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Dumbo (2019) – Filmkritik

„Träume fliegen lassen“

Kann man Talent verlieren? Diese Frage schwebte mir während der Vorführung von Tim Burtons „Real-Verfilmung“ DUMBO durch den Kopf. Ob diese ganze Neuauflagen-Welle alter Disney-Trickfilm-Klassiker durch namhafte Regisseure und noch viel berühmtere Schauspieler Sinn macht, soll hier gar nicht Thema sein. Vor ein paar Jahren hatte ich das Glück in Paris die Tim-Burton-Ausstellung zu besuchen. Ein Sammelsurium obskurer, liebenswerter Kreativ-Wesen, die alle diesem Wuschelkopf entsprungen sind. Zeichnungen, Modelle und riesige Plastiken von diesen konnte man bestaunen, wovon gar nicht so viele das Scheinwerferlicht in seinen Filmen gesehen haben. Das künstlerische Genie Burton schien noch einiges an Ideen parat zu haben. Aber seine letzten Filme schienen immer zu sehr auf Sicherheit zu spielen. Das Sperrige und Abgründige seiner Geschichten, welches seine Filme von Intro bis Abspann durchzog, schien verlorengegangen.

Lars Eidinger und Danny DeVito Photo by Jay Maidment // © 2019 Disney Enterprises, Inc. All Rights Reserved.

Als Disney bekannt gab, dass Tim Burton die Neuverfilmung von DUMBO inszenieren würde, lag der Geruch von leicht verdientem Geld in der Luft. Aber wenn jemand die alten Zeiten, in denen Zirkus noch eher ein Kuriositätenkabinett als eine Show war, wiederaufleben lassen kann, dann Tim Burton. Auch die Rolle des Elefanten als Außenseiter mit seinen zu großen Ohren als Freak abgestempelt, der über sich hinauswächst, ist eine routinierte Thematik seiner Filme. Fans hatten nach der Bekanntgabe der Besetzung das Wasser der Nostalgie in den Augen: Danny DeVito, Michael Keaton und Tim Burton werden seit BATMAN RETURNS (1992) wieder auf der Leinwand vereint sein. Der erste Trailer brachte jedoch die trockene Ernüchterung, dass hierbei zu sehr auf Nummer Sicher gegangen wird. Wurden Tim Burton etwa die kreativen Fesseln angelegt oder war das gar nicht mehr nötig?

Max Medici (Danny DeVito) // © 2019 Disney Enterprises, Inc. All Rights Reserved.

Handlung

Holt Farrier (Colin Farrell) kehrt aus dem Kriegseinsatz zu Familie und Leben im Zirkus zurück. Jedoch nicht vollständig, denn der ehemalige Dressur-Reiter der Show hat seinen linken Arm verloren. Seine beiden Kinder Joe (Finley Hobbins) und Milly (Nico Parker) empfangen ihn in seinem alten Leben, welches aber nicht mehr so wie vor dem Krieg ist. Zirkusdirektor Max Medici (Danny DeVito) denkt einen guten Deal gemacht zu haben, als er eine schwangere Elefantendame kauft. Als sie den kleinen Elefanten mit den großen Ohren zur Welt bringt, sehen alle und vor allem Medici ihre Chancen auf eine neue Showeinlage dahinschwinden. Den Kindern gelingt es jedoch ein ganz besonderes Talent des kleinen Elefanten, der nun Dumbo heißen soll, zu entdecken: Er kann fliegen. Als der erfolgreiche Dreamland-Besitzer V. A. Vandevere (Michael Keaton) davon erfährt, dauert es nicht lange bis er den Wanderzirkus Medici kauft.

V.A. Vandevere (Michael Keaton) // © 2019 Disney Enterprises, Inc. All Rights Reserved.

Remake

Es ist ein schönes Gefühl, sorgenfrei eine Filmkritik zu schreiben ohne um potentielle Spoiler-Minen sprachlich herumzutanzen. Weil den meisten Kinobesuchern die Geschichte von DUMBO bekannt sein dürfte, geht dies natürlich auf Kosten der Dramaturgie. Aber die Produktion hat effektvoll aufgefahren, um über diesen Verlust hinwegzutäuschen. Und als Dumbo auch in diesem Film von seiner Mutter getrennt wird, fühlt man sich trotz Vorahnung immer noch emotional ertappt. Ein Kind von seiner Mutter zu trennen, ist und bleibt herzlos. Spannend für mich war es in DUMBO herauszufinden, wo Burton und seine Crew den moralischen Schwerpunkt setzen. Außenseiter, Selbstvertrauen, Tierquälerei, der Verlust von Familienmitgliedern oder sogar eine Kritik am entertainment-süchtigem Publikum, all dies hat die Geschichte zu bieten. Leider hat sich Burton nicht entscheiden können und der Zuschauer bekommt von jedem ein bisschen serviert. Bloß nicht irgendwo anecken oder zu sehr in die Tiefe gehen, das Publikum ist ja schließlich gekommen, um einen fliegenden Elefanten zu sehen.

Milly (Nico Parker ) und Dumbo // © 2019 Disney Enterprises, Inc. All Rights Reserved.

Dieses Schwimmen an der unterhaltungsheischenden Oberfläche und die Angst vor Kritik hat selbst die hochklassige Besetzung in eine Art schauspielerische Lethargie versetzt. Die Kinder wirken zu sehr nach Bauplan „Das kann jeder sein“, Danny DeVito bekommt nur zwei gute Witze ins Drehbuch geschrieben, Colin Farrell schaut immer ängstlich, zeigt aber wenig Verbindung zu seinen Kindern und Michael Keaton gibt den verrückten Bösewicht ohne jeden Grund, außer vielleicht einem absurden Fetisch seine Geliebte Colette Marchant (Eva Green) auf einem fliegenden Elefanten reiten zu sehen. Ich hoffe inständig, dass Tim Burton die Dreharbeiten aus seinem Wohnwagen geleitet hat, um nebenbei Skizzen für BEETLEJUICE 2 zu machen, denn hier fehlt es eindeutig an Leitung eines Regisseurs. Die Requisiten, Effekte und das Szenenbild sind wie immer beeindruckend und bis zur bröckelnden Farbe an den Fahrgeschäften liebevoll designt. Aber den Motivationen und Handlungen der Bewohner dieses Films kann man als Zuschauer schwer folgen.

Colette Marchant (Eva Green) // © 2019 Disney Enterprises, Inc. All Rights Reserved.

Der Film blitzte nur zweimal im Scheinwerferlicht meiner Aufmerksamkeit auf und zog mich aus dem Kinosaal in seine Geschichte. Der kleine Zirkus Medici wird mit einer großen Parade Vandeveres Dreamland einverleibt, eine Mischung aus Coney Island, Disneyland und Weltausstellung. Eine Metapher auf das Disney-Studio, welches Attraktionen der Kinogeschichte Stück für Stück verschlingt, um sie mit aufgedonnerten Effekten in einer großen Show dem Publikum zu präsentieren? Dass ein Elefant fliegen kann, ist das Wunder und nicht die Show drumherum. Jedis können die Macht nutzen und das Böse bekämpfen, Superhelden sind mehr als ihre Superkräfte und von den ganzen Fox-Lizenzen (AVATAR, ALIEN, etc.) möchte ich gar nicht erst anfangen. Zuviel Scheinwerferlicht tut manchen Ideen einfach nicht gut und lässt bei Überhitzung sogar das ganze Gerüst einstürzen.

Dreamland // © 2019 Disney Enterprises, Inc. All Rights Reserved.

Die zweite Szene ist das Vorprogramm in der neuen, riesigen Manege vor Dumbos großem Auftritt. Mit Seifenblasen wird ein Elefantentanz erzeugt, welcher wunderschön mit dem klassischen Musikthema von DUMBO (1941) hinterlegt wird. Das Besondere dieser bereits im Originalfilm verwendeten Szene sind die blauen Kulleraugen von Dumbo, die begeistert die Show anstarren. Man möchte diese kindliche Unschuld selbst wieder im Kinosaal erleben, um den Welten der Leinwand wieder staunend zu begegnen. Herr Burton, geben Sie sich bitte mehr Mühe, um diese Begeisterung wieder entstehen zu lassen.

V.A. Vandevere (Michael Keaton) und Max Medici (Danny DeVito) // © 2019 Disney Enterprises, Inc. All Rights Reserved.

Fazit

Diese beiden Lichtmomente reichen leider nicht, um DUMBO zu einer Kinoempfehlung werden zu lassen und noch weniger um die Tim-Burton-Filmsammlung zu erweitern. Es bleibt das, wonach es den Anschein erweckt hat: Eine Auftragsarbeit, die einem wirtschaftlichen Ziel folgt und keine Kinderaugen zum Leuchten bringt.

Titel, Cast und CrewDumbo (2019)
Poster
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Release
ab dem 28.03.2019 im Kino
ab dem 08.08.2019 auf DVD, Blu-ray & UHD
Bei Amazon bestellen:
RegisseurTim Burton
Trailer
DarstellerColin Farrell (Holt Farrier)
Eva Green (Colette Marchant)
Danny DeVito (Max Medici)
Michael Keaton (V. A. Vandevere)
Nico Parker (Milly Farrier)
Finley Hobbins (Joe Farrier)
Alan Arkin (J. Griffin Remington)
Sharon Rooney (Miss Atlantis)
Joseph Gatt (Neils Skellig)
Roshan Seth (Pramesh Singh)
DrehbuchEhren Kruger
MusikDanny Elfman
KameraBen Davis
SchnittChris Lebenzon
Filmlänge112 Minuten
FSKFSK 6

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