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Eternals (2021) – Filmkritik

„Superhelden-Entwicklungshilfe“

Was habe ich gepredigt, dass den Marvel-Filmen das Herz fehlt, das Gefühl für Kräfte abhandengekommen ist und es nur noch zu einem cliffhanger-esken Laser-Spektakel geworden ist. Es scheint als hätten die kreativen Köpfe der nächsten cineastischen Saga mein Meckern vernommen. Endlich weg von diesem ganzen menschlichen New-York-Comedy-Marken-Geballer. Nach SHANG-CHI AND THE LEGEND OF THE TEN RINGS (2021), der hauptsächlich auf den chinesischen Filmmarkt zugeschneidert ist, wird es mit ETERNALS international. Es sind Superhelden ohne zwanghafte Doppelidentitäten, sie sind gottesgleich und in ihre Hände fällt die Aufgabe die Menschheit voranzutreiben. ETERNALS wird den treuen Marvel-Fans sicher bitter aufstoßen. Aber für mich – die Zielgruppe, die sich kein Merchandise in Glasvitrinen stellt – ist es ein erwachsener Schritt in neue kosmische und vor allem unbekannte Sphären, was auch dem mythologischen Ursprung der Comicvorlage aus den 1970er Jahren zu verdanken ist.

© Marvel

Handlung

Das Universum liegt in den Händen der Celestials. Es sind Wesen, die ganze Planeten erschaffen können. In ihrem Auftrag reisen die Eternals, eine Gruppe von Außerirdischen mit übernatürlichen Kräften, zu den Zivilisationen auf den Planeten, um sie zu beschützen und in ihrer Entwicklung voranzutreiben. Zur Erde wird eine Gruppe von besonderen Bewachern mit erstaunlichen Superkräften entsandt: Die Anführerin „Prime Eternal“ Ajak (Salma Hayek), Ikaris (Richard Madden), Sersi (Gemma Chan), Thena (Angelina Jolie), Druig (Barry Keoghan), Kingo (Kumail Najiani), Phastos (Brian Tyree Henry), Gilgamesh (Don Lee), Makkari (Lauren Ridloff) und Sprite (Lia McHugh).

ETERNALS (2021)
© Marvel

Seit tausenden Jahren treiben sie die Menschheit aktiv in ihrer Entwicklung voran. Es ist ihnen aber untersagt bei internen Kriegen einzugreifen oder Partei zu ergreifen. Bei der außerirdischen, räuberischen Art, den Deviants, die ganze Völker vernichten und verschlingen, machen sie jedoch eine Ausnahme und zeigen all ihre Kräfte. In unserer Gegenwart führen die Eternals ein unauffälliges Leben, denn die Menschheit entwickelt sich technisch rasant weiter. Doch eines Tages tauchen die Deviants erneut auf und sind stärker als je zuvor.

© Marvel

Diversity check

Wenn man durch die Reihen des neuen Teams aus Superhelden schaut, fällt vor allem die Vielseitigkeit auf. Sicher auch im Interesse aktueller Diversity-Rules, aber die Gegensätze sind so vielzählig, dass es schon wieder spannend ist, wie sie, vor allem unter dem Aspekt des ewigen Lebens, zusammenfinden. Die Latina als Anführerin, eine Asiatin mit Kräften, die jede Art von Materie ändern kann, ein britischer Superman, ein zur ewigen Jugend verdammter Teenanger, ein homosexueller Erfinder, ein indischer Bollywoodstar, eine Kriegerin mit Demenz, ein buddhistischer Kämpfer und die taubstumme, schnellste Frau des Universums. Klingt als hätte man hier tief in die Vielseitigkeitskiste gegriffen, aber wir Erdlinge sehen nun einmal so verschieden aus und warum sollen es unsere gottesgleichen Bewacher nicht auch tun?

ETERNALS (2021)
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Die unterschiedlichen Superkräfte sind übersichtlich, manche recht offensichtlich bei DC von Comic-Autor Jack Kirby 1976 „geliehen“, aber das kann man dem Film ETERNALS nicht vorwerfen. Die meditative Stärke der Ewigkeit schwebt über den Charakteren. Wenige Worte müssen noch untereinander gesprochen werden, komplizierte tiefe Beziehungen haben sich verfestigt. Kumail Nanjiani als Kingo tritt als quirliger Superstar Indiens stark mit Witzen in den Vordergrund, die einen funktionieren, die anderen weniger. Persönlich hätte ich darauf verzichten können, denn die Stimmung gleicht eher einer meditativen Reise.

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Geschichtsunterricht und Empathie

In Rückblenden reisen wir durch die Geschichte unserer Zivilisation, betrachten die alten großen Völker in ihrer Herrlichkeit oder bei ihrem Untergang. Die Eternals dürfen sich bei Kriegen nicht einmischen, aber sollen die Weltbevölkerung voranbringen. Ein moralisches Dilemma, an dem die Gruppe zerbricht, aber auch ein grausamer Kreislauf zerbrochen wird, der am Filmende aufgeklärt wird. In den Rückblicken lernen wir die Figuren kennen, sehen ihre Schwächen oder Gefühle füreinander. Sonst wird im Fantasy-Genre sich meist am einfachen, sterblichen Menschen bedient, der auf einmal wie Alice im Wunderland in den Kaninchenbau kriecht. In ETERNALS bleiben alle, trotz wahnsinniger Superkräfte, auf Augenhöhe.

ETERNALS (2021)
© Marvel

Die Action wird aufs Wesentliche zurückgeführt und man kann sagen: ETERNALS ist der Marvelfilm, in dem die meisten Tränen vergossen werden. Zudem ist das große, unbekannte Ensemble so verletzlich wie noch nie. Es kann jeder durch die Deviants oder andere außerirdische Einflüsse sterben, denn offensichtliche Handlungsblaupausen sind kaum zu erkennen. Die Geschichte bewegt sich klar auf einen Showdown zu, der so minimalistisch und dennoch beeindruckend in seinem Setting ist, wie man es bei Marvel noch nie gesehen hat. Zudem stehen sich im Finale drei konkurrierende Parteien mit verschiedensten Zielen gegenüber, was die Kampfdynamik noch einmal auf ein völlig neues Level bringt, kein Team Tony Stark und Team Captain America aus CIVIL WAR. Durch die intensive Betrachtung der Figuren, in ihren Gesprächen und ihrem Handeln, nicht durch die Art ihrer Kämpfe, entsteht eine Verbindung zu den Protagonisten, die sonst nur Schauspieler mit enormem Charisma im Superheldenfilm erzeugen konnten.

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Nichts für jeden

Man darf sich sicher sein, dass ETERNALS seine Zuschauerinnen und Zuschauer in zwei Lager spalten wird. Die einen werden die Verbindung zum alltäglichen Leben, was die Marvel-Comics wie auch die Filme stets ausgezeichnet haben, vermissen. Schauspieler der A-Liga fehlen fast gänzlich und auch die spektakulären Actionsequenzen sind auf ein Minimum runtergefahren. Für die anderen, zu denen ich mich zähle, ist es wohl der konsequenteste Marvel-Film, was auch der Regisseurin Chloé Zhao zu verdanken ist.

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Superhelden kommen nun einmal nicht zwingend von der Erde. Dem ganzen „Auch du kannst ein Superheld werden“ Gerede konnte ich nie etwas abgewinnen. Die Eternals sind allmächtige Figuren, leben schon seit vielen Jahrtausenden auf der Erde und gerade in ihrer Einfachheit der Kräfte, liegt ihre Stärke. Ihre Welt ist strikt geometrisch vereinfacht, das beginnt beim dreieckförmigen Monolith-Raumschiff und endet in den golden Verbindungsdrähten im Finale. Wenn man Kritik üben darf, dann dass die gegnerischen Deviants mit ihrer animalischen Art zu simpel gestrickt sind. Eine stärkere und höher entwickelte Art der Jäger (siehe PREDATOR) hätte ETERNALS mehr Spannung verliehen, die manchem bei den 157 Filmminuten sicher abhandenkommt.

ETERNALS (2021)
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Fazit

Ich fühle mich bei den ETERNALS gut aufgehoben. In ihrer kosmischen, meditativen Art sind sie vielleicht der Neustart, denn das Marvel-Film-Universum braucht. Es bleibt nur die Frage, ob den Zuschauern die offensichtliche Distanz zum eigenen Dasein und dem konsumreichen Leben – ich mag dich Tony Stark, aber du verkörperst nun einmal den Kapitalismus par excellence – fehlen wird. Aber vor allem beweist die Gruppe mehr Menschlichkeit, die man bei sich selbst hin und wieder vermisst. Und der Mensch mag es nun einmal nicht, wenn er mit seinen eigenen moralischen Defiziten konfrontiert wird. ETERNALS: Für die einen arrogante Überwesen und für die anderen menschliche Helden aus einem unbekannten Universum.

© Christoph Müller

Titel, Cast und CrewEternals (2021)
Poster
RegieChloé Zhao
ReleaseKinostart: 03.11.2021
ab dem 03.12.2021 auf UHD, Blu-ray und DVD

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Trailer
BesetzungGemma Chan (Sersi)
Richard Madden (Ikaris)
Angelina Jolie (Thena)
Salma Hayek (Ajak)
Kit Harington (Dane Whitman)
Kumail Nanjiani (Kingo)
Lia McHugh (Sprite)
Brian Tyree Henry (Phastos)
Lauren Ridloff (Makkari)
Barry Keoghan (Druig)
Ma Dong-seok (Gilgamesh)
Harish Patel (Karun)
DrehbuchChloé Zhao
Patrick Burleigh
Ryan Firpo
Kaz Firpo
FilmmusikRamin Djawadi
KameraBen Davis
SchnittDylan Tichenor
Craig Wood
Filmlänge157 Minuten
FSKAb 12 Jahren

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