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Frozen Planet II – Serienreview

„Dünnes Eis“

Heute ist der 11. Oktober 2023 und sind 23 Grad Celsius Außentemperatur bei mildem Westwind. Oktober! Jeder der meint, das Klima würde sich nicht menschengemacht verändern, kann woanders hinklicken, denn ohne diesen vielfach untermauerten wissenschaftlichen Fakt, macht es keinen Sinn mit auf die Reise zum FROZEN PLANET zu gehen. Vor 12 Jahren ist die Produktion des BBC mit FROZEN PLANET bereits zum ersten Mal in diesen für Menschen lebensfeindlichen Teil der Erde gereist, um sie uns – mit Dach über dem Kopf und wärmender Heizung – näher zu bringen. Und dieser frostige Erdteil ist riesig. Allein zwei Drittel des weltweiten Süßwassers ist um den Nordpol und den Südpol gespeichert. Aber zu den eisigen Regionen gehören noch viel mehr die Erdpole, auf die die Sonnenstrahlen am schwächsten auftreffen und die Sonnenstunden am geringsten sind. In den Hochgebirgszügen sind ebenfalls enorme Mengen an Eis gespeichert und die Temperaturen sind lebensbedrohlich. Doch selbst hier findet die Natur Mittel und Wege zu überleben. Jedoch, in keiner dieser frostigen Regionen gelingt es ihr sich schnell genug an die Klimaerwärmung anzupassen. FROZEN PLANET II zeigt in ernüchternd brutalen Bildern und Zusammenhängen, dass gerade diese Lebensräume am fragilsten sind.

© Florian Ledoux / BBC Studios

Warum eine zweite Staffel?

Unter der Regie von James Reed, Jane Atkins, Orla Doherty, Alex Lanchester und Rachel Scott wurde eine zweite Staffel aus vielerlei Gründen auf den Weg gebracht. Bereits 2010 musste das Filmteam erkennen, dass sieben Folgen niemals ausreichen werden, alle Tiere, Umgebungen und Verhaltensweisen aufzunehmen und zu erklären. Die 2020er Jahre haben aber noch zwei weitere Gründe geliefert, um weitere sechs Folgen mit jeweils 50 Minuten zu produzieren. Zum einen hat sich die Aufnahmetechnik in den letzten Jahren rasant weiterentwickelt. Vor allem dank schneller, leistungsstarker und kostengünstiger Drohnentechnik ist die Perspektive von oben beeindruckend. In den eisigen Winden muss sich ein solches Fluggerät behaupten können und bei Verlust die Produktionskosten nicht in die Höhe treiben. Außerdem kann sich mit Drohnen den Tieren viel besser genähert werden und die Einblicke sind unvergesslich. Ein weiterer Grund ist, dass die Eiswelt in unerwartet hohem Tempo vernichtet wird. Die arktischen Meere sind möglicherweise bereits im Sommer der 2030er Jahre eisfrei[1]. Wie lange ist die Natur in diesem Zustand überhaupt noch dokumentierbar?

© BBC Studios

Man beginnt die Reise zum FROZEN PLANET II also mit gemischten Gefühlen. Wird es eher eine archivarische Aufgabe sein, weil es die Natur in dieser Form bereits in zehn Jahren nicht mehr geben wird? Oder ist es ein weiterer Weckruf, um jedes Kilogramm CO2 zu vermeiden, so dass es nicht in die Atmosphäre gelangt? Wenn man aber dann die ersten Folgen sieht, weichen diese Fragestellungen für unfassbares Staunen, was es Wundervolles wie auch Grausames auf diesem Planeten zu sehen gibt. Jedoch wird uns Menschen die Verantwortung nicht entzogen, wie besonders die letzte Folge klar macht.

© Justin Hofman / BBC Studios

Filterfrei und direkt

In Regionen, in denen es kaum Flora und Fauna gibt, gibt es bekanntlich wenige Pflanzenfresser. In diesem Fall sind die Pflanzenfresser eher die Meeresbewohner, die sich von Plankton ernähren. Doch es gibt eben auch Tiere, die Fleischfresser sind und sich von Arten ernähren, denen sie überlegen sind. Für sie selbst und ihre Nachkommenschaft, ist das Töten anderer Lebewesen überlebenswichtig. In FROZEN PLANET II wird diese Art zu Überleben schonungslos dargestellt. Wenn eine Eisbärenfamilie oder ein Orca-Rudel überleben will, müssen sie jagen. Ein sensibles Publikum können solche Szenen emotional erschüttern, aber die Auswirkungen der Klimaerwärmung sind noch viel brutaler und grausamer als der Überlebenswille bestimmter Tierarten, die in einem perfekt eingespielten System funktionieren. Deswegen sei hiermit eine Warnung an sehr sensible Zuschauerinnen und Zuschauer ausgesprochen: Die Bilder sind schockierend, das Töten, um zu überleben, wie auch die Zukunftsaussichten im Zuge der Klimaerwärmung.

Wissenslücken

Auch wenn manch leidvolle Bilder uns teilweise über Tage nicht loslassen, ist ein Besuch auf dem FROZEN PLANET II wichtig. Tiere in solchen Regionen sind auf solch beeindruckende Weise an ihren Lebensraum angepasst, dass man nur noch staunen kann. Zum Beispiel die Orca-Wale, welche sich spätestens nach dieser Serie zu den effizientesten Jägern auf diesem Planeten zählen dürfen. Die Gruppen, welche von einem bis zu 100 Jahre alten Weibchen angeführt werden, haben besondere Jagdtechniken perfektioniert. Zum Beispiel das synchrone Durchtauchen einer Eisscholle, die durch die resonanten Flossenbewegungen entweder die darauf ruhende Robbe ins Wasser spült oder sogar die Eisschicht zum Zerbrechen bringt; Eisbären, die aufgrund der mangelnden Eisdecke tagelang das arktische Meer durschwimmen, um sich auf einer felsigen Insel einen gefährlichen Kampf mit Walrössern zu liefern; Oder die Steinadler, die in den Alpen junge Berggämsen mit ihren Krallen greifen und in Felsschluchten stoßen, damit sie ihren Nachwuchs mit Fleisch versorgen können.

© BBC Studios
Die Serie auf Blu-ray und DVD

Neben farbenprächtigen und sensationellen Tierszenen sind die eisigen Landschaften wahre Kunstwerke. Texturen, Prismen und Farbpaletten treten zu Tage, sodass die Bilder unweigerlich zu Fernweh führen. Man will den Alltag verlassen und diesen Planeten entdecken, von dem man meint ihn zu kennen. Dem Filmteam gelingt es immer wieder bewundernswerte Aufnahmen einzufangen. Mit einer Speed-Drohne werden Kraft und Geschwindigkeit einer Lawine eingefangen. In der trockenen Wüste auf Antarktika sind Granitblöcke zu sehen, die vom Wind über Jahrhunderte zu bizarren Skulpturen geschliffen wurden. Oder auf dem Grund eines antarktischen Sees zeigen sich Cyanobakterien, die bei Tiefsttemperaturen Sauerstoff produzieren und Hinweise auf Überleben außerhalb unseres Planeten geben. Wildkameras mit Bewegungsmeldern zeichnen die Wege der sibirischen Tiger auf und eingegrabene Kameras blicken in Gänge von Lemmingen oder dokumentieren mit Hilfe von Zeitrafferaufnahmen das Auftauen von Wasserschildkröten.

© Ryan Atkinson / BBC Studios

Fazit

FROZEN PLANET II muss man jedem Erdbewohner zur Verfügung stellen. Denn, das zeigt besonders die letzte Folge, nicht jeder kann in den Weltraum fliegen, um die Zerbrechlichkeit der Ökosysteme zu erkennen. Und nur wenige sind seit Jahrzehnten an diesen Orten und bezeugen die rasante Vernichtung. Unseren Planeten muss man in vollem Umfang wahrnehmen. Das Einzige, was gegen die schleichende Depression beim passiven Betrachten von FROZEN PLANET II hilft, ist aktiv etwas dagegen zu tun.

© Christoph Müller

Quelle:

[1] “Observationally-constrained projections of an ice-free Arctic even under a low emission scenario” Yeon-Hee Kim, Seung-Ki Min, Nathan P. Gillett, Dirk Notz & Elizaveta Malinina https://www.nature.com/articles/s41467-023-38511-8

 

Titel, Cast und CrewFrozen Planet II (2023)
Poster
RegisseurJames Reed
Jane Atkins
Orla Doherty
Alex Lanchester
Rachel Scott
Releaseab dem 29.09.2023 auf Blu-ray und DVD erhältlich.

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Trailer
BestzungDavid Attenborough als Erzähler (Englisch)
Michael Schulte als Sprecher (Deutsch)
KameraJoris van Alphen
MusikHans Zimmer
Adam Lukas
James Everingham
SchnittNigel Buck
Danny McGuire
Matt Meech
David Warner
Filmlänge6 Folgen à 50 min
FSKInfoprogramm

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