„Rennsportfilm auf Steroiden“
Nicht kleckern, sondern klotzen. Ganz nach diesem Motto rast F1 – DER FILM in die Kinos. Die Formel 1 ist nicht nur die Königsklasse im Rennsport, technisch wie physisch anspruchsvoll für die Piloten, sondern auch ein Multi-Milliarden-Dollar-Geschäft. Produktionsstudio Apple griff bei der Verfilmung auch tief in die eigene Tasche, denn der High-Tech-Konzern mit einem Marktwert von drei Billionen Dollar (Stand 2025) wollte dem Rennsport der Millionäre in nichts nachstehen. Aber wir wollen nicht zu wirtschaftlich und mathematisch werden wie in einem Investmentblog, denn Kino ist Emotionsspektakel. Der Rennsport ist es ebenfalls, ein Wettkampf mit tödlicher Höchstgeschwindigkeit.

Man sollte jedoch diese Vermögenseinordnung nicht aus den Augen verlieren, denn F1 – DER FILM gehört zu den teuersten Filmen der letzten Jahre und das in einer Zeit, in der die Studios kaum noch hohes finanzielles Risiko eingehen wollen – bemerkenswert. Genaue Zahlen weiß man nicht, doch Apple zahlte bereits einen dreistelligen Millionenbetrag für das Drehbuch inklusive Produzenten und Hauptdarsteller Brad Pitt, Regisseur Joseph Kosinski (TOP GUN: MAVERICK), Drehbuchautor Ehren Kruger und Blockbuster-Produzent Jerry Bruckheimer. Klingt jetzt vielleicht nicht mehr ganz so teuer bei diesen Namen. Das Team wollte so realistisch wie möglich drehen und holte sich zusätzlich Formel-1-Superstar Lewis Hamilton als Produzent in den Apples Produktionsrennstall und durfte nicht nur bei den echten Grand-Prix-Rennen drehen, sondern konnte dadurch maximal digitale Effekte vermeiden. Die Produktion steht dem Rennzirkus in Sachen Superlativen in nichts nach und das sieht man auch in jeder dieser 156 Filmminuten – pures Unterhaltungskino.

Aber was ist denn mit den Emotionen, der Gänsehaut bei einem gewagten Rennmanöver, dem Kribbeln in den Fingerspitzen bei hohen Drehzahlen und dem Schock bei einem Unfall? Auch davon bietet F1 – DER FILM einiges. Jedoch ist das Rundum-Paket fragmentiert, was auch der dramaturgischen Struktur der einzelnen Rennen zu verdenken ist. Aber jetzt erstmal ein schneller Blick in den Story-Modus:
Handlung
Sonny Hayes (Brad Pitt) ist der Ersatzfahrer der Ersatzfahrer. Welche Motorenklasse? Alles, was vier Räder hat. Gerade erst hat er mit seinem aggressiven Fahrstil das 24-Stunden-Rennen von Daytona gewonnen und ist schon wieder auf der Suche nach einem neuen Job. Sonny ist mit einem alten Bus unterwegs, sein Finger auf der Landkarte ersetzt den Plan und die Möglichkeit irgendein Rennen zu fahren ist sein Antrieb. Sein Rennfahrkollege aus Jugendzeiten und guter Freund Ruben Cervantes (Javier Bardem) taucht auf einmal bei ihm im Waschsalon. Er will ihn für seinen Formel-1-Rennstall APXGP gewinnen. Der Vorstand des Rennstalls will Ruben am Saisonende feuern, wenn seine Piloten keine Siege einfahren. Einen Rookie im Team hat er bereits: Joshua Pearce (Damson Idris). Da fehlt nur noch etwas Erfahrung, die Sonny mit ins Spiel bringen soll. Das Problem ist jedoch: Sonny ist seit 30 Jahren nicht mehr Formel 1 gefahren und hier hat sich einiges getan.

Der Rennzirkus
Für alle, die Formel-1-Rennen seit der Karriere von Michael Schumacher nicht mehr erlebt haben: Willkommen in einer anderen Welt. Die gute Nachricht: „Good Old Dog“ Sonny Hayes führt uns in diese verrückte Welt ein. Noch zu Beginn sind wir an traditionellen Rennstrecken wie Silverstone mit unermesslichen Campingfelder voller Fans. Die Meisterschaft und der Film gipfelt auf dem Yas Marina Circuit in Abu Dhabi, die Spitze der Superlative, in Spannung wie auch im Verbrennen von planetaren Ressourcen. Aber das macht den Motorsport auch aus: motorengetriebene Gladiatorenkämpfe für die Superreiche. Zu diesem Kritikpunkt kommen wir später noch einmal.

Der Rennsport hat sich grundlegend verändert, ein tollkühner Fahrer mit PS-starkem Wagen hilft gar nichts. F1 – DER FILM bringt Einblick in diese Welt. Jeder Millimeter Carbon-Verkleidung an der Außenhülle kann den Sieg kosten. Dem technischen Feintuning auf Weltraumniveau steht der fühlende Mensch gegenüber: Sonny. Der steigt einfach am ersten Tag in den Wagen, versucht seinen Teamkollegen in dessen Rundenzeit zu unterbieten und fährt die Kiste kurz vorm Ende gegen die Wand. Schnell merken wir, um die Meisterschaft kämpfen andere, hier geht es um den EINEN Sieg, den man nur mit viel Arbeit erreichen kann. Das Drehbuch setzt die schwer erklärbare High-End-Technik auf die Ersatzbank und stellt das gute alte Teambuilding, was die Quintessenz eines jeden guten Sportfilms ist, in den Mittelpunkt. Das verkommt aber zum Glück nie zum „Die-gute-alte-Zeit-war-viel-besser-Gejammer“, denn auch Sonny setzt sich in den 360-Grad-Rennwagen-Simulator, um zu trainieren.

Was stört, es fehlt der Dreck, das Öl, der Gestank und das Feuer – zu sauber und zu glattgebügelt. Robert Duvalls Harry in TAGE DES DONNERS (1990) würde die Nase rümpfen und die Szene verlassen. Aber vielleicht ist das mittlerweile in der Formel 1 der Ist-Zustand – eine cleane Performance, auf jeder Ebene. Der Rennstall von APXGP sieht aus wie ein Chip-Labor bei Apple und die Hauptzentrale hat mehr Mitarbeiter vor Flachbildschirmen sitzen als die NASA zum Apollo-Start zum Mond. Aber das tritt zum Glück in den Hintergrund, denn das physisch Anspruchsvolle für die Fahrer bringt F1 – DER FILM menschlich zur Geltung, auch wenn das Drehbuch auf so etwas bodenständiges wie Jogging auf der Rennstrecke zurückzugreifen muss.

Die Linse im Cockpit
Regisseur Joseph Kosinski und Kameramann Claudio Miranda setzen nach TOP GUN MAVERICK wieder auf echte Fliehkräfte in den Gesichtern der Darsteller. Die Kameras sind direkt im Cockpit angebracht, blicken auf die Visiere der Fahrer, zur Seite oder sind direkt unter dem Frontflügel. Das Hochgeschwindigkeitsrennen wird erlebbar, vor allem auf der großen Leinwand. Der Sound ist wunderbar zornig und knatternd. Jeder, der einmal eine Motorsportrennen besucht hat, weiß welcher Mist einem in den historischen Rennsportfilmen untergejubelt wurde. Hier gibt es echten Sound. Apropos Jubeln: Das tut man regelmäßig, wenn sich die Welt um den Rennwagen in den Visieren, der Verkleidung oder im konzentrierten Blick der Fahrer widerspiegelt. Solch ein Eintauchen in physische Kraft kann man nur filmen, wenn sie wirklich stattfinden. Nach F1 – DER FILM werden alle anderen Motorsportfilme aussehen, als wären sie mit Rückprojektion gedreht. Durch die Nahaufnahmen, die sich mit Drohnen und Kamerafahrten über der Strecke abwechseln, wird die Strategie des ApexGP-Teams auch inszenatorisch verständlich erzählt: Plan C, Combat Mode – was uns zum Rüpel der Geschichte führt.

Die Boxencrew
Brad Pitt zieht permanent die Aufmerksamkeit in diesen Film auf sich. Mit seiner typischen Strahlemann-Aura, den trainierten Bauchmuskeln und einer Portion Selbstironie, kann man diesen Typen einfach nur anhimmeln. Selbst wenn er wie ein Cowboy in die Boxengasse geschritten kommt, aus der Zeit als solche Klischees als Zigarettenwerbung noch auf Rennwagen erlaubt war. Der Formel 1 haftet immer so eine Gentlemen-Sport-Attitüde an, die Sonny durch „unsportliches“ Verhalten und mit extremer Ausdehnung des Regelwerks erstmal gleich vom Tisch wischt. Das trägt zur leicht konstruierten Underdog-Erzählung bei. An Außenseiter ist jedoch hier nicht zu denken, wenn man sieht, welche Ressourcen diesem Team zur Verfügung zu stehen scheinen. Wo das Geld im Rennsport herkommt, kann sich jeder selbst denken. Bei F1 – DER FILM kommt es von besagter Smartphone-Bude, die mal ganz klein in der Garage angefangen hat und von der Flut an Product-Placement im Film, in dem eh schon branchenbedingt jeder Quadratzentimeter mit Werbung zugepflastert ist. Vor 30 Jahren war es eine Zigarettenmarke mit Kamel-Logo und jetzt sind es saudische Airlines und Schweizer Kreuzfahrtgesellschaften.

Der junge Damson Idris schlägt sich neben Superstar Brad Pitt sehr gut, wirkt selten aufgeblasen und lässt in seiner ganzen Angeber-Staffage genug Unsicherheit durchblicken, um menschlich zu wirken. Dank der Produzenten und Geldgeber Apple ist ein Cast entstanden, der in seiner Vielfalt nie aufgesetzt wirkt. Da ist der Deutsche mit seiner verwöhnten Familie, die junge Jodie (Callie Cooke) in der Boxencrew und der exzentrische Rennstallbesitzer Ruben. Stetig und pfeilgerade schießt sich Kerry Condon als Konstruktionschefin Kate McKenna in die Herzen des Publikums. Eine tolle Frauenrolle, die hier in einem der maskulinsten Genres zu finden ist und selbst wenn sie das Bett mit der Hauptfigur teilt, wirkt es so flauschig und selbstbestimmt, dass man nur dahinschmelzen möchte.

Konstruktive Kritik
Einen Blockbuster in Inhaltsbelangen zu kritisieren, ist immer ein bisschen besserwisserisch, aber wir wollen es dennoch wagen. Offensichtlich leben alle Personen, vor wie auch hinter der Kamera und bei den Geldgebern gleichermaßen, in einer Welt, die für mindestens 99 Prozent der Menschen unerreichbar ist. Aber man will nicht vor leeren Tribünen fahren. F1 – DER FILM tut es dennoch, denn der Film verlässt nie seine eigene elitäre Bubble. Sonny als traumatisierter Underdog funktioniert nur begrenzt, denn es fehlt schlicht ein ernsthafter Gegner. Teamgeist, gut und schön, aber ein Wettkampf gegen die Stoppuhr und nahezu unsichtbare Formel-1-Profis reißt einen dann doch nicht vom Kinosessel. Typisch Großkonzern, denkt sich dieser als Spannungsstellschraube eine feindliche Übernahme im Rennstallvorstand herbei. Die Fans, die auf Flug- und Tribünentickets monatlich sparen, betreffen solche Management-Querelenberühren kaum. Hier geht es um Wettstreit zwischen Fahrern und nicht, wer den dicksten Geldbeutel oder das größte Ansehen hat. Wie sagt es Sonny im Film so schön: „Das ist alles nur Rauschen.“ Etwas mehr handlungsrelevantes Fußvolk im Film wäre essenziell. Wir kaufen schließlich eure Smartphones, zahlen das Kinoticket oder liken eure Beiträge. Wenn ihr auf eure üppige Gewinnmarge nicht verzichten wollt, dann gibt uns doch zumindest die Illusion, auch in dieser Geschichte einen Anteil zu haben,

Fazit
Bei Schauspiel, Handwerk und Spannung spielt F1 – DER FILM bei den Blockbustern ganz vorne mit. Die Rennszenen gehören zu den besten Action-Szenen der letzten Jahre. Aber inhaltlich ist der Film wie der Moment in dem Rennpilot JP ein paar alte ungleiche Socken aus einer Louis-Vuitton-Tasche zieht, um sein Team zum gemeinschaftlichen Jogging zu motivieren. Man erkennt die Basis, der Wille für einen Kämpfergeschichte, von ganz unten nach ganz oben. Wen die Luxushandtasche nicht stört, wird eine verdammt gute Zeit haben.
Chefredakteur
Kann bei ZURÜCK IN DIE ZUKUNFT mitsprechen / Liebt das Kino, aber nicht die Gäste / Hat seinen moralischen Kompass von Jean-Luc Picard erhalten / Soundtracks auf Vinyl-Sammler / Stellt sich gern die Regale mit Filmen voll und rahmt nur noch seine Filmposter