Zum Inhalt springen
Das "Electric Cinema" in London

Eine Revolution, die keiner will – Kinotechnik

„Warum wir Kinotechnik bekommen, die keiner will!

Das Kino ist nun schon weit über hundert Jahre alt. Technische Sprünge, wie der Farb- oder Tonfilm, hatten viel Kritik zu verdauen, aber auch viel Vertrauen zu schaffen und Gewohnheiten zu erzeugen. Als 1895 auf einer Kinoleinwand ein Zug zu sehen ist, der in einen Bahnhof einfährt – in schwarz/weiß, ohne Ton und mit dem Kontrastwert von Schneegestöber – sollen Menschen vor lauter Angst den Saal verlassen haben. Zu real war die Projektion für die angehenden Kinozuschauer. Die Meisten sind aber sitzen geblieben und konnten nicht genug bekommen und wollten mehr. Mehr Realität, mehr Erleben und mehr Emotionen.

Ein weitere Kriese

Kurz nach der Jahrtausendwende hatte sich die Kinobranche wieder einmal eingeredet in der Krise zu stecken. Die analogen Projektoren mussten weg. Die Filmkopien auf Celluloid waren viel zu teuer. Das muss doch auch alles digital gehen?! Aber wie verkaufen wir den Lichtspielhäusern am besten diesen teuren Umbau zur digitalen Projektion, neuen Servern und Kinoleinwänden? Die Filmbranche schaut bei der Ideenfindung immer lieber in die eigene Vergangenheit, als in eine sinnvolle Zukunft. Da gab es doch etwas? Ach ja 3D. Genau, und die Branche legt fest: Das geht ab sofort nur digital. Die Kinobetreiber können für diesen „Mehrwert“ einen 3D Zuschlag verlangen. Somit gelangt mehr Geld in die Kinokasse und automatisch mehr Geld an die Filmstudios. Ob das 3D Kinoerlebnis von den Zuschauern gewünscht ist, stand nicht zur Diskussion (Die Filmhistorie sagt nein: Es gab immer wieder Anläufe Filme dreidimensional zu zeigen, die sich aber nicht durchsetzen konnten.) Hauptsache es wird digital. Und der Kinogänger wurde zur Kasse gebeten. Es wurden so gut wie keine 2D Alternativen im Programm angeboten bzw. erst nach vielen Wochen in zu kleinen Sälen. Um dem Zuschauer noch weniger Auswahl zu lassen, wurde alles, was unter der Sparte Unterhaltungsfilm lief, gnadenlos in 3D gezeigt. Ob es nun „richtiges“ 3D war oder schlechtes Nachbearbeitetes, solang die drei Euro extra grummelig vom Kinobesucher gezahlt werden, war es egal. Die wenigen übrig gebliebenen analogen Filmkopierwerke liefen durch den selbst erzeigten Engpass auf Hochtouren. Die Digitalisierung der Projektorräume in Deutschland ging zu langsam voran. Die 35mm Kopien, die im Schnellverfahren hergestellt wurden, verdienten diesen Namen nicht mehr. Ein Ton wie aus der Gruft und Farbsprünge zwischen den Filmakten, dass einem ganz schwindelig wurde. Selbst als Filmvorführer sehnte man sich dem digitalen Projektionszeitalter entgegen, dass die Zuschauer zumindest wieder durchgängig scharfe Bilder mit gutem Sound für ihr Geld bekamen. Auch wenn dieser Wunsch den eigenen Job kosten wird. Es gibt in großen Städten noch ausgewählte Filmvorführungen von 35mm Filmkopien und Sondervorstellung auf 70mm, wie in „Mord im Orient-Express“ oder  „Dunkirk“

Aktueller Stand von 3D Filmen im Kino

Nun ist seit über 10 Jahren 3D ein „etabliertes“ Kinohandwerk geworden. Die Projektionsräume sind menschenleer. Filme starten vollautomatisch mit Playlisten, ob nun Zuschauer im Saal sitzen oder nicht. Es gibt nur noch einzelne Proteste der Kinogäste den Euro für die 3D Brille zu zahlen. Die Anzahl der 3D Filme ging erheblich wieder nach unten, so dass „nur“ noch zwei bis drei 3D Filme im Monat zu bestaunen sind. Die 3D-Filme auch in einer 2D-Version anzubieten, bleibt nur den Animationsfilmen vergönnt. Ein Wunder, dass hier nicht auch noch die Gier gesiegt hat und den 6jähigen Kinogängern gnadenlos die 3D Brille aufgezwungen wird. Eine fehlende 2D-Version ist sicherlich auch dem immensen Filmoutput in den letzten Jahren zu verdanken. Jede Woche starten 5-8 neue Filme in den deutschen Kinos. Bei einem durchschnittlichen Multiplex mit ca. 9 Sälen könnte man so viele Filme nur zwei Wochen im Programm spielen. Jedoch hat die  Digitalisierung auch einen Vorteil mit sich gebracht: Das Kinoprogramm lässt sich variabler gestalten, die analoge Filmmiete entfällt und so können im genannten Durchschnittskino bis zu 30 verschiedene Filme gezeigt werden. Dass der Film, den man gerne sehen möchte, dann nicht mit dem eigenen Terminkalender konform geht ist leider eine andere Geschichte. Aktuelles Beispiel: Transpotting 2 ist in seiner 2. Spielwoche schon aus der Abendvorstellung verschwunden. Filme wie „Arrival“, die sich über viele Wochen wirklich gut in den Kinos halten und konstant viele Zuschauer haben sind jedoch sehr selten.

Möglichkeiten die Ungenutzt bleiben

Es ist die 67. Berlinale und ich sitze zum 4. Mal in der Dolby Atmos® Master Class. Dolby Atmos® ist ein Tonsystem was ebenfalls Lautsprecher in der Decke ansteuern kann. Außerdem werden die Surroundkanäle fließend von hinten bis zur Centerbox hinter die Leinwand geführt. Somit können Töne durch das Kino „gezogen“ werden. Jedes Jahr sind die vorgestellten Szenen, die in Dolby Atmos® abgemischt sind, ein beeindruckendes Kinoerlebnis was schwer in Worte zu fassen ist. Und jedes Jahr frage ich mich warum wir dieses Abzocke-3D ertragen und nicht dieses Tonsystem genießen? Die Antworten werden auch von den anwesenden Sound-Designern vor Ort genannt: Die Studios sehen nicht den finanziellen Mehrwert ein Tonstudio zu bezahlen, um eine Dolby Atmos® – Abmischung zu machen. Sie können diese Extrakosten in der Produktion nicht dem Zuschauer wieder aus der Tasche ziehen und die Kinos werden sich hüten eine 6stellige Investition pro Kinosaal für eine Atmos-Anlage zu tätigen ohne eine Refinazierung über erhöhte Kinokartenpreise. Es scheint ein Dilemma der Wirtschaftlichkeit. Aber ein viel größeres Problem ist der passive Kinozuschauer. Diesem fällt eher ein unscharfes Bild auf, als eine defekte Lautsprecherbox. Viele Jahre der schlechten Kinoakustik haben ihn abstumpfen lassen. Mp3s mit schlechten Kopfhörern vom Smartphone zu hören, liesen die eigenen Ohren verkümmern. Es gibt absurderweise auch die andere Art von Kinogast, der bei Dialogszenen in Filmen verwundert ist, warum keine Geräusche aus den hinteren Boxen zu hören sind. Diese „Techniker“ sind Opfer ihrer eigenen schlecht eingestellten Heimkinoanlagen geworden.

Ich möchte in einem Kino guten Sound hören, ein helles kontrastreiches Bild sehen und keine 3D Brille auf meiner Nase. Das räumliche Bild entsteht in meiner Fantasie und braucht keine hochpreisigen optischen Hilfsmittel. Die Akustik ist jedoch etwas für den Körper und somit für das Erleben.

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert