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Durch die Wand 2018 Film Review

Durch die Wand (2018) – Filmkritik

„The Dawn Wall“

Eines vorweg: Dieser Titel ist in der deutschen Veröffentlichung etwas unglücklich gewählt, denn im amerikanischen Original heißt die Kletter-Dokumentation THE DAWN WALL. Dies ist nämlich der Name des Felssegments im Yosemite-Nationalpark, Kalifornien. Die „Dawn Wall“ ist der Abschnitt des El Capitan, einem fast 1000 Meter hohen Granitmassiv in einer beeindruckenden grünen Schlucht, auf welchen bei Tagesanbruch zuerst das Sonnenlicht fällt. Um sich die Morgensonne ins Gesicht scheinen zu lassen, will Tommy Caldwell die Dawn Wall als Erster frei klettern. Das bedeutet, diese Wand mit der Struktur einer Raufasertape nur mit Hilfe seines Körpers hinaufzuklettern ohne Leitern und ohne Hochziehen am Seil. Das mitgebrachte Material dient ausschließlich zur Sicherung des eigenen Lebens. Aber bis man sich diese extrem schwere und ausdauernde Route als abgehakt eintragen kann, ist es ein langer Weg voller Zweifel, hartem Training und Schicksalsschlägen.

Durch die Wand 2018 Film Review
Kevin Jorgeson in der schwierigsten Seillänge (Nr. 15: 5.14d | 9a | 11) // © Photo Corey Rich

Inhalt

Die Dokumentation DURCH DIE WAND befasst sich nicht nur mit der Begehung einer der schwersten Kletterrouten der Welt, sondern auch mit dem Initiator, der es sich in den Kopf gesetzt hat, diese zu klettern: Tommy Caldwell. In seiner Jugend mit viel Talent gesegnet, einer starken Vaterfigur, die ihm das Klettern näherbringt und wenig Interesse an schulischem Lernstoff ausgestattet, reißt Tommy Mitte der 90er Jahre eine schwere Route nach der anderen nieder. In dieser Zeit trifft er auf sein weibliches Pendant: Beth Rodden. Beide verlieben sich ineinander und verbringen ihre komplette Zeit mit dem Klettern. Doch das Schicksal macht eine Expedition in Kirgisistan zu einem Alptraum und beide müssen sich in jungen Jahren mit Ängsten plagen, die nicht jeder überwinden kann. Für Tommy sind die Wände des El Capitan seine Art der Therapie. Nachdem er und Beth getrennte Wege gehen, versucht er seine Emotionen in ein Projekt zu stecken: Als Erster die DAWN WALL frei zu klettern. Zu jener Zeit als unmöglich bezeichnet, sucht Tommy die Risse, Spalten und Strukturen in der extrem hohen Wand, um sie zu einer Route zu verbinden. Ein Projekt über viele Jahre, welches ihm aber nur mit dem richtigen Kletterpartner gelingen kann: Kevin Jorgeson.

Durch die Wand 2018 Film Review
Tommy Caldwell, January 2015 // © Photo: Bligh Gillies of Corey Rich Productions

Feuchte Hände garantiert

DURCH DIE WAND gelingt es für beide Zielgruppen interessant zu bleiben. Für den Kletterer, der immer wieder über die Jahre von dem Projekt gehört, Kurzfilme auf Outdoor-Filmfestivals gesehen hat und von dieser schönsten Art seine Freizeit zu verbringen, besessen ist. Aber auch für jene, die mit diesem Sport noch nicht verheiratet sind, vielleicht ein paar Mal in der Kletterhalle waren oder sich für viele Natursportarten begeistern können, bietet diese Dokumentation 100 spannende und ergreifende Filmminuten. Vielleicht driftet der Inhalt etwas von dieser extrem schweren Kletterroute zu sehr auf die Biografie von Tommy Caldwell ab. Sein Leben ist jedoch so ereignisreich, dass man dann doch ins Staunen kommt und begreift, was es bedeutet mit voller Leidenschaft Profikletterer zu sein.

Durch die Wand 2018 Film Review
Kevin Jorgeson im 366 Meter hohem Portaledge. Nach 19 Tagen an der Wand konnten Tommy Caldwell und Kevin Jorgeson „The Dawn Wall“ (VI 5.14d) als Erste frei klettern, January 14, 2015 // © Photo Corey Rich

Sein Kletterpartner Kevin Jorgeson kommt hier etwas zu kurz, was aber auch in Ordnung ist, denn nicht jeder möchte sein Privatleben den Medien präsentieren. Der Regisseur Josh Lowell schafft sogar eine medienkritische Perspektive zum Thema. Dieses absurde, mediale Interesse der vielen Fernsehsender am Projekt, welches durch einen New-York-Times-Artikel losgetreten wurde, bekommt ein solches Level, dass man erkennt, wie wenig sich Reporter für die eigentliche Thematik interessieren. Wenn nach einem wilden Nachrichtenzusammenschnitt voller oberflächlicher Moderatorensprüche, die beiden Jungs wieder in ihren Zelten in 500 Meter Höhe sitzen, die Aussicht genießen, bekommt man einen Hauch davon mit, warum sie es tun. Tommy sagt in einem solchen Moment ganz treffend: „Warum kann man nicht für immer hierbleiben? Da draußen wird nur alles wieder so kompliziert.“

Durch die Wand 2018 Film Review
Medienrummel von El Capitain, January 2015 // © Bligh Gillies of Corey Rich Productions

Nicht direkt ein Kletterfilm

Kletterern wird Josh Lowell mit seinen Filmen wie KING LINES und PROGRESSION ein Begriff sein. Er selbst ist auch Kletterer, kennt die Top-Athleten und bringt mit viel Gefühl die Passion für diesen Sport in seine Filme. Bei DURCH DIE WAND ist es ihm nicht mit seinem bekannten Sport-Video-Stil gelungen, sondern mit einer guten Geschichte, die nur das Leben so schreiben kann. Deswegen fährt er mit seiner visuellen Kreativität in dieser Dokumentation etwas zurück, was er leider auch bei seinen sonst immer perfekten Soundtracks tut, und lässt Platz für die Felswände von Yosemite.

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Regisseur und Kamermann Josh Lowell bei der Arbeit // © Photo: Corey Rich

Welch Aufwand hinter dieser Filmproduktion steckt, die beiden in der Wand zu filmen, den gelingenden Versuch auch aufzunehmen und zudem noch ein paar zwischenmenschliche Momente zu erwischen. Und das alles in lebensgefährlicher Höhe, nur an Seilen gesichert und mit dem windigen Winter von Kalifornien im Rücken. Da kann man nur vor Respekt seinen Hut vor dieser Leistung auch hinter der Kamera ziehen. Josh Lowell ist es gelungen durchzuhalten und motiviert dabeizubleiben, auch wenn er Tommy und Kevin immer wieder jedes Jahr beim Scheitern begleitete.

Durch die Wand 2018 Film Review
The Dawn Wall, Yosemite National Park, California, January 2015, © Brett Lowell of Big UP Productions

Fazit

Ein ehrfürchtiges Filmprojekt über zwei Kletterer, die eine der schwersten Klettertouren der Welt bezwingen. Mit viel Einfühlvermögen lernt man zwei Menschen kennen, die ihre Leidenschaft zu ihrem Leben gemacht haben und eine Lebensweisheit wird für jeden, der sich auf DURCH DIE WAND einlässt, auch noch geboten: Was nützt einem der größte Triumph, wenn man ihn nur allein feiern kann?

Die Blu-ray

Durch die Wand 2018 Film Review
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Die Blu-ray bringt perfektes Bild und Ton auf den heimischen Bildschirm. Die Empfehlung liegt auf dem Originalton, es ist jedoch auch eine deutsche Synchronisation enthalten. Wenn man sich dann wünscht, diese Schluchten auf der Kinoleinwand gesehen zu haben, bekommt man 45 Minuten Bonusmaterial zum Trost geboten. Diese nehmen bestimmte Aspekte der DAWN WALL noch einmal unter die Lupe. Vor allem den Erstversuch von 2010 sollte man sich anschauen, wer es noch nicht bei den bekannten Festivals, wie E.O.F.T. oder BANFF Mountain Film Festival, gesehen hat, kann dies hier nachholen. Dies ist eine Veröffentlichung von Studio Hamburg, die nicht nur für passionierte Kletterer immer wieder im Player landen wird.

Titel, Cast und CrewDurch die Wand (2018)
OT: The Dawn Wall
Poster

Release
ab dem 11.01.2019 auf Blu-ray erhältlich
Bei Amazon kaufen (Affiliate Link)
RegisseurJosh Lowell
Peter Mortimer
Trailer
DarstellerTommy Caldwell
Kevin Jorgeson
KameraCorey Rich
Brett Lowell
SchnittJosh Lowell
Filmlänge100 Minuten
FSKab 6 Jahren

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