Zum Inhalt springen

Dune: Part ONE (2021) – Filmkritik

„Reduktion auf das Wesentliche“

Es gibt sie noch, die Filme, denen ein Perspektivwechsel auf das eigene Dasein gelingt. Nicht die Unterhaltung und das Vergessen von Alltagsproblemen stehen im Vordergrund, man macht einen gedanklichen Schritt in eine unbekannte Richtung. DUNE: PART ONE ist eine solche cineastische Reise, nach der man nicht mehr derselbe ist wie zuvor. Und es ist nur der Beginn eines neuen Science-Fiction-Filmkosmos mit vielen beeindruckenden Facetten des Wüstenplaneten Arrakis und dem imperialen Wettstreit konkurrierender Häuser in einem von Intrigen und Prophezeiungen durchsetzten Universum. DUNE: PART ONE kehrt, auch dank der sehr treu behandelten Buchvorlage von Frank Herbert, zu dem fast vergessenen klassischen Science-Fiction-Film im Kino zurück, der sich auf das Wesentliche beschränkt und nicht mit digitalen Feuerwerken ablenkt. Funktion steht vor Spektakel und das sind vor allem die Eigenschaften der Arbeiten von Regisseur Denis Villeneuve (SICARIO, BLADE RUNNER 2049). Kein Wunder, dass nach diversen Versuchen nun endlich die Geschichte des „Lisan al-Gaib“, der Messias von Arrakis, eine konkrete, stark visuell erzählerische Stimme erhält. Der Roman mag aus den 1960er-Jahren nicht der neuste sein, aber die enthaltenen Konflikte und Sinnfragen brennen mit ihrem narrativen Laserstrahl selbst heute noch Löcher in die Themen unserer Gesellschaft.

© 2020 Warner Bros. Entertainment Inc. All Rights Reserved. Photo Credit: Chiabella James

Handlung

Im Jahr 10191, das bekannte Universum ist in unterschiedliche Adelshäuser aufgeteilt. Die konkurrierenden Familien werden unter der Herrschaft des Imperators im Gleichgewicht gehalten, gefördert oder unterdrückt. Das Haus Atreides mit Herzog Leto (Oscar Isaac) als Oberhaupt ist durch einen Befehl des Imperators gezwungen den grünen Heimatplanet Caladan zu verlassen und ab sofort auf dem Wüstenplaneten Arrakis zu regieren. Dort wird das wertvolle Gewürz, das Spice, aufwändig aus dem Wüstensand gewonnen. Das Gewürz ist eine psychotische Droge. In kleinen Mengen wird es von den Gildenavigatoren benötigt, um durch den Hyperraum zu steuern. Außerdem wird der kostbaren „Melange“ eine prophetische Wirkung nachgesagt. Leto reist mit seinem Sohn Paul (Timothée Chalamet), seiner Konkubine Jessica (Rebecca Ferguson) und tausenden Soldaten nach Arrakis, um die Gewinnung des Gewürzes zu beaufsichtigen. Der Planet wurde 90 Jahre vorher vom befeindeten Haus der Harkonnen grausam ausgebeutet und dementsprechend zurückgelassen. Die Hinweise auf eine epochale Falle für das Haus Atreides werden immer deutlicher, doch dann ist es bereits zu spät.

DUNE (2021)
Lady Jessica Atreides (Rebecca Ferguson) und Leto Atreides (Oscar Isaac) // © 2020 Warner Bros. Entertainment Inc. All Rights Reserved. Photo Credit: Chiabella James

Die Sünden in der Zukunft

Wie wurde es in einer Science-Fiction-Serie so treffend einmal gesagt: Es bringt nichts, wenn die Menschen von ihrem verseuchten Heimatplaneten auf einen anderen fliehen. Die Sünden und schlechten Eigenschaften haben sie stets im Gepäck dabei.

Dies gilt auch für DUNE: PART ONE, der gut 8.000 Jahre in der Zukunft spielt, aber dennoch mit den Fehlern der Menschen umgehen muss, die wir heute noch so gut kennen. Allem voran die Gier nach Macht lässt Völker gegeneinander antreten. Spannend ist vor allem, dass dieser Kampf in DUNE im Großen wie auch im Kleinen geführt wird. Intrigen, Spione oder insektengroße Attentäter lauern innerhalb der führenden Persönlichkeiten der Adelshäuser. Ein Gift an die richtige Person verabreicht und das Kartenhaus der strengen Hierarchie kann zusammenbrechen.

Eine Armee aus Sardaukar Kriegern // © 2020 Warner Bros. Entertainment Inc. All Rights Reserved.

Dem gegenüber stehen die unvorstellbar großen Raumschiffe, Fregatten, Soldatenlegionen und vernichtenden Waffentechniken mit biblischen Ausmaßen. In unserer Welt denkt man noch in Ländergrenzen, in der Welt von DUNE denkt man in Planetengrößen. Diese beiden Fronten – Verrat innerhalb der eigenen Reihen von Herzog Leto und eine epochale Schlacht – finden ungewöhnlicherweise ihren Drehbuchklimax ziemlich genau in der Filmmitte. Für so etwas muss der durchschnittliche Blockbusterkonsument bereit sein. Denn danach ist der Weg, wie auch für den Protagonisten Paul, schwer vorhersehbar.

Duncan Idaho (Jason Momoa) // © 2020 Warner Bros. Entertainment Inc. All Rights Reserved. Photo Credit: Chiabella James

Religion und Vorhersehung im Setdesign

Die orientalischen Kulturen sind in DUNE unverkennbar, was ebenfalls der Romanvorlage zu verdanken ist. Die Optik, aber auch das Setdesign ist fein minimalistisch abgestimmt. Es werden nicht die Räume mit Requisiten vollgestellt, sondern die Architektur der Räume gibt die Stimmung vor. Besonders das Licht, welches sich vom Heimatplanet Caladan der Atreides mit viel Regen, Flüssen und Wiesen zur Wüstenwelt von Arrakis unterscheidet. Auf Caladan herrscht ein diffuses Licht, was die Möglichkeit hat durch viele Fensterfronten in die Räume zu gelangen, wohingegen in der Welt der Trockenheit von Arrakis die Sonne ausgesperrt wird und nur durch schmale Schlitze in den dicken Hausmauern einfallen kann.

Paul Atreides (Timothée Chalamet) // © 2020 Warner Bros. Entertainment Inc. All Rights Reserved. Photo Credit: Chiabella James

In solchen Räumen ist Platz für Kunst: Kunst im Kostümdesign, Kunst in den Gegenständen und Kunst für bedeutungsschwere Dialoge. Durch Reduzierung kann der Fokus auf Dinge gelenkt werden, die sonst übergewichtig wirken. Die Last auf dem Erben Paul, der mit besonderen Fähigkeiten von Seiten der Mutter, des Vaters und der Soldaten wie Duncan Idaho (Jason Momoa) oder Gurney Halleck (Josh Brolin) ausgebildet wurde, ist stets spürbar. Timothée Chalamet ist ein junges Schauspieltalent, das schon immer etwas unnahbar, fast arrogant wirkt. Dieses Gefühl verschwindet auch in DUNE nicht.

© 2021 Warner Bros. Entertainment Inc. All Rights Reserved.

Somit ist er als Identifikationsfigur nicht erkennbar, aber es ist die Entwicklung eines Messias, die hier filmisch bezeugt werden soll und keine Geschichte, die einem vorgaukelt, auch man selbst könnte der Auserkorene sein. Der Auserwählte, wie man ihn schon so oft in Filmgeschichten genannt hat, wirkt aber hier nie aufgesetzt oder unsterblich. Paul ist ein junger Mann, der vielleicht alles weiß, aber dem die Erfahrung bei jedem unsicheren Blick ins Gesicht geschrieben steht. Rebecca Ferguson als Bene Gesserit bringt genau die richtige Mischung aus Mystik und Religion auf die Leinwand, außerdem vereint sie mimisch gekonnt den Konflikt zwischen sorgender und treu glaubender Mutter.

Paul Atreides (Timothée Chalamet) und die ehrwürdige Mutter Mohiam (Charlotte Rampling) // © 2020 Warner Bros. Entertainment Inc. All Rights Reserved. Photo Credit: Chiabella James

So funktioniert Weltenerschließung

Das Genre der Science-Fiction lebt von fiktiven Fähigkeiten oder Technologien mit wissenschaftlichem Hintergrund. Viele haben sich schon an übermächtigen Talenten verhoben, die jegliches Verständnis der Grenzen einer solchen Macht verloren haben. DUNE: PART ONE führt neue Techniken ein, aber zeigt stets im gleichen Atemzug ihre Schwächen auf. Die Schilde können beispielsweise im Nahkampf durch eine langsam geführte Klinge durchdrungen werden, was den Zweikampf extrem körpernah definiert und die kurzen Schwerter erklärt. Außerdem lösen Laserwaffen bei den Schilden enorme Energierückkopplungen für beide Seiten aus, was die Nutzung im offenen Gefecht sinnlos macht. „Die Stimme“, die Macht der Hypnose der Bene Gesserit, wirkt auch nicht vollständig perfekt und bleibt bei jeder Anwendung ein zeitlich begrenzter Kraftakt. Selbst die libellenartigen Ornithopter, die Transportflugzeuge der Artemis, können mit ihrem Düsenantrieb nur begrenzt fliegen und sind auf den Flügelschlag angewiesen, der bei Sandstürmen Probleme bereitet.

DUNE (2021)
Gurney Halleck (Josh Brolin) // © 2020 Warner Bros. Entertainment Inc. All Rights Reserved. Photo Credit: Chiabella James

Nicht nur die kleinen Besonderheiten im Universum von DUNE beindrucken, sondern auch die ganz kurzen Momente von anderen Planeten und Orten, die eine Welt kurz aufblitzen lassen, die unermesslich scheint. Zum Beispiel das Rekrutieren der imperialen Elitetruppe, den Sardaukar oder das Gespräch zwischen Graf Glossu Rabban (Dave Bautista) und seinem Onkel Baron Vladimir Harkonnen (Stellan Skarsgard) auf Giedi Primus, dem Heimatplaneten der Harkonnen, ein düsterer industrieller Ort. So funktioniert erzählerische Tiefe einer Geschichte, die sich mit starken Bildern ins Gedächtnis seiner Zuschauerinnen und Zuschauer legt und dann mit der eigenen Fantasie erweitert wird.

Baron Harkonnen (Stellan Skarsgard) // © 2021 Warner Bros. Entertainment Inc. All Rights Reserved.

Die Motive

Die Romanvorlage von Frank Herbert (1920-1986) ist als Dune-Zyklus zu verstehen und ist, je nach Publikation, meist auf sieben Bände aufgeteilt. Der letzte Band wurde posthum von Herberts Sohn Brian und Kevin J. Anderson beendet. Herbert wird als erster Autor aufgeführt, der sich mit planetaren Veränderungen fiktional beschäftigt. Themen wie das Terraforming und die Veränderung vom ökologischen Gleichgewichten finden ihren Weg in die Geschichten des Wüstenplanets wie auch islamische und arabische Glaubensreferenzen und Prophezeiungen (zum Beispiel dem Mahdi). Was sein Universum aber immer noch topaktuell macht, neben der Unterdrückung und Ausbeutung schwächerer Völker durch industrielle Großmächte, ist die Sorge um die Umwelt eines Planeten. Unser Heimatplanet erhitzt sich jedes Jahr mehr und die Wüsten breiten sich um viele Kilometer weiter aus. So schreibt Herbert passend in Band 1:

„Menschen und ihre Werke sind bisher eine Krankheit auf der Oberfläche dieses Planeten gewesen. (…) Und die Natur neigt dazu, Krankheiten auszugleichen, sie zu beseitigen oder einzukapseln, sie in das System einzubinden.“ (S. 423)

Er gibt aber auch Lösungsvorschläge:

„Für den Planetologen sind Menschen das wichtigste Werkzeug bei seiner Arbeit. Man muss bei ihnen eine ökologische Kompetenz kultivieren.“ (S. 420)

DUNE (2021)
Liet Kynes (Sharon Duncan-Brewster) // © 2020 Warner Bros. Entertainment Inc. All Rights Reserved. Photo Credit: Chiabella James

Im Buch wie auch in dieser Verfilmung von Villeneuve passiert das mit dem Fokus auf etwas, was wir für selbstverständlich halten: Wasser. Immer wieder wird begreifbar gemacht, wie lebenswichtig diese Flüssigkeit ist, selbst in einer der ersten Szenen, wenn Paul seine Mutter mit „der Stimme“ zwingen soll, ihr ein Glas Wasser zu reichen. Es werden Palmen mit dem Leben von Männern aufgewogen und ein Ausspucken ist nicht als Beleidigung zu verstehen, sondern als Wasserschenkung. Somit ist man wieder bei der Stärke der Geschichte: Die Reduzierung auf etwas Essentielles. Ein Glas Wasser hat nach dem Film oder beim Lesen des Buchs noch nie so gut geschmeckt.

Stilgar (Javier Bardem) // © 2020 Warner Bros. Entertainment Inc. All Rights Reserved. Photo Credit: Chiabella James

Fazit

Wenn man bei DUNE von Enttäuschung sprechen möchte, dann nur im Zusammenhang damit, dass es erst der Beginn einer langen Reise ist. Man wünscht sich nach dem Abspann von Herzen, dass es wie bei der HERR-DER-RINGE- oder HARRY-POTTER-Filmreihe qualitativ ähnlich voranschreitet. Ist nur die Frage, ob im zügigen Streaming-Auswertungs-Diskurs und beim ernsten minimalistischen Grundton des Films ausreichend Zuschauerinteresse entsteht.

Sei es drum, der Vorteil bei einer subjektiven Rezension ist es doch, dass man sich nur Gedanken um eine Meinung machen muss und das ist die eigene. DUNE: PART ONE ist der Beweis, dass keine Buchvorlage zu schwierig und im Science-Fiction-Genre weniger schon immer mehr ist. Aber dennoch will ich mehr davon, viel mehr!

© Christoph Müller

DUNE (2021)
Gurney Halleck (Josh Brolin) und Herzog Leto Atreides (Oscar Isaac) // © 2020 Warner Bros. Entertainment Inc. All Rights Reserved. Photo Credit: Chiabella James

Exkurs für (neue) Fans:

Dieser Text versteht sich als reiner Blick auf die Verfilmung DUNE von 2021. Es gibt natürlich noch viel mehr zu erzählen, was auch filmgeschichtlich interessant ist. Hier ein paar Empfehlungen für die, die gern mehr erfahren wollen:

  • Zuallererst, wer gern liest, sollte zu den Büchern greifen. Im Heyne-Verlag gibt es eine neue Taschenbuchauflage mit neuer Übersetzung, die mit kleinem Glossar und einer Karte am Ende aufwartet. Dieser Film handelt ca. die ersten 500 Seiten von Band 1 ab. Insgesamt gibt es sieben Bände.
  • DUNE wurde 1975 einmal spektakulär von Alejandro Jodorowsky NICHT verfilmt. Viele spätere Klassiker konnten sich jedoch an den aufwändigen Vorproduktionen bedienen. Toll erzählt in der 2013er Dokumentation JODOROWSKY’S DUNE. Unbedingt ansehen!
  • 1984 setzte sich David Lynch, der Meister des surrealistischen Films, auf den Regiestuhl und drehte einen recht unausgewogenen Film mit Kyle MacLachlan in der Hauptrolle. Es lohnt sich allein schon aus filmhistorischer Perspektive ein Blick und das Label Koch Films lässt mit ihren restaurierten UHD-Editionen im Oktober 2021 das Filmsammlerherz höherschlagen.
  • Man hört es in DUNE (2021) kaum, aber Filmkomponist Hans Zimmer ist für die Klänge verantwortlich. Endlich ist er etwas abseits seiner bekannten Schlachtbässe unterwegs und man sollte sich den Soundtrack nach dem Film unbedingt erneut anhören. Aktuell sind drei Alben geplant: THE DUNE SKETCHBOOK (eine musikalische Erkundung der Klänge von DUNE), DUNE (Original Motion Picture Soundtrack) und THE ART SOUL OF DUNE (der Soundtrack zum gleichnamigen Filmdesign-Buch)
  • Wie schon erwähnt, sind die Bilder von DUNE (2021) eines der Highlights des Films. Ein guter Grund sein Taschengeld für dieses Buch auf den Tisch zu legen: HINTER DEN KULISSEN VON DUNE von Autorin Tanya Lapointe. Die deutsche Version ist mit 49,99 € nicht gerade günstig, wer mit englischem Text keine Probleme hat, greift zur günstigeren Version aus den UK.

 

Titel, Cast und CrewDune: Part One (2021)
Poster
RegisseurDenis Villeneuve
ReleaseKinostart: 16.09.2021
Trailer
BesetzungTimothée Chalamet (Paul Atreides)
Rebecca Ferguson (Lady Jessica)
Oscar Isaac (Duke Leto Atreides)
Zendaya (Chani)
Jason Momoa (Duncan Idaho)
David Dastmalchian (Piter De Vries)
Dave Bautista (Glossu 'Beast' Rabban)
Josh Brolin (Gurney Halleck)
Javier Bardem (Stilgar)
Stellan Skarsgård (Baron Vladimir Harkonnen)
Charlotte Rampling (Gaius Helen Mohiam)
Stephen McKinley Henderson (Thufir Hawat)
Sharon Duncan-Brewster (Liet Kynes)
Chen Chang (Dr. Wellington Yueh)
Michael Nardone (Gurney Sergeant)
Babs Olusanmokun (Jamis)
DrehbuchJon Spaihts
Denis Villeneuve
Eric Roth
Drehbuchbasiert auf dem Roman DER WÜSTENPLANET von Frank Herbert
FilmmusikHans Zimmer
KameraGreig Fraser
SchnittJoe Walker
Filmlänge155 Minuten
FSKAb 12 Jahren

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert