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From a Whisper to a Scream (1987) – Filmkritik

Vincent Price

Was gibt es noch über einen Weltstar wie Vincent Price (Vincent Leonard Price Jr. 1911 – 1993) zu schreiben, was nicht schon in Dutzenden Artikeln und Büchern mehrfach geschrieben wurde? Was auch immer, es können höchstens Wiederholungen von allzu bekannten Fakten sein. Darum will ich mich kurzfassen: Für die meisten ist Price einer der ganz großen Horror-Stars, für ewig verbunden mit den Namen Roger Corman und Edgar Allan Poe. Doch nur wenige kennen seine faszinierenden Frühwerke abseits jeglichen Horrors, in denen er schon damals sein Können einem kleinen Publikum präsentieren durfte. Neben einigen hervorragenden Nebenrollen stechen vor allem die beiden Filme LAURA (1944) und WEISSER OLEANDER (DRAGONWYCK, 1946) hervor, in denen er jeweils die Hauptrolle bekam. Doch erst im Jahre 1953 gelang ihm der Durchbruch, wie sollte es anders sein, mit einem Horrorfilm. Mit dem 3-D-Spektakel DAS KABINETT DES PROFESSOR BONDI (HOUSE OF WAX), das ein Remake des legendären Klassikers DAS GEHEIMNIS DES WACHSFIGURENKABINETTS (MYSTERY OF THE WAX MUSEUM, 1933) ist. Von nun an startete Price so richtig durch. Doch es gab noch einiges mehr, was ihn neben seiner Tätigkeit als Schauspieler am Leben interessierte. Ganz besonders sei seine große Liebe zur Kunst zu erwähnen. Ebenso das Theater, die Musik und das Kochen faszinierten ihn fortwährend. All das inspirierte Price unter anderem als Autor tätig zu werden, er verfasste mehrere Koch- und Kunstbücher. Neben seiner Arbeit beim Film leitete er zudem eine eigene Galerie und war nicht nur ein bekannter Kunstsammler, sondern auch noch als Sachverständiger unterwegs. Seine letzte Filmrolle hatte Price in Tim Burtons EDWARD MIT DEN SCHERENHÄNDEN (EDWARD SCISSORHANDS, 1990). Price erkrankte an Parkinson und starb im Jahre 1993 an Lungenkrebs. Sein Leichnam wurde verbrannt und vor der kalifornischen Küste verstreut. Was bleibt, ist die Erinnerung an einen charismatischen Schauspieler und viele großartige Filme, die er mit seiner unvergleichlichen Art für immer veredelte. Für alle, die noch mehr über Vincent Price und seine Werke erfahren wollen, dem sei Robert Zions Buch „Die Kontinuität des Bösen: Vincent Price in seinen Filmen“ empfohlen.

© Turbine Medien

Handlung

Die Journalistin Beth Chandler (Susan Tyrell) nimmt an der Hinrichtung der Serienmörderin Katherine White (Martine Beswick) teil. Kurz darauf fährt sie in die kleine Stadt Oldfield in Tennessee und besucht den Historiker Julian White (Vincent Price). Unumwunden berichtet Beth von der Hinrichtung der Nichte Julians, was dieser zum Anlass nimmt, der Reporterin davon zu erzählen, dass Oldfield das Epizentrum des absoluten Bösen ist. Anhand von vier Geschichten versucht Julian, Beth davon zu überzeugen, dass dieser mysteriöse Ort seine Bewohner vergiftet und sie zwingt, Böses zu tun, so wie es mit Katherine geschah.

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Welcome to Oldfield

Den Kern von FROM A WHISPER TO A SCREAM bilden vier Schauergeschichten, die aus einer Mischung aus verschmähter Liebe, Einsamkeit, Wahnsinn, Nekrophilie, tödlicher Gier, Unsterblichkeit und Kannibalismus bestehen. Sie verstecken sich hinter einem inzestuösen Geschwisterpaar, einem Lovecraftschen Zirkus, der sehr an Tod Brownings berüchtigten FREAKS (1932) erinnert, hinter Voodoo-Zauber und dem amerikanischen Bürgerkrieg. Der rote Faden, der all das verbindet, ist eben jene kleine Ortschaft Oldfield, in dem diese unheimlichen Geschichten in unterschiedlichen Zeitebenen spielen. Das Finale dieser Storys ist von einer erschreckenden und äußerst zielstrebigen Brutalität gekennzeichnet, die durchaus überrascht, wenn man sie mit Werken dieser Epoche vergleicht. Vor allem im Vergleich zu DIE UNHEIMLICH VERRÜCKTE GEISTERSTUNDE (CREEPSHOW, 1982), die mehr auf jugendliche Zuschauer ausgerichtet war, sowie seiner Fortsetzung CREEPSHOW 2 – KLEINE HORRORGESCHICHTEN (CREEPSHOW 2, 1987). Jeff Burrs Storys werden nicht mit einem Augenzwinkern präsentiert, so wie es Romero und King ausführten. Gerade die Auflösungen sind um einiges härter als bei seinen Konkurrenten und erschaffen für den jeweiligen Protagonisten ein ungewöhnliches und vor allem sehr schmerzhaftes Ende. Das ist mit ein Grund, warum diese Anthologie aus dem gewohnten Rahmen fällt.

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Auch wenn uns das Ende nicht darüber aufklärt, ob nun wirklich das absolut Böse in Oldfield beheimatet ist oder alles nur auf Zufall und Einbildung basiert, haben die einzelnen Segmente ihren ganz speziellen Reiz. Wenn wir uns jetzt noch vor Augen führen, dass Jeff Burr zum einen hier seinen ersten echten Film als Regisseur drehte und zum anderen über ein bescheidenes Budget verfügte, überrascht die Qualität des fertigen Films umso mehr. Wir haben einen Independent-Film, der aussieht wie eine große, finanzstarke Hollywood-Produktion. Großartige und vor allem großzügige Sets begleiten jedes Segment, besonders die Zirkus-Folge sticht hierbei ins Auge. Dazu kommen zahlreiche bekannte Filmgrößen, die sich sichtlich wohlfühlten und eine fantastische Performance an den Tag legen. All das zusammen verpackt in spannende, unheimliche Geschichten überzeugt und erstaunt den Rezipienten bis heute. Auch wenn die Kritiken bei seiner Aufführung durchwachsen waren und der Erfolg an den Kinokassen bescheiden, was zum großen Teil an der schlechten Vermarktung lag, hat sich FROM A WHISPER TO A SCREAM seinen Platz im Genre erobert.

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Seinen eigentlichen Ruhm erlangte Burrs Horrordebüt mit der Veröffentlichung für das Heimkino, ein Schicksal, dass er mit vielen Produktionen jener Zeit teilte. Das einzig Negative dürfte in meinen Augen sein, dass es nur drei kleine Geschichten zu entdecken gibt, die jedoch das Format für einen eigenen Spielfilm haben. Die ein oder andere Folge mehr hätte dieser ungewöhnlichen Anthologie gut zu Gesicht gestanden. Zuvor drehte der junge Regisseur Burr lediglich den Kurzfilm DIVIDED WE FALL (1982), der allerdings aufgrund seiner Qualität schon für Aufsehen sorgte. Nach seinem Herzensprojekt kehrte er immer wieder zum Horrorgenre zurück und war unter anderem bei LEATHERFACE: TEXAS CHAINSAW MASSACRE III (1990), PUMPKINHEAD 2 (PUMPKINHEAD II: BLOOD WINGS, 1993) oder DER PAKT MIT DEM DÄMON (NIGHT OF THE SCARECROW, 1995) beteiligt. Sein bisher letztes gelistetes Projekt hört auf den Titel ETOWAH RIDGE (2018), ein weiterer Horrorfilm, der laut IMDb noch in der pre-production steckt.

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Bekannte Gesichter

Um Vincent Price für seinen Film zu gewinnen, soll Jeff Burr, mit einer Flasche Wein bewaffnet, persönlich bei Price vorgesprochen haben, um ihn davon zu überzeugen, sich seinem Projekt anzuschließen. Wie auch immer es letztlich abgelaufen ist, es hat geklappt. Neben Price versammelten sich weitere bekannte Stars der Branche. Allen voran das Bond-Girl Martine Beswick die wir unter anderem in JAMES BOND 007 – LIEBESGRÜSSE AUS MOSKAU (FROM RUSSIA WITH LOVE, 1963), JAMES BOND 007 – FEUERBALL (THUNDERBALL, 1965) und der britischen Hammer-Produktion DR. JEKYLL AND SISTER HYDE (1971) bewundern durften. Ein weiteres bekanntes Gesicht ist Cameron Mitchell, der beispielsweise in DAS GEHEIMNIS DER FLIEGENDEN TEUFEL (WITHOUT WARNING, 1980) und DER KILLER MIT DER BOHRMASCHINE (THE TOOLBOX MURDERS, 1978) brillierte. Daneben treffen wir noch auf Clu Gulager aus VERDAMMT, DIE ZOMBIES KOMMEN (THE RETURN OF THE LIVING DEAD, 1985) und PIRANHA 2 (PIRANHA 3DD, 2012) sowie auf Harry Caesar aus EIN VOGEL AUF DEM DRAHTSEIL (BIRD ON A WIRE, 1990) oder EINE FRAGE DER EHRE (A FEW GOOD MEN, 1992). Einem weiteren bekannten Schauspieler laufen wir in der Zirkusepisode über den Weg. Die Rede ist von Angelo Rossitto, der schon in Tod Brownings berüchtigtem FREAKS (1932) spielte, wie auch in MAD MAX – JENSEITS DER DONNERKUPPEL (MAD MAX BEYOND THUNDERDOME, 1985) als „The Master“. Und das waren noch lange nicht alle.

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Anthologien

Der Anthologie-Film gehört zum Horrorgenre wie all die unheimlichen Kreaturen, die in ihm Leben. Die ersten dokumentierten Schritte machte diese besondere Filmform Anfang des 19. Jahrhunderts mit UNHEIMLICHE GESCHICHTEN (1919) und DAS WACHSFIGURENKABINETT (1924). Nach dem Ende des 2. Weltkrieges entstand in England der Klassiker TRAUM OHNE ENDE (DEAD OF NIGHT, 1945), der bis heute nichts von seiner Faszination verloren hat. Im Jahre 1963 erschien Mario Bavas fantastischer DIE DREI GESICHTER DER FURCHT (I TRE VOLTI DELLA PAURA, 1963). Ein Jahr später läutete die britische „Amicus Productions“ mit DIE TODESKARTEN DES DR. SCHRECK (1965) eine erste Hochphase des Anthologie-Films ein. Bis Ende der 1970er-Jahre brachten die Briten eine große Anzahl an außergewöhnlichen Produktionen heraus wie etwa GESCHICHTEN AUS DER GRUFT (1972) oder TOTENTANZ DER VAMPIRE (1971).

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Wieder ziehen einige Jahre ins Land, ehe die beiden Horrorexperten George A. Romero und Stephen King mit ihrem DIE UNHEIMLICH VERRÜCKTE GEISTERSTUNDE (CREEPSHOW, 1982) die alten E.C. Comics in Form einer Anthologie aufleben lassen. Neben den bekannten Comics hatte selbstverständlich auch die TV-Serie THE TWILIGHT ZONE (bei uns als UNWAHRSCHEINLICHE GESCHICHTEN betitelt) von Rod Serling einen großen Einfluss auf den Anthologie-Film im Allgemeinen. Die Serie lief in den Jahren 1959 – 1964 im US-TV, doch ihre Beliebtheit ist bis heute ungebrochen. Kurz darauf brachte schließlich Jeff Burr, zusammen mit seinem Bruder William Burr der als Produzent fungierte, FROM A WHISPER TO A SCREAM heraus, bei uns auch unter dem Titel DIE NACHT DER SCHREIE bekannt. In der Folgezeit erschienen noch einige weitere Werke wie etwa TWO EVIL EYES (1990) oder H.P. LOVECRAFTS NECRONOMICON (1993). Doch erst im neuen Jahrtausend erlebte der Anthologie-Film eine weitere Hochphase mit Werken wie TRICK ‘R TREAT – DIE NACHT DER SCHRECKEN (2007), THE ABCS OF DEATH (2012), V/H/S – EINE MÖRDERISCHE SAMMLUNG (V/H/S, 2012), SOUTHBOUND (2015), GERMAN ANGST (2015), GHOST STORIES (2017), ASYLUM – IRRE PHANTASTISCHE HORROR-GESCHICHTEN (ASYLUM: TWISTED HORROR AND FANTASY TALES, 2020) um nur ein paar zu nennen. Anhand dieser knappen Aufzählung ist zu erkennen, wie umfangreich die Historie jener außergewöhnlichen Filmart ist. Und mit Fug und Recht darf behauptet werden, dass es dem Anthologie-Film noch nie so gut wie heute erging.

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Das Mediabook

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Ein besonderes Lob gebührt den Mitarbeitern von Turbine für dieses umwerfende Mediabook. Auf 4 Discs verteilen sich 3 Audiokommentare, über 7 Stunden Features mit 2 umfangreichen und faszinierenden Dokumentationen. Dazu gibt es noch insgesamt 11 Kurzfilme von Jeff Burr sowie den kompletten Soundtrack zum Film von Jim Manzie. Ein prall gefülltes und sehr spannendes 40-seitiges Booklet (in Deutsch und Englisch) ist die Kirsche auf der Torte dieser grandiosen Veröffentlichung. Die Mediabooks präsentieren sich mit vier unterschiedlichen Artworks, die allesamt begeistern. Kurzum, jede dieser vorzüglichen Ausgaben ist ihr Geld wert.

Fazit

Jeff Burrs FROM A WHISPER TO A SCREAM ist ein unentbehrliches Kleinod des Genres, das verdient, neu entdeckt zu werden. Eine ganz besondere Anthologie, die nicht nur mit ihren Storys, sondern auch mit ihrer Kompromisslosigkeit überzeugt. Unterhaltsame knappe 100 Minuten sowie eine große Anzahl bekannter Gesichter. Gleichzeitig eine kleine Zeitreise in die wunderbaren 1980er, als noch niemand verblendet von dem Gedanken war, alles politisch korrekt in Szene setzen zu müssen.

© Stefan F.

 

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