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Fantasy Filmfest 2022 – Eine Nachbetrachtung

Der berühmt berüchtigte Festivalkater greift auch – und insbesondere – nach Filmfestivals. Da hat man nun für mehrere Tage eigentlich nur in seinem Kinosessel herumexistiert, ist zum Bilder aufnehmenden Bewegtbildschwamm geworden, bewegte sich im Dreieck Falafelstand, Raucherecke und Kinosaal – und dann ist da wieder die Realität, in der Beschäftigtenverhältnisse, schlechtes Wetter und verspätete öffentliche Verkehrsmittel auf einen warten. Man schwelgt in Erinnerungen und blickt zurück und fragt sich: Was habe ich mitgenommen? Genauer: Was habe ich vom Fantasy Filmfest 2022 mitgenommen?

Es lässt sich festhalten, dass die Programmauswahl in diesem Jahr durchaus zu gefallen wusste. Wenig Ausreißer nach ganz oben, aber auch sehr seltene Rohrkrepierer (einen einzigen, um genau zu sein, ich schaue in deine Richtung THE PRICE WE PAY). Und ein thematisch bzw. sehr homogenes Programm. In meiner Vorberichterstattung äußerte ich die – nicht sonderlich originäre – Beobachtung, dass Social Media, ferne das Influencer:innentum, das vermehrte Sujet dieses FFFs sei. Viel mehr noch als die Angst der Gegenwart vor den sozialen Netzwerken, behandelten alle von mir gesehenen Filme überraschenderweise den Topos des Verschwindens. Im höchst sympathischen und effektiven HUESERA muss eine werdende Mutter mit dem Verschwinden ihrer alten, „wilden“ Identität übereinkommen. Sowohl in DEADSTREAM als auch in SICK OF MYSELF verschwinden ganze Menschen. In DEADSTREAM, der als der originellste Found-Footage Horrorfilm seit GRAVE ENCOUNTERS gewertet werden dürfte, verschwindet der Protagonist im Geisterhaus. In SICK OF MYSELF verschwindet der Mensch Signe so lange hinter ihrer Krankheit, bis nicht mehr von ihr übrig ist, außer eine deformierte Hülle.

In HUNT verschwinden ganze Genregrenzen. Beginnt der südkoreanische Film noch als Spionagethriller à la John Le Carré, voller Codenamen und doppelter Identitäten, vollzieht der Film in seiner letzten halben Stunde einen überraschenden Dreh nach Links, fast so, als hätte auf einmal die Entität auf dem Regiestuhl gewechselt.
Auch das Thema Verschwörungsideologien fand Platz beim FFF. In SOMETHING IN THE DIRT, dem neuen Film des Duos Moorhead/Benson, erleben wir hautnah, was Menschen (auch und gerade zu Zeiten des ersten Lockdowns) in gefährliche Kreise zog: Die verzweifelte Suche nach einer Narrative im eigenen Leben, die verzweifelte Suche nach Bedeutung. Weniger ein Horrorfilm, als zum einen eine teilweise brüllend komische Ode ans Amateurfilmemachen, zum Anderen ein berührendes Drama über zwei einsame Männer.

Wie zu erwarten wurde der Publikumshit FREAKS OUT auch auf dem FFF mit fast vollem Hause und Applaus geadelt. Gabriele Mainette Edelneoexploitationer gehört zügigst auf jede Watchlist gepackt, vor allem die ersten fünf Minuten, in denen Mainette in einer schönen Bildmetapher von den stummen Attraktionsanfängen des Kinos bis zu den Zeiten des digitalen Effektgewitters erzählt, gehören zum schönsten, was dieses Jahr über die Leinwand flimmerte. Und auch hier geht es ums Verschwinden: Was, wenn Du wüsstest, dass deine eigene Niederlage unmittelbar bevorstünde? Lässt sich der Lauf der Geschichte umkehren?

Kurzum: Das Genre lebt. Wie immer in den letzten Jahren ist vielleicht die Anzahl an reinrassigen Horrorfilmen im Programm etwas mager, dafür ermöglicht das FFF aber eben auch kleineren Filmemacher:innen oder solchen, deren Werke prädestiniert sind für den Direct to Video Markt, mal auf der großen Leinwand genossen zu werden.

© Fynn

Hier geht es direkt zur Fantasy Filmfest Webseite.

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