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Dune: Part Two (2024) – Filmkritik

„Wüstenmacht“

Vorstellungskraft ist eine mächtige Fähigkeit. Wem es gelingt über seine eigene Realität hinauszudenken, der ist gänzlich frei und ohne Grenzen. Für so etwas braucht es jedoch Zeit und Ruhe – Ressourcen, die heute gern von Ablenkungen aufgezehrt werden. Der Science-Fiction-Film führt uns Ideen vor Augen, die zu funktionalen und gesellschaftlichen Zukunftsvisionen heranwachsen. Viele Künstlerinnen und Künstler erzählen zu viel oder besitzen nicht genug Fantasie solche Welten zu schaffen. Aber auch wir als Publikum sind schwer in den Bann einer fremden Welt zu ziehen, denn hier muss sich bei der Erzählung eine Balance aus Vorgaben und eigenem Mitdenken einstellen. Zuschauerinnen und Zuschauer, die aktiv einen Film mitdenken, mitfühlen und miterleben, werden erst wirklich die eigene Realität hinter sich lassen können und per cineastischem Wurmloch in ein anderes Universum hineingezogen. Und nach dem Abspann ist alles anders. Das eigene Dasein ist viel konkreter, ruhiger und fokussierter – in unserer Zeit der Polykrisen ein Geschenk. DUNE: PART TWO ist ein solches Geschenk, für die, die es annehmen wollen und für knapp drei Stunden die Dunkelheit eines Kinosaals aufsuchen.

© 2023 Warner Bros. Entertainment Inc. All Rights Reserved.

Handlung

Das Erbe von Paul Atreides (Timothée Chalamet) liegt in Trümmern. Sein Vater und sein Volk wurden hinterhältig in der Stadt Arrakeen auf dem Wüstenplaneten von den Harkonnen niedergemetzelt. Dies gelang dem Baron (Stellan Skarsgård) mit Hilfe und der Erlaubnis des Imperators Shaddam (Christopher Walken). Doch Paul muss mit seiner Mutter Lady Jessica (Rebecca Ferguson) erst einmal um das eigene Überleben in der Wüste kämpfen. Der erste Schritt ist gemacht und beide wurden in der Fremen-Gruppe um Stilgar (Javier Bardem) aufgenommen. Für Rache ist es noch nicht an der Zeit, zuerst müssen sie sich einen gesellschaftlichen Weg in das verschlossene Volk der Fremen bahnen. Doch die Bene Gesserit haben bereits seit vielen Jahrhunderten eine Prophezeiung des Mahdi in das Wüstenvolk sickern lassen. Einige sehen in Paul bereits den Führer in das grüne Paradies, andere glauben nicht daran. Vor allem junge Fremen sind skeptisch gegenüber den Geschichten, darunter ist auch Chani (Zendaya). Sie ist diejenige, die Paul schon vielfach in seinen Träumen gesehen hat. Doch zuerst heißt es, die Bräuche der Fremen zu lernen, dann ist die Zeit für Rache an den Harkonnen und dem Imperator.

© 2023 Warner Bros. Entertainment Inc. All Rights Reserved. Photo Credit: Niko Tavernise

Vision oder Prophezeiung

Immer wieder werden wir in die Zukunftsvisionen von Paul Atreides versetzt, manche sind grausam, manche voller Liebe, keine ist eindeutig. Hier beginnt bereits DUNE: PART TWO seine Stärke auszuspielen – aktives Mitdenken seines Publikums. Wie könnte die Zukunft aussehen? Welcher Weg führt zum Sieg und welcher ist gefährlich? Aber auch gleich die erste Actionszene ist voll elegantem, visuellem Storytelling. Eine Gruppe von Harkonnen ist auf der Suche nach Fremen und trifft auf die Gruppe von Stilgar, die sich zu verteidigen weiß. Ein Wechselspiel aus Perspektiven und Stärken setzt ein. Wer wird die Oberhand gewinnen? Solche Szenen gibt es immer wieder im Partisanenkampf um die Erntemaschinen der Unterdrücker. Taktik, Geschick und Überraschung zeichnen die effizienten Szenen aus, die – auch wenn kurz– extrem nervenaufreibend sind.

© 2023 Warner Bros. Entertainment Inc. All Rights Reserved. Photo Credit: Niko Tavernise

Regisseur Denis Villeneuve hält sich nach wie vor an die Devise: Weniger ist mehr. Auch wenn der zweite Teil mit 165 Minuten noch einmal deutlich länger ist als sein Vorgänger DUNE: PART ONE (2021), ist keine Minute langatmig oder zu viel. Jede Szene ist entweder für die spirituelle Dimension der Fremen wichtig oder bringt die Spannung der Gesamthandlung voran. Selbst die Momente mit Lady Jessica, die dank des „Wasser des Lebens“ zur ehrwürdigen Mutter der Fremen aufsteigt und die Prophezeiung des Mahdi in den verborgenen Städten, den sogenannten Sietch, weiter vorantreibt, sind aufmerksam und philosophisch gefilmt wie auch erzählt. Beim Buch ließ das Interesse bei diesem Handlungsstrang immer etwas nach, aber DUNE 2 zeigt in den Gesprächen der Mutter zu ihrer ungeborenen Tochter mit biologischen Bildern, welch schmaler Grat es ist, spirituell erleuchtet zu sein oder mit Drogen psychedelisch zu fantasieren.

© 2023 Warner Bros. Entertainment Inc. All Rights Reserved. Photo Credit: Niko Tavernise

Der Kampf

Diese Science-Fiction-Welt in 8.000 Jahren hat sich der Entwicklung von künstlicher Intelligenz verweigert. Der Mensch wird in seiner Evolution und seinen Fähigkeiten vorangetrieben. Das zeigt sich nicht nur im Geburtenplan der Bene Gesserit sondern auch in der Kampfkraft. Es gibt immer wieder Waffen mit enormer Vernichtungskraft, aber der Kampf jedes Einzelnen steht im Mittelpunkt. Das Kräftemessen wird auf Messerkämpfe heruntergebrochen. Ein tödlicher Klingenkampf, der im Mittelteil mit einer Schwarzweiß-Sequenz auf Gidius Prime mit dem soziopathischem Feyd-Raudha Harkonnen (Austin Butler) noch einmal untermauert wird, ist immer die letzte Konfliktinstanz.

© 2023 Warner Bros. Entertainment Inc. All Rights Reserved.

Vor allem in den Actionszenen wird deutlich, welcher Gewinn ein durchdachtes und originelles Sound-Design ist. Während im gängigen Blockbusterkino die beliebtesten Soundeffekte hoch und runtergeleiert werden, hat sich Mark Mangini und Theo Green auf einen natürlichen und ungewöhnlichen Klang fokussiert. Greig Frasers Kamera und Patrice Vermette künstlerische Vorarbeit mögen vielleicht zuerst bei DUNE: PART TWO ins Auge fallen, aber was einen so richtig in den Kinosessel drückt, ist das Sound-Department verstärkt durch die Filmmusik von Hans Zimmer. Action ist hier nicht nur überdrehte Choreografie, sie ist das, was sie in der Realität auch ist, eine Kraft, die alle Sinne in Beschlag nimmt.

Die Liebesgeschichte

Um DUNE 2 nicht zu technisch, gewalttätig oder religiös erscheinen zu lassen, gibt es auch Menschliches zu erleben. Die Liebesgeschichte zwischen Chani und Paul erhält viel Platz bei den Filmminuten wie auch die Aufnahme von Paul im Kreise der Fremen. Das Training, welches er absolvieren muss, ist fast fröhlich und Javier Bardem als Stilgar findet immer wieder sympathische Nuancen, wenn der ganze epochale Überbau hin und wieder etwas zu steif daherkommt. Die Romanvorlage von Frank Herbert folgt einem männlichen Narrativ aus den 1960er-Jahren und da wurde weniger an Gleichberechtigung gedacht, wie es heute der Fall ist. Regisseur Villeneuve lässt hin und wieder solche Strukturen hinter sich und versucht weitestgehend einen zeitgenössischen Blick aufblitzen zu lassen. Hervorragend sind auch zwei wichtige weibliche Nebenrollen besetzt: Florence Pugh als Imperator-Prinzessin Irulan und Léa Seydoux als Lady Margot Fenring.

© 2023 Warner Bros. Entertainment Inc. All Rights Reserved. Photo Credit: Niko Tavernise

Das gelingt im Rahmen einer Geschichte um einen männlichen Propheten, der den Mord an seinem Vater rächen will, um sein Geburtsrecht zurückzuerlangen, nur bedingt. Dieses Abwägen passt aber auch hervorragend zum Zögern des Protagonisten zwischen prophetischen Fußstapfen und einem zurückgezogenen Fremenleben. Die Entscheidung ist hart, voller Konsequenzen, was das Ende wunderbar unterstreicht.

Denn DUNE 2 bleibt ein Kampf unter dem Adel, den Herrschenden, den Eliten. Das Volk hat zu dienen, sich die Kehle aufschneiden zu lassen oder im Märtyrertod zu sterben. Das ist eine weitere Stärke des Films, hin und wieder Zwischentöne in diesem Mächtemessen zu finden und zu zeigen, welchen Preis man dafür zahlt.

© 2023 Warner Bros. Entertainment Inc. All Rights Reserved.

Fazit

DUNE: PART TWO ist das Science-Fiction-Epos an dem sich zukünftige Kinofilme messen werden müssen. Für eine solch präzise filmische Hingabe zu einem komplexen Roman, kann man sich nur dankbar zeigen. Und das Beste ist, der Kampf um den Wüstenplaneten ist noch nicht entschieden.

© Christoph Müller

Gesehen auf einer Pressevorstellung am 26.02.2024

 

Titel, Cast und CrewDune: Part Two (2024)
Poster
RegisseurDenis Villeneuve
ReleaseKinostart: 29.02.2024
Trailer
BesetzungTimothée Chalamet (Paul Atreides)
Zendaya (Chani)
Rebecca Ferguson (Lady Jessica)
Stellan Skarsgård (Baron Harkonnen)
Javier Bardem (Stilgar)
Dave Bautista (Glossu Rabban)
Josh Brolin (Gurney Halleck)
Charlotte Rampling (Ehrwürdige Mutter Mohiam)
Stephen Henderson: (Thufir Hawat)
Austin Butler (Feyd-Rautha Harkonnen)
Florence Pugh (Prinzessin Irulan)
Christopher Walken (Imperator Shaddam IV.)
Léa Seydoux (Lady Margot Fenring)
Souheila Yacoub (Shishakli)
Anya Taylor-Joy (Alia Atreides)
DrehbuchDenis Villeneuve
Jon Spaihts
Craig Mazin
Drehbuchbasiert auf dem Roman DER WÜSTENPLANET von Frank Herbert
FilmmusikHans Zimmer
KameraGreig Fraser
SchnittJoe Walker
Filmlänge165 Minuten
FSKAb 12 Jahren

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