„Transformation: Superbad“
Kinoplakate der heutigen Actionfilme zeigen immer mehr ein feminines Konterfei. Aus kernigen Actionhelden wurden taffe Actionheldinnen. Das ist nicht nur dem steigenden gesellschaftlichen Fokus nach Gleichberechtigung zu verdanken, sondern auch der Möglichkeit nach völlig neuen Geschichten. Im Laufe der Filmgeschichte haben sich Stück für Stück selbstbewusste, knallharte Frauen ins Rampenlicht geschossen, geprügelt und gefahren. Ellen Ripley, Nikita, Alice, Imperator Furiosa, Lorraine Broughton oder Captain Marvel, sie alle haben dieser Wegbereiterin etwas zu verdanken: FOXY BROWN. Im Zuge der günstigen und schnelle Produktionen der Blaxploitation in den 1970er-Jahren, stellten die Macher nicht nur schwarze Darsteller in den Vordergrund, sondern auch eine Frau, eine schwarze Frau. Pam Grier als Foxy Brown kämpft sich wie ihre männlichen Kollegen durch die Reihen der Schurken, bis sie ihrer Oberschurkin (!) gegenübersteht und ihr blutiges Ticket der Rache einlöst.
Handlung
Der Taugenichts von Bruder (Antonio Fargas) muss wieder von seiner Schwester Foxy (Pam Grier) aus den Fängen dubioser Typen gerettet werden. Es gefällt ihnen nicht, dass er sein eigenes kleines „Business“ in ihrem Revier aufbauen will. Aber eine echte Gefahr ist er nicht, denn er verbraucht den meisten Stoff mit seiner Bettgefährtin selbst. Bruder Link auf den rechten Pfad zu führen, dafür hat Foxy keine Zeit, denn ihr Liebster Michael Anderson (Terry Carter) kommt mit einem völlig neuen Gesicht aus der Schönheitsklinik. Er musste nach vielen Jahren Undercover-Einsatz untertauchen und das ging nur mit einem anderen Aussehen. Dennoch wird seine neue Identität an das Drogenkartell weitergegeben und er stirbt in Foxys Armen. Die Rolle der trauernden, zurückgelassenen Frau ist nicht ihr Stil. Sie will gnadenlose Rache an jedem einzelnen nehmen, bis nur noch Kathrine Wall (Kathryn Loder) für den finalen Schlag übrigbleibt.
Unterhaltung oder Filmgeschichte
Allein das Intro mit dem Titelsong von Willie Hutch macht mit der Kameraführung auf bunten Silhouetten einer tanzenden Lady klar, dass es hier auch um weibliche Kurven geht. Nach der spannenden ersten Szene, in der Foxy beweist, dass sie nicht nur Mut hat, sondern auch eine gute Fahrerin ist, geht es dramaturgisch ohne Impulse geradeweg. Seltsame Geschichten, wie das neue Gesicht ihres Mannes, was nur als Rummachen mit einem Fremden genutzt wird und ein paar dünn bekleidete Damen, die die Judikative zur Korruption anstiften, sind nur dazu da eines zu liefern: nackte Haut. Alles im Rahmen des moralischen Codex der amerikanischen Filmindustrie versteht sich, aber ein paar handfeste Tatsachen rutschen dann doch noch raus. Nachdem Foxy in der Filmmitte wie ein Phoenix aus der Asche ihrer abgebrannten Peiniger steigt, wird sie zu FOXY BROWN und zu Filmgeschichte. Eine der ersten Frauen, die ihren eigenen brutalen Weg geht und für die Männer nur ein Mittel zum Zweck ist.
Die Outfits, die der Hauptdarstellerin Pam Grier noch zu Beginn jede Menge Glanz gaben und die auch für ihren Ikonenstatus sorgten, werden zum Finale taffer und selbstbewusster. Zusammen mit der „Nachbarschaftswache“ – eine gar nicht so dezente Verschleierung der Black Panther – zeigt sie sich in dunklem Stoff und Leder. Der Afro sitzt selbstbewusst auf ihrem Haupt und die endgültige Befreiung vom männlichen (weißen) Geschlecht wird mit einer Kastration besiegelt. So wandelt sich FOXY BROWN von einem seichten, softpornösen Vorspiel zu einem gnadenlosen Rachestreifen, wo so mancher Gegner unter die Rotoren kommt. Diesen Schock müssen einige Zuschauer, damals wie heute, erst einmal verkraften. Wer sich im Genre noch nicht auskannte und nicht wusste, dass Sex und Gewalt in gleichen Teilen günstig serviert bekommt, konnte nach dem Kinobesuch die Schockmomente mit seinen Freunden euphorisch teilen.
Einer dieser Zuschauer war Quentin Tarantino und ein paar Jahrzehnte später besetzte er in JACKIE BROWN (1997) wieder Pam Grier mit der Hauptrolle. Sie spielt eine starke schwarze Persönlichkeit, die ihrem Leben als Stewardess mit Drogenschmuggel entfliehen will und am Ende den Spieß gegen das FBI und die Verbrecher umdreht. Eine grandiose und längst überfällige Würdigung der Darstellerin, die Anfang der 70er Jahre zu einem Vorbild der Frauenbewegung wurde. Wer von Pam Grier ganz angetan ist, sollte in ihrer Filmografie zurückschreiten und bei COFFY – DIE RAUBKATZE (1973) haltmachen, wie auch bei ihren Anfängen der philippinischen Produktionen wie zum Beispiel FRAUEN IN KETTEN (BLACK MAMA WHITE MAMA, 1973).
FOXY BROWN, die würdige Veröffentlichung
Im Frühjahr 2020 bescherte Studio Hamburg schon einmal hierzulande FOXY BROWN und COFFY eine Blu-ray-Premiere. Leider wurden hier alle digitalen Filterfunktionen ausgetestet und das berühmte Wachsfigurenkabinett war den Kauf nicht wert. Gut, dass Wicked Vision sich in ihrer Black-Cinema-Collection der Powerfrau noch einmal angenommen hat. Das HD-Bild bringt seine Qualitäten auf den Punkt, ohne seine Herkunft zu verstecken. Leider ist der O-Ton in den Dialogen manchmal sehr leise, wohingegen die Musik dann wieder voll aufdreht. Bei der deutschen Synchronisation ist der Pegel etwas ausgeglichener. Das 36-seitige Booklet bietet ein kurzes Interview mit der Hauptdarstellerin und Christoph N. Kellerbach geht auf die Produktionsgeschichte wie auch Filmografien der Darsteller und des Regisseurs ein. Als Extra gibt es ein Featurette mit Andreas Rauscher zur Action-Ikone Pam Grier. Außerdem gibt es noch drei weitere Bonusvideos zum Regisseur Jack Hill, Stuntman Bob Minor und ein Interview mit Sid Haig. Alles in allem wieder eine wunderbare Veröffentlichung und als Nummer sechs ein wichtiger Meilenstein im Herzen dieser zehn Filme umfassenden Edition.
Fazit
Eigentlich sollte FOXY BROWN als Fortsetzung für den erfolgreichen COFFY ein Jahr zuvor herhalten. Jedoch meinte das Produktionsstudio eine neue Geschichte würde sich besser verkaufen. Dabei ist die Geschichte überhaupt nicht das, was über die Jahre hinweg den Film immer noch sehenswert macht. Neben den Schauwerten, allen voran Pam Grier, gibt es auch knallharte Gewalt zu sehen, die zwar günstig produziert ist, aber immer wieder mit ironischen Seitenhieben aufs eigene Genre versehen. Oder hat jemand schon einmal eine Kneipenschlägerei in einer Lesbenbar gesehen?
Titel, Cast und Crew | Foxy Brown (1974) |
Poster | |
Regisseur | Jack Hill |
Release | seit dem 25.06.2021 auf Blu-ray in der Black-Cinema-Collection Am besten direkt beim Label bestellen. Ihr wollt den Film bei Amazon kaufen? Dann geht über unseren Treibstoff-Link: |
Trailer | Englisch |
Besetzung | Pam Grier (Foxy Brown) Antonio Fargas (Link Brown) Peter Brown (Steve Elias) Terry Carter (Michael Anderson) Kathryn Loder (Katherine Wall) Harry Holcombe (Judge Fenton) Sid Haig (Hays) Juanita Brown (Claudia) |
Drehbuch | Jack Hill David Sheldon |
Filmmusik | Willie Hutch |
Kamera | Brick Marquard |
Schnitt | Chuck McClelland |
Filmlänge | 90 Minuten |
FSK | Ab 18 Jahren |
Chefredakteur
Kann bei ZURÜCK IN DIE ZUKUNFT mitsprechen / Liebt das Kino, aber nicht die Gäste / Hat seinen moralischen Kompass von Jean-Luc Picard erhalten / Soundtracks auf Vinyl-Sammler / Stellt sich gern die Regale mit Filmen voll und rahmt nur noch seine Filmposter