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Ex Machina (2014) – Filmkritik

David Levy prophezeit in seinem 2007 erschienenen Buch LOVE AND SEX WITH ROBOTS bis zum Jahr 2050 werde es gängige Praxis sein, dass sich Menschen und Roboter ineinander verlieben und Partnerschaften begründen. Der Economist-Redakteur Tom Standage erkennt in dem pandemie-bedingten veränderten Umgang mit digitaler Technologie wahre Zeitsprünge: im Jahre 2020 ist realisiert, was erst in den Jahren 2025 oder 2030 möglich gewesen wäre. Alex Garland nimmt in seinem anti-utopischen Science-Fiction-Film EX MACHINA einen deutlich weniger optimistischen Standpunkt ein. Herausgekommen ist ein beklemmendes Kammerspiel, gespickt mit einer Vielzahl von Zitaten aus Literatur, Philosophie und Film.

© 2015 Universal Pictures & A24

Handlung

Scheinbar zufällig wird der junge, intelligente, aber auch einsame Programmierer Caleb (Domhnall Gleeson) ausgewählt, herauszufinden, ob die von seinem Vorgesetzten Nathan (Oscar Isaac) entwickelte Androidin Ava (Alicia Vikander) über den Menschen vergleichbare Intelligenz und vor allem Bewusstsein verfügt. Hierfür verbringt Caleb eine Woche in dem festungsähnlichen Anwesen Nathans mitten in den Bergen, ständig von Kameras überwacht. Der introvertierte Caleb beginnt sich in Ava zu verlieben. Er berichtet ihr, dass er als Kind seine Eltern bei einem Autounfall verloren hat und er allein in einer kleinen Wohnung lebe. Auch verdeutlichen die ersten vorsichtigen Annäherungen an Ava, dass es für Caleb und auch für Nathan, die ständig Fachtermini verwenden und ausgiebig Oppenheimer und Nietzsche zitieren, schwierig ist, mit anderen Menschen zu kommunizieren.

Nathan deutet schließlich an, er beabsichtige, Ava nach Abschluss der Tests zu zerstören. Als Caleb Mitleid mit Ava empfindet, argumentiert Nathan weiter, dass Künstliche Intelligenz einmal auf Menschen zurückblicken werde, wie diese auf Fossilien. Dies sei nur eine Frage der Zeit, denn die Entwicklung zur KI würde sich zwangsweise vollziehen.

Ava kann Caleb schließlich überreden, ihr zur gemeinsamen Flucht zu verhelfen. Vorgesehen ist, den offensichtlich alkoholkranken Nathan betrunken zu machen und ihn in seinen Anwesen eingeschlossen allein zurückzulassen. Am nächsten Tag wird Caleb schmerzlich damit konfrontiert, dass weder die Hierarchie zwischen Vorgesetzten und Mitarbeiter aufgehoben ist, sondern er von Anfang an von Nathan benutzt wurde. Caleb wurde gezielt ausgewählt, Ava ist gemäß den Präferenzen auf den pornografischen Seiten, die er regelmäßig besucht, gestaltet worden und in Erfahrung gebracht werden sollte, ob es möglich sei, dass Ava – die Maschine – ihn Caleb – den Menschen mit Wissen über deren Künstlichkeit – manipulieren könnte. Plötzlich gibt es einen Stromausfall.

© 2015 Universal Pictures & A24

Deutung

In vielerlei Hinsicht erinnert die Geschichte an DER SANDMANN (1816) von E.T.A. Hoffmann. Im Unterschied zu der in seiner Zeit verbreiteten Begeisterung für Maschinen und Automaten, betrachtete Hoffmann menschenähnliche Figuren mit starker Skepsis. Vor allem erinnern sie die Menschen in der immer arbeitsteiliger werdenden Gesellschaft daran, wie fremdbestimmt sie in Wahrheit sind. Die Hauptfigur der Geschichte, Nathanael verliebt sich in Olimpia, ohne zu wissen, dass diese in Wahrheit eine Puppe ist. Nathanael agiert stellenweise selbst mechanisch wie ein Automat, was erklärt, dass er sich von einem künstlichen Wesen verstanden fühlt. Caleb in EX MACHINA öffnet sogar seine Pulsadern, um auszuschließen, dass er ein Android ist.

© 2015 Universal Pictures & A24

Auch Nathan lebt wie Caleb völlig allein und abgeschieden, die Androidin Kyoko (Sonoya Mizuno) in Ex MACHINA fungiert als seine Dienerin. Es scheint, dass die Technikaffinität beider Männer mit dazu beigetragen hat, dass sie kaum fähig sind, Beziehungen zu ihren Mitmenschen aufzubauen. Die Pandemie-Maßnahmen 2020 verschärfen derzeit noch die Tendenz, dass Menschen sich völlig in ihren Unterkünften isolieren, eine spärliche Kommunikation nur noch über das Internet erfolgt oder ein Verstorbener von niemanden vermisst, erst nach Wochen halbverwest in seiner Wohnung gefunden wird. Seit Beginn der Corona-Pandemie sind Zugriffe auf pornografische Seiten auch erheblich gestiegen und seit Jahren besteht vermehrt eine Nachfrage nach Sex-Robotern. In diesem Sinn ist Ava auch Produkt einer von der Mediengesellschaft gelenkten männlichen Phantasie.

© 2015 Universal Pictures & A24

Wenn zuerst Kyoko und später Ava auf Nathan einstechen oder wenn Ava Caleb hilflos und faktisch lebendig begraben zurücklässt, kann dies bei oberflächlicher Betrachtung sogar wie eine Befreiung von Frauen gedeutet werden. Doch auch dies wäre eine Manipulation des Betrachtenden: denn es handelt sich um einen Aufstand von Maschinen – vergleichbar dem 1920 erschienenen Theaterstück R. U. R., indem der Autor Karel Čapek auch den Begriff Roboter (robota bedeutet sinngemäß Zwangsarbeit) prägte.

Freiheit ist längst abgeschafft in einer Welt, in der die Internet-Suchmaschine Bluebook Zugriff auf die privatesten und sensibelsten Daten hat. Das Augen-Motiv bei Hoffmann – Beobachten und Beobachtet-Werden – ist vor allem in EX MACHINA präsent. Ebenso ist Nathans Haus ein Ort des Eingeschlossen- und auch des Ausgeschlossen-Seins. Caleb kann bestimmte Räume nicht betreten, sein eigenes, fensterloses Zimmer wirkt erdrückend. Wenn Ava allerdings – schon der Name ist eine deutliche Anspielung an die Genesis – mit einem Helikopter aus Nathans Anwesen und der grünen Wildnis in die ‚zivilisierte‘ Welt gebracht wird, hat dies auch Anklänge an die Vertreibung aus dem Paradies.

© 2015 Universal Pictures & A24

Wie DER SANDMANN ist auch EX MACHINA – der viele Erklärungen bewusst ausspart – als eine Warnung vor dem technisch Realisierbaren zu verstehen. Dass ein Android einen Menschen tatsächlich liebt, ist der Science-Fiction vorbehalten. Er hat keine Gefühle und er kann nicht Freude und Leiden mitempfinden und teilen.

© Stefan Preis

Weiterführende Literatur

  • Bendel, Oliver (2020): Maschinenliebe: Liebespuppen und Sexroboter aus technischer, psychologischer und philosophischer Perspektive. Wiesbaden.
  • Levy, David (2007): Love and Sex with Robots. The Evolution of Human-Robot Relationships. New York.
  • Otte, Johannes (2020): Erschöpftes Bewusstsein: Sichtbarkeit, Macht und Subjektivität in E.T.A. Hoffmanns „Der Sandmann“ und Alex Garlands „Ex Machina“. Marburg.
  • Völker, Klaus (Hrsg.) (1971): Künstliche Menschen. Dichtungen und Dokumente über Golems, Homunculi, Androiden und liebende Statuen. München.
Titel, Cast und CrewEx Machina (2015)
Poster
RegisseurAlex Garland
ReleaseKinostart: 23.04.2015
seit dem 03.09.2015 auf Blu-ray und DVD

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Trailer
BesetzungDomhnall Gleeson (Caleb)
Alicia Vikander (Ava)
Oscar Isaac (Nathan)
Sonoya Mizuno (Kyoko)
Corey Johnson (Jay)
DrehbuchAlex Garland
KameraRob Hardy
FilmmusikGeoff Barrow
Ben Salisbury
SchnittMark Day
Filmlänge108 Minuten
FSKAb 12 Jahren

Ein Gedanke zu „Ex Machina (2014) – Filmkritik“

  1. Danke für den Vergleich mit dem Roman der Sandmann. Den Aspekt finde ich durchaus treffend.
    Allerdings, Ihr Fazit teile ich nicht: „Dass ein Android einen Menschen tatsächlich liebt, ist der Science-Fiction vorbehalten. Er hat keine Gefühle und er kann nicht Freude und Leiden mitempfinden und teilen.“
    Woher wissen Sie dass Roboter keine Gefühle haben können? Ist dafür ein menschliches Gehirn notwendig? Warum? Was ist mit Tieren? Oder sind Sie Dualist?
    Der Film greift hier eine tiefgreifende und lange zurückgehende philosophische und inzwischen auch naturwissenschaftliche Debatte auf.

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