„The oldest and strongest emotion of mankind is fear.“ (H.P. Lovecraft)
Da fängt man einmal eine Challenge an und schon bekommt man in der Redaktion die Horrorfilme auf den Tisch. Dann ist es auch noch GHOSTLAND von Pascal Laugier. Dieser hat 2008 mit MARTYRS ein Film abgeliefert, bei dem selbst hartgesottene Horrorfans bleich wurden. Man kann sich also vorstellen, dass ich vor dem Mediabook, das Capelight am 10.08.18 auf den Markt gebracht hat, gebührend Respekt habe. Ohne Vorwissen und dem Rat des Booklets folgend, habe ich mich in den Film gestürzt und dem Schrecken ins Auge gesehen.
Inhalt
Beth (Crystal Reed) und Vera (Anastasia Phillips) sind mit ihrer Mutter auf dem Weg in ein neues Zuhause. Durch eine Erbschaft übernimmt die kleine Familie ein Haus auf dem Land. Es sind noch nicht einmal alle Kisten in der neuen Heimat ausgepackt, da ereilt dem Trio bereits das Unglück. Einbrecher überfallen brutal das Haus und nur mit Not kann Mutter Pauline (Mylène Farmer) sich und ihre Töchter retten. Das Erlebte in dieser Nacht lässt die Familie daraufhin nicht mehr los und selbst 16 Jahre nach der Tat wacht Beth aus Alpträumen auf. Die Angst kanalisiert die junge Frau in Horrorbüchern und erzielt auch damit großen Erfolg bei den Lesern. Nicht so rosig sieht es bei ihrer Schwester Vera aus. Diese leidet seit dem Überfall unter Paranoia und Wahnvorstellungen. Nach einem verstörenden Anruf von Vera kehrt Beth zu dem Haus ihrer Familie zurück. Dort angekommen, taucht sie ungewollt wieder in die Erinnerungen der verhängnisvollen Terrornacht.
Es wird sich von Allem bedient
Es fällt generell schwer über Filme mit einem Mysterium zu sprechen, ohne dieses zu verraten. Das Horror-Genre ist hierbei besonders kniffelig. Auch GHOSTLAND möchte ich daher nicht spoilern, da sonst viel vom Charm des Films verloren geht. Wer sich mit den Werken von Pascal Laugier beschäftigt hat, weiß jedoch schon, dass hier weniger übernatürlicher, sondern vielmehr menschgemachter Horror stattfindet. Ungewöhnlich für das Genre sind die weiblichen Hauptdarstellerinnen Beth und Vera, da diese nicht nur Opfer ihrer Peiniger sind. Besonders Beth sieht sich immer wieder ihrer persönlichen Reue gegenüber, ihre Schwester im Stich gelassen zu haben. Viel Zeit, um wirklich komplexe Figuren zu bilden, nimmt sich der Regisseur nicht, dafür wird der Rahmen der Geschichte zügig vorangetrieben, denn so bleibt mehr Zeit für das von Laugier geprägte Terrorkino. Leider kann in GHOSTLAND der Schrecken nicht so richtig überzeugen. Dies liegt vor allem an der Fülle an Klischees, die hier bedient werden. Allein in den ersten 15 min bekommt man die üblichen Stationen eines jeden Horrorfilms serviert: Die einsame Fahrt der Charaktere auf der Landstraße wird unterbrochen von einem Raser, selbiger taucht auch kurz in der provisorischen Tankstelle auf, in der man gleich über grauenhafte Morde in der Gegend erfährt. Höhepunkt ist dann nur noch das Gruselhaus, in das die junge Familie einzieht, vollgestopft mit Puppen als wäre es demnächst eine Jahrmarkt-Attraktion.
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©CAPELIGHT
Ghostland spielt mit den Erwartungen
GHOSTLAND verspielt sich frühzeitig seine Atmosphäre, denn die üblichen Jumpscares sind hierbei schon fast nicht mehr erwähnenswert. Wenn die Musik aussetzt, nur um im nächsten Moment laut zu werden, ist das kein Grusel, sondern Reflex. Dabei ist die Idee von GHOSTLAND gar nicht schlecht. Es wird inhaltlich immer mit der Erwartung des Zuschauers gespielt, wohin es als nächstes geht ist unvorhersehbar, wirklich schocken kann dann aber nichts. Völlig unnötig sind darüber hinaus die H. P. Lovecraft-Anspielungen. Diese sind so lose auf die Figur von Beth aufgesetzt und tragen nichts zur Handlung oder zum Mysterium bei. Generell ist GHOSTLAND zusammengewürfelt aus Versatzstücken und Ideen, davon passen nur leider kaum welche ineinander. Das ist besonders schade, da das Makeup und die Filmsets wirklich hochwertig sind. Auch den jungen Schauspielerinnen Emilia Jones und Tylor Hickson kann man kaum etwas vorwerfen, sie machen ihre Arbeit überzeugend, aber trotzdem leidet man nicht wirklich mit ihnen mit, denn GHOSTLAND ist einfach zu überladen. Ein paar weniger Motive hätten dem Film gut getan und dem Zuschauer Raum gelassen, sich wirklich auf den Terror einzulassen.
Das Mediabook
Capelight hat für GHOSTLAND eine hochwertige, limitierte Mediabook-Version mit passendem Hardcover herausgebracht. Auf der Blu-ray bzw. DVD sind neben dem umfangreichen Making-Of von 73 Minuten zusätzlich Interviews mit Chrystal Reed, Emilia Jones und Pascal Laugier. Highlight im Paket ist das integrierte 22-seitige Booklet von Prof. Dr. Marcus Stiglegger mit einer ausführlichen Analyse über Pascal Laugiers Schaffen und Motive plus einem Interview zwischen dem „Deadline“ Redakteur Leonhard Elias Lemke und dem Regisseur, welches interessantes Hintergrundwissen bietet. Dazwischen gibt es bestechende Illustrationen und Framebilder aus dem Film. Wie es sich gehört, kommt die Blu-ray in einer schönen Auflösung von 1080p und hervorragendem 5.1 Sound. Die DVD ist ebenfalls in einwandfreier Qualität. In Umfang und Verarbeitung hat Capelight ein solides Produkt geschaffen.
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©CAPELIGHT
Fazit
Mit „einer zerstörten Seele“ wie in MARTYRS, lässt das neue Werk von Pascal Laugier den Zuschauer nicht zurück, vielmehr leidet GHOSTLAND unter seiner eigenen Last. Der Druck durch den Erfolg von MARTYRS war zu groß. GHOSTLAND ist ein durchaus solider Horrorfilm, der aber durch die Erwartungen des Zuschauers und Ambitionen des Regisseurs geschmälert wird. Für einen Abend wird dennoch gute Unterhaltung geboten und das Mediabook ist besonders für Laugier-Fans durch sein Bonusmaterial interessant.
Fragt sich, ob DIE NACKTE KANONE noch eine Chance auf einen Oscar hat / kann Käsekuchen nicht widerstehen / sollte ohne Korrekturlesen nichtmal ’ne SMS schreiben.
Also ich fand den sehr gut, für mich Laugiers bester Film, da er straight on auf Horror-Unterhaltung aus ist, und einem das Vergnügen nicht mit irgendeinem ideologischen Unterbau vermiest. Die Sache mit Lovecraft ist natürlich diskutabel, aber mir hat’s den Film nicht versaut. Ich empfand auch die Klischees, die er aufgefahren hat, eher als anheimelnd altmodisch. Der Terror-Handlung, wie immer reich an Wendungen, hat sie mir gut den Weg bereitet. Die Geschmäcker sind eben verschieden, es kommt aber auch nicht oft vor, dass ich mich im Tenor den Lobpreisungen eines aktuellen Horrorfilms anschließe (vielleicht alle 5 Jahre mal).
Die Anspielung mit Lovecraft empfinde ich gar nicht als unnötig, ganz im Gegenteil es spielt in Beths Psyche und soll darstellen wie sie sich zu entscheiden hat. Weder ihr Perfektes Traumleben (wo eben Lovecraft eine Rolle spielt) oder zurück in die harte Realität. Es sind die kleinen Details über die Charaktere und ihrer Psyche was es dann spannend macht.