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Filmmusik zu „Mary Queen of Scots“ von Max Richter – Review

Mary Queen of Scots – Original Motion Picture Soundtrack von Max Richter

Ein Meisterwerk kann nur entstehen, wenn der passende Komponist genau die richtige Musik dazu schreibt, er das Werk versteht und eine ganz eigene kreative Komponente hinzufügt. Was wäre DER PATE ohne die Mandoline von Nino Rota, was wäre STAR WARS ohne die Fanfaren von John Williams, was wäre THE DARK KNIGHT ohne die vorantreibenden Streicher Hans Zimmers und was wäre SPIEL MIR DAS LIED VOM TOD ohne die einsame Mundharmonika eines Ennio Morricone?

Aber manchmal gelingt es einem Film, der ein paar Schwächen vorzuweisen hat, durch einen fantastischen Score doch noch in positiver Erinnerung zu bleiben. Die Musik hilft dem holprigen Drehbuch weiter, sie hilft sozusagen emotional über die Schlaglöcher hinweg. Und diesen Problemkindern, von denen dann doch noch Jahre später gesprochen wird, hilft Max Richter mit seinen Kompositionen weiter. So ist es auch bei der neusten Verfilmung des Lebens von Mary Stuart, gespielt von Saoirse Ronan, durch die Theater-Regisseurin Josie Rourke der Fall. Der Film hat seine Schwächen in der etwas zäh erzählten Geschichte, mit den meist ausufernden Dialogen, aber das landschaftlich beeindruckende Szenenbild und die exzellent besetzten Schauspieler, unter anderem Margot Robbie als Queen Elizabeth I., machen MARY QUEEN OF SCOTS definitiv zu einem lohnenswerten Kinobesuch. Hier wollen wir uns aber dem emotionalen Rückgrat des Films widmen, welches dem kreativen Talent von Max Richter entspringt.

© Photo: Heiko Prigge

Zur Person

Max Richter, 1966 in Hameln geboren und in England aufgewachsen, lebt und arbeitet in Berlin. Was Richter in seinen musikalischen Arbeiten so besonders macht, ist seine Balance zwischen Klassik und Ambient-Samples. Er ist orchestral genauso bewandert wie auch elektronisch. Wenn man es mit den Worten der Radio-DJs bezeichnen will, gehört seine Musik der Neo-Klassik an. Seine Kompositionen sollte man jedoch nie in ein Genre stecken, was die vielfachen Werke von Richter immer wieder bewiesen haben. Die Neukompositionen von Vivaldis „Vier Jahreszeiten“ (Das Intro des visuellen Gaumenschmauses CHEF’S TABLE auf Netflix treibt „Winter I“ aus dieser Platte voran) ist eine respektvolle, kräftige Neukomposition des Klassik-Bestsellers. Wer jedoch denkt, dass Richter, der seine Kompositionen sogar noch händisch auf dem Notenpapier notiert, von der alten Schule ist, dem empfehle ich die Neuauflage seines Meisterstücks „The Blue Notebooks“, welches in einer tollen Neuaufnahme zum 15-jährigen Jubiläum bei DEUTSCHE GRAMMOPHON 2018 erschienen ist.

Max Richter arbeitet nicht nur an eigenen Alben, sondern nimmt auch Aufträge für Filmmusik an und das auf sehr fleißige Art und Weise. Viele werden sein Stück „On the Nature of Daylight“ oder die Kombination mit „This Better Earth“ von Dinah Washington vom Soundtrack zu SHUTTER ISLAND und ARRIVAL kennen. Aber verantwortlicher Filmkomponist war Richter weder für SHUTTER ISLAND noch für ARRIVAL. Seine Filmarbeiten bleiben immer ein wenig abseits des Mainstreams und finden sich in anspruchsvollen Themen mit Arthaus-Komponente wie DISCONNECT, THE CONGRESS, HOSTILES oder in Serien wie TABOO und THE LEFTOVERS wieder. Er selbst sagte in einem Interview, dass der Prozess des Schreibens von Konzertmusik im Vergleich zur Arbeit an einem Film für ihn etwas ganz anderes ist.

„Wenn du aber an einem Film arbeitest, besetzt du nicht den gesamten konzeptionellen Raum, sondern du versuchst einfach, den Film gut zu machen, effektvoll, einprägsam, du willst die Geschichte erzählen, Gefühle wecken, den Zeitfluss verändern (…)“

Und dies ist ihm bei MARY QUEEN OF SCOTS wieder wunderbar gelungen.

© 2018 Focus Features LLC. All rights reserved.

Aufbau

Der Soundtrack, welcher auf CD, als .mp3 und für diese Review auf Vinyl erhältlich ist, gliedert sich in 18 Tracks. Der Beginn ist fast fröhlich euphorisch, es schwebt die Ankunft von Mary in Schottland über den Stücken. Richter scheut sich nicht davor Frauenchöre, Kriegstrommeln und Streicher dem Thron zu widmen ohne zu sehr nach schottischer Folklore zu klingen. Der Film besitzt jedoch eindeutig zeitgenössische Bezüge, welche sich in den Kritiken leider immer wieder um die Hautfarbe bestimmter Rollen drehen. Es wäre schön, wenn man auch wieder über die Inhalte reden würde, anstatt geschichtliche Sisyphos-Arbeit an ethnischen Herkünften zu betreiben. Die Regisseurin gibt jedoch wenige dieser modernen Einflüsse, was sich auch in der Musik von Richter wiederspiegelt. Kaum hörbar, lässt er elektronische Aufbauten einfließen.

Richter freut sich an den Einflüssen, die die Renaissance-Musik auf dieses Projekt hatte. Vor allem die Renaissance-Motette „If Ye Love Me“ vom englischen Komponisten Thomas Tallis (1505-1585) war ein wichtiger Bezugspunkt. Der spannendste Kampf in diesem Soundtrack ist jedoch der zwischen den Krieg und Trauer bezeugenden Trommeln und den Themen der starken Frauen Elisabeth und Mary. So bilden die fast schon groben Orchesterstücke, die als Männerwelt zu verstehen sind, den Hintergrund. Die Themen der Frauen, vor allem die melancholischen Klänge der Mary, welche mit einem Solo-Englischhorn besonders hervorgehoben werden, sind wesentlich spannender und feingliedriger. Eine typische Herangehensweise von Richter an seine Projekte: Ein minimalistisches, nachdenkliches Klangbild.

Fazit

Es ist vielleicht nicht der beste Soundtrack von Max Richter, wertet jedoch den Film MARIA STUART, KÖNIGIN VON SCHOTTLAND erheblich auf. Die Musik transportiert auch ohne Filmbezug eine nachdenkliche Melancholie der schottischen Landschaft und dem berühmten, aber auch traurigen Leben von Maria Stuart in klangliche Welten. Auch wenn Richter immer in Interviews betont, dass die eigenen Kompositionen vor den Filmprojekten Vorrang haben und einen interessanteren kreativen Prozess darstellen, freut man sich dennoch sehr über den fleißigen Output von seiner Seite. Zum Protokoll: Es gibt tatsächlich ein Meisterwerk, wie in der Einleitung erwähnt, für das Max Richter die Musik komponiert hat: WALTZ WITH BASHIR.

Das Cover des Soundtracks © Deutsche Grammophon

Zum Release

Die bereits erschienene Veröffentlichung von Deutsche Grammophon des ORIGINAL MOTION PICTURE SOUNDTRACK – MARY QUEEN OF SCOTS lässt keine Wünsche offen. Eine Empfehlung für alle Schallplattenbesitzer und Filmmusikliebhaber sei hiermit auf die Doppel-LP gelegt. Ein Gatefold (aufklappbare Plattenhülle) mit Szenenbildern und dem schönen Cover heben die aufwändige Requisite des Films noch einmal hervor. Ein voller satter Klang, der in den Air Studios in London aufgenommenen Stücke, rundet diese 180-g-Pressung mit Download-Code zum besten Preis-Leistung-Verhältnis ab.

Auf zum nächsten Plattenladen des Vertrauens.

Oder dem Fluxkompensator etwas Gutes tun und über diesen Link bei Amazon bestellen.

 

Eine ausführliche Filmkritik zum Film findet ihr bei den Kollegen von Die Nacht der lebenden Texte.

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