Film in seinen tatsächlichen Erzählfluss findet und all die sich spiegelnden Charaktere anfangen einem Zweck zu dienen. Das Finale, so viel sei schon verraten, ist dabei angenehm antiklimatisch, was sicher auch als Kommentar auf die sich stetig weiter übertrumpfenden Marvel- und DC-Superhelden gesehen werden kann.
Um auf diesen Zug aufzusteigen, entschied man sich wohl auch, im Trailer ein Actionfeuerwerk zu suggerieren. Das bietet GLASS gewiss nicht. Und wenn es handgreiflich wird, sind die Szenen häufig so dunkel, dass man wenig erkennen kann. Ein Weg, den Film mit einem PG 13 in die Kinos zu bringen? Wenn mal nicht alle Lichter ausgeknipst sind, ist GLASS allerdings ziemlich hübsch anzuschauen, vorausgesetzt man steht auf diesen neonblauen Stil, der auch in UNBREAKABLE schon genutzt wurde. Mike Gioulakis erschafft Bilder, die sich ins Hirn einbrennen, wie zum Beispiel den zum Overkill stilisierten Comicladen. Auffällig ist ebenfalls der häufige Einsatz der subjektiven Kamera. In GLASS beobachtet eigentlich ständig irgendjemand irgendwen, sei es über Kameras oder verstohlene Blicke und eigentlich beobachten wir als Zuschauer ja auch nur etwas, dass wir eigentlich nicht sehen sollten.
Fazit
GLASS startet am 17. Januar in den deutschen Kinos. Wer sowieso schon Fan von UNBREAKABLE und SPLIT war, braucht wohl keine Empfehlung mehr, er wird diesen Film schauen, egal wie er vorher rezensiert wurde. Man hat hier einen polarisierenden Film vor sich, der nicht ganz Superheldenfilm und nicht ganz Mysterythriller ist, der den Sehfluss immer wieder durch Belanglosigkeiten ausbremst und mit seinem Ende etwas poetischer und epischer sein möchte, als das Drehbuch es zulässt. Es ist aber auch ein angenehmer Ruhepool im nervig-lärmenden Blockbuster Kino, ohne unpassenden Humor und voll echtem Pathos. Ein Kultpublikum wird sich auch hierum finden, wie es bei M. Night ja Usus ist.
Titel, Cast und Crew | Glass (2019) |
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Poster | |
Release | Kinostart 17.01.2019 ab dem 23.05.19 auf Blu-ray/UHD bei Amazon bestellen |
Regisseur | M. Night Shyamalan |
Trailer | |
Besetzung | Samuel L. Jackson (Elijah Price / Mr. Glass) Bruce Willis (David Dunn) James McAvoy (Kevin Wendell Crumb / The Beast / Patricia / Dennis / Hedwig / Barry / Jade / Orwell / Heinrich / Norma) Anya Taylor-Joy (Casey Cooke) Sarah Paulson (Dr. Ellie Staple) Luke Kirby (Pierce) Spencer Treat Clark (Joseph Dunn) |
Drehbuch | M. Night Shyamalan |
Kamera | Mike Gioulakis |
Musik | West Dylan Thordson |
Schnitt | Luke Ciarrocchi Blu Murray |
Filmlänge | 129 Minuten |
FSK | ab 16 Jahren |