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Flashback (2020) – Filmkritik

„Zeitreise auf Quecksilber“

Durch die Zeit reisen kann jeder. In die Vergangenheit gelangen wir mit Hilfe unserer Erinnerungen. Ein Symbol, eine Farbe, ein Geruch oder ein Lied bringen uns manchmal völlig unerwartet zurück in die Kindheit, in die Schulzeit, auf eine Party, zu einem Kuss oder einer unerfüllten Liebe. In die Zukunft kann man mit Hilfe seiner Vorstellungskraft gelangen, besser gesagt in eine alternative Zukunft. Eine Leidenschaft, ein Job, eine Beziehung oder eine Abzweigung, der man in eine andere Richtung folgt, alles ist möglich, wenn die eigene Fantasie stark genug ist. Der Thriller FLASHBACK öffnet seine Geschichte mit einer Brücke dieser Zeitreisen, die uns immer wieder einmal beschäftigt: Was wollten wir als Jugendlicher erreichen und wo sind wir – in diesem Fall 13 Jahre später –gelandet? Ein Vergleich junger Wünsche und Visionen mit der Realität des Erwachsenseins. Visuell intensiv, musikalisch empathisch und ohne belehrend zu sein ist FLASHBACK definitiv die Zeit(Reise) wert, aber nur für jene, die damit leben können, nicht alle Fragen beantwortet zu bekommen.

FLASHBACK (2020)
© Capelight Pictures

Handlung

Fred (Dylan O‘Brien) hat sein Kunststudium hinter sich gelassen und beginnt einen Job als Informationsanalyst in einem Großraumbüro. Er und seine Freundin Karen (Hannah Gross) ziehen zusammen, suchen Wandfarben aus, beginnen die ersten Schritte einer eigenen Familie. Freds Mutter liegt mir starker Demenz im Krankenbett. Als Fred ein paar alte Fotos auf ihrem Tisch entdeckt, erinnert er sich an seine Schulzeit, an Freunde, eine Droge namens „Mercury“ und seine Verliebtheit zu Cindy (Maika Monroe). Wie es ihr nach dem Schulabschluss wohl ergangen ist? Stück für Stück gehen seine Erinnerungen tiefer in die Vergangenheit und er muss erkennen, dass Cindy noch während der Schulzeit auf einmal verschwunden ist. Ab jetzt beginnen Vergangenheit und Gegenwart auf der Suche nach Cindy immer weiter ineinander zu verschwimmen.

FLASHBACK (2020)
© Capelight Pictures

Gegen den Strom

Ein fast meditativer Ton begleitet den Einstieg in FLASHBACK. Mit wenigen Erklärungen folgen wir dem Leben von Fred Fitzell. Die Umgebungsfarben sind schwach und entsättigt. Sein Berufseinstieg hinter einem verschachtelten Schreibtisch, dem von Neo aus MATRIX nicht unähnlich, verstärkt eine melancholische Grundstimmung, die den Film nie verlassen wird. Fred fügt sich dem Schicksal eines Arbeiters, dessen Sinn es ist, produktiv zu sein und eine Familie zu gründen. Die Liebe zu Karen ist harmonisch, aber Freds Sehnsucht liegt in der Vergangenheit.

© Capelight Pictures

Seine unterdrückte Kreativität in Form von Zeichnungen gelangt in seinen Alltag und erste Anzeichen von einer verborgenen Welt unter der Oberfläche werden von ihm auf dem Weg zur Arbeit entdeckt. Vielleicht ist hier der Wunsch nach Flucht am größten. Er fährt wegen einem Stau verkehrt herum in eine Einbahnstraße voller bunter Graffitis und erinnert sich durch einen seltsamen Obdachlosen an einen starken Drogentrip aus seiner Jugend. Mit harten, fast aggressiven Schnitten bekommen wir visuell die Synapsen erweitert. Nicht mit einer farbenfrohen „Alles-wird-gut-Version“, sondern mit einem dunklen Rätsel aus Puzzleteilen seiner Erinnerung. Der Eindruck verstärkt sich, dass nach der Einnahme der Droge Mercury in der Schule, sein Dasein nur noch ein Schatten dieser Erfahrung ist, der nüchterne Alltag.

FLASHBACK (2020)
© Capelight Pictures

Verworren oder philosophisch?

Ganz im Stile der intensiven Filmerfahrungen der Jugend wie DONNIE DARKO (2001) erzählt FLASHBACK seine Geschichte mit vielen sprachlichen und visuellen Hinweisen. In kleinen Portionen kommen stets neue Details hinzu. Das kann auf Dauer anstrengend sein und in den ruhigen Filmminuten die Spannung zusammenbrechen lassen, aber wenn wir etwas in der Geschichte von uns selbst entdecken, ist Platz für eigene Lebensfragen. Wie stark beeinflusst die Erziehung unserer Eltern das spätere Leben? Welche Möglichkeiten hätten sich ergeben, wenn in der Vergangenheit eine bestimmte Sache anders gelaufen wäre? Wird man nach einer starken Drogenerfahrung ein völlig anderer Mensch? Ist es überhaupt möglich aus dem eigenen Schicksal zu entkommen? Ob FLASHBACK nun funktioniert, hängt umso mehr vom Zuschauer ab, ob er sich darauf einlassen kann.

© Capelight Pictures
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Das Produktionsbudget ist merklich knapp bemessen, aber die Inszenierung von Christopher MacBride zeigt, wie wichtig es ist einen guten Editor an Bord zu haben und jemanden der souverän durch ein komplexes Feld aus Emotionen im Drehbuch führen kann. Die Hauptdarsteller Dylan O’Brien (MAZE-RUNNER-TRILOGIE) und Maika Monroe (IT FOLLOWS) sind als Projektionsflächen für diesen cineastischen Mysterietrip passend gewählt. Der kreativste Beitrag, der FLASHBACK förmlich zusammenhält, kommt vom kanadischen Musiker Anthony Scott Burns, hier unter seinem Pseudonym Pilotpriest. Mit industriellen Klangteppichen aus den elektronischen Sphären bringt er uns an die Kante des Sitzes, aber auch gefühlvolle Melodien bringen uns die Figuren stets näher, ohne, dass sie selbst viel dafür tun müssen. Wer mag, kann gern einmal in das Album bei Spotify reinhören.

© Capelight Pictures

Fazit

Eine willkommene Abwechslung in der Welt der oberflächlichen Filmproduktionen. FLASHBACK beweist Mut nicht all seine Geheimnisse zu verraten und das auf einem einfachen aber konsequent künstlerisch hohem Niveau. Ein Mysteryfilm, der noch nach dem Abspann wirkt und zu Diskussionen anregt, am Morgen darauf, aber schon seine Wirkung wie die eine Rausches verloren hat. Für alle, die gern einmal einen anderen Weg gehen, definitiv eine Bewusstseinserweiterung wert.

© Christoph Müller

Titel, Cast und CrewFlashback (2020)
OT: The Education of Fredrick Fitzell
Poster
Releaseseit dem 20.08.2021 auf Blu-ray und DVD

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RegisseurChristopher MacBride
Trailer
BesetzungDylan O'Brien (Fred)
Maika Monroe (Cindy)
Hannah Gross (Karen)
Emory Cohen (Sebastian)
Keir Gilchrist (Andre)
Liisa Repo-Martell (Mrs. Fitzell)
DrehbuchChristopher MacBride
KameraBrendan Steacy
MusikAnthony Scott Burns als Pilotpriest
SchnittMatt Lyon
Filmlänge97 Minuten
FSKab 16 Jahren

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