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Dumb Money (2023) – Filmkritik

„Bürgergeld“

Seit der Covid-Pandemie drängt sich das Gefühl auf, dass uns ein extremer Nachholbedarf an Wissen vor Augen geführt wird. Systeme, die zuvor gewissenhaft im Hintergrund ihre Arbeiten verrichtet haben, werden jetzt in die Prüfschale gelegt: Impftechniken, Lieferketten, Strompreise, Klima, Ökologie, Ressourcen, Bildung, Außenpolitik und Landesverteidigung. 2008 gab es bereits die Finanzkrise und die Wenigsten haben danach begriffen, wie der internationale Finanzhandel funktioniert. Clevere und unterhaltsame Filme wie THE BIG SHORT (2015) bargen für Aufmerksame so etwas wie einen Bildungsauftrag. Aber mal ehrlich, der Durchschnittsbürger weiß immer noch wenig über Optionsscheine, Futures, ETFs und Leerverkäufe. Außerdem, wer in der Welt der Renditen und Devisen mitspielen willen, braucht die finanziellen Mittel. Jedoch ist Wissen und Kontrolle über die eigenen Finanzen etwas Existenzielles. Der Kampf gegen die Schulden, die Erfüllung eines Traums oder ein sorgenfreies Leben im Alter können Motivatoren sein. Im Jahr 2021 war der Berührungspunkt mit der Finanzwelt vor allem für junge Leute eine Einzelhandelskette für Videogames: Game Stop. Daraus wurde ein pathetischer Kampf zwischen dem einfachen Bürger und den reichen Bonzen. DUMB MONEY erzählt authentisch und einprägsam von dieser Schlacht.

© Leonine Studios

Handlung

2020, die westliche Welt steckt im Lockdown. Spätestens jetzt verbringt die halbe Menschheit ihre Zeit im Internet. Die einen empfangen und die anderen senden. Keith Gill (Paul Dano) sendet, und zwar auf seinem YouTube-Kanal Roaring Kitty. Dort stellt er seine Investment-Strategie vor. In seinem Depot wettet er vor allem auf eine Aktiengesellschaft, die von Game Stop. Seiner Meinung nach ist die Aktie extrem unterbewertet und wird immer wieder für die Leerkauf-Strategie von Hedgefonds-Managern, wie Gabe Plotkin (Seth Rogen), Steve Cohen (Vincent D’Onofrio) und Ken Griffin (Nick Offerman) genutzt. Eine Ladenkette für Computerspiele soll in der Pandemie unterbewertet sein, wenn alle nur noch streamen und der ständige Lockdown dem Einzelhandel schadet? Keith scheint aber mit der Unterbewertung recht zu haben und die Aktie erarbeitet sich tapfer ihre ersten Prozente. Durch die Bestätigung seiner Voraussage, werden auch er und seine Kanäle immer höher im Algorithmus der Social-Media-Kanäle wie Reddit und Twitter wahrgenommen. Jetzt springen eine Vielzahl von Usern auf den Game-Stop-Zug auf, unter anderem die Krankenschwester Jenny (America Ferrera), die Studentinnen Riri (Myha’la Herrold) und Harmony (Talia Williams), wie auch der Game-Stop-Mitarbeiter Marcus (Anthony Ramos). Es wird eine irre Fahrt.

© Leonine Studios

Der Fall Game Stop

Kleiner Exkurs für alle, die nicht wissen, was Game Stop ist, und was geschehen ist. Game Stop ist eine Kette für Videogames und Computerzubehör. Die Läden zählten während der Pandemie als „systemrelevant“, weil sie Home-Office-Arbeiter mit Technik versorgen. Bei jungen Leuten sind die Läden bekannt, da man dort gebrauchte Spiele kaufen, aber auch verkaufen kann. Ein weiterer Faktor neben der steigenden Aufmerksamkeit von Roaring Kitten/DeepFuckingValue machen sogenannte Neobroker den Zugang zum Aktienmarkt extrem leicht, wie in diesem speziellen Fall die Firma Robinhood – die Gründer werden von Sebastian Stan und Rushi Kota gespielt. Man braucht nicht einmal ein Bankkonto, Kreditkarte reicht und mit einem Wisch spekuliert man am Aktienmarkt.

© Leonine Studios

Der Hype um Game-Stop-Aktien verstärkte sich, als er zu einem Kampf gegen die Hedgefonds-Manager aufgebaut wurde. Durch den Anstieg des Aktienwerts von Game Stop, dank vieler Privatanleger, deren Geld von Finanzmanagern gern als „Dumb Money“ (Dummes Geld) bezeichnet wird, verloren die Hedgefonds, die auf fallende Kurse wetteten, Milliarden Dollar. Die Aktien der einfachen Anleger steigen ins Unermessliche. Eine digitale und finanzielle Schlacht zwischen reich und nicht-reich flammt auf und keiner will einen Schritt zurückweichen. Die einen brauchen die Aktien, um ihre Leerverkäufe zu erfüllen und die anderen halten sie in ihrem Depot, trotz enormer potentieller Gewinne. So etwas nennt man einen sogenannte „Short Squeeze“.

© Leonine Studios

Grundkurs Finanzmarkt

Man muss diesen Hergang hier kurz erwähnen, denn der Film DUMB MONEY setzt dieses Wissen mehr oder weniger voraus. Und vor allem als deutsche Sparbuchanleger, kann diese flotte Geschichte in einer fremden Welt schnell zum Overload führen. Regisseur Craig Gillespie (TONYA, CRUELLA) schert sich aber nicht wirklich um Unwissende. Das kann man blöd finden, aber das Gegenteil ist der Fall, denn man will sich immer weiter in diesen Kaninchenbau hineinwagen und wissen, was eigentlich vor sich geht. Der Großteil aller Hollywoodfilme basiert auf dem Konzept des Underdogs gegen den übermächtigen Gegner – dieser Kampf wird auch hier aufgeführt. In DUMB MONEY werden Memes und Chatverläufe in schnellen Schnitten auf das Publikum einprasseln. Hinzukommen Slang, Abkürzungen und nerdige Verweise, ein Fest für Insider und eine Herausforderung für alle anderen. Es hilft der exzellente Cast und die authentische Umgebung. Dunkle, enge, aber gemütliche Räume der Kämpfer und große sterile Villen, wie auch Country Clubs der übermächtigen Gegner. Es ist eine Freude zu sehen, wie die Hedgefonds-Manager mit ihren fragwürdigen Taktiken ins Straucheln geraten und spätestens bei der Anhörung vor dem US-Kongress versagen.

© Leonine Studios

Der Algorithmus der Social-Media-Kanäle ist allgegenwärtig. 50 Prozent der Figuren schauen in diesem Film auf Displays, um entweder neue Infos zu erhalten oder ihr Depot wachsen zu sehen. Die Freude kann man teilen, aber DUMB MONEY führt uns noch etwas ganz anderes vor Augen: der emotionale Einfluss auf unser Kaufverhalten. In einer Szene mit der Krankenschwester Jenny gut zu sehen. Sie steht nach einer langen Schicht an der Tankstelle und redet mit einem attraktiven Typen eine Zapfsäule weiter. Das freundliche Gespräch bewegt sich aber nicht in die richtige Richtung, es ist schließlich noch Pandemie und Fremde kennenzulernen war für viele zu der Zeit ein absolutes No-Go. Als der Flirt sich nicht erfüllt, kauft Jenny direkt am Smartphone noch mehr Game-Stop-Aktien trotz hoher Schulden. Kaufen löst bekanntlich Glückshormone aus und in diesem Fall ist es Spekulation, das macht noch glücklicher.

© Leonine Studios

Fazit

Es ist der Rausch einer absurden Geschichte. Ein paar wenige konnten ihre Schulden, Kredite und eintönigen Alltäglichkeiten vergessen, als sie an der Börse auf der Siegeswelle ritten. Das Internet hat in diesem Fall tatsächlich die Möglichkeit für alle bereitgestellt, viel Geld zu gewinnen. DUMB MONEY erzählt davon und das im knackigen Liveticker.

© Christoph Müller

Titel, Cast und CrewDumb Money - Schnelles Geld (2023)
OT: Dumb Money
Poster
ReleaseKinostart: 02.11.2023
RegieCraig Gillespie
TrailerAuf YouTube ansehen
BesetzungPaul Dano (Keith Gill)
Pete Davidson (Kevin Gill)
Vincent D'Onofrio (Steve Cohen)
America Ferrera (Jenny)
Myha'la Herrold (Riri)
Nick Offerman (Ken Griffin)
Anthony Ramos (Marcus Barcia)
Seth Rogen (Gabe Plotkin)
Talia Ryder (Harmony Williams)
Sebastian (Vlad Tenev)
Shailene Woodley (Caroline Gill)
Kate Burton (Elaine Gill)
Clancy Brown (Steve Gill)
Rushi Kota (Baiju Bhatt)
Larry Owens (Chris)
Dane DeHaan (Brad)
Olivia Thirlby (Yaara Plotkin)
DrehbuchLauren Schuker Blum
Rebecca Angelo
VorlageBasiert auf dem Buch "The Antisocial Network" von Ben Mezrich
KameraNicolas Karakatsanis
MusikWill Bates
SchnittKirk Baxter
Filmlänge104 Minuten
FSKab 12 Jahren

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