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Dressed To Kill (1980) – Filmkritik & Review des Mediabooks

„Betörende Blicke“

DRESSED TO KILL (1980) ist die vielleicht schärfste Hitchcock-Hommage, inszeniert vom großen Brian De Palma. Und doch ist er, wie alle seine Filme, ein gänzlich eigenes Werk. De Palma, der in den 1970ern mit etwa John Carpenter und Steven Spielberg zu den jungen Vertretern der Post-Hitchcock-Ära zählte, war der wohl konsequenteste in seiner filmischen Art, verführerische und verunsichernde Bilder zu schaffen. Viele seiner Werke sind in (größeren) Teilen Würdigungen und Abwandlungen seines großen Vorbilds, man denke an DER SCHWARZE ENGEL (OBSESSION, 1976) oder DER TOD KOMMT ZWEIMAL (BODY DOUBLE, 1984). Es ist vor allem der elegische, voyeuristische Blick, der bei De Palma nicht nur re-etabliert, sondern auch reflektiert wird. De Palmas Kino ist ein bestechendes Poesiealbum der Blicke und Ab-Bilder. Dies lässt sich in seinen kleineren, roheren Filmen ebenso finden wie in polierten Blockbuster-Ausflügen. Ein gewisser Kill-Thrill bleibt.

Die Figuren in seinen Filmen, ihre Handlungen, ihre Motivationen werden vom filmischen Blick (der Kamera) geführt, sie selbst werden vollständig durch das Sehen charakterisiert. Dies ist in seinem nunmehr sechs Jahrzehnte umspannenden Œuvre werkübergreifend zu betrachten. Bemerkenswert dabei ist, wie der Macher beständig das Wesen des filmischen/visuellen Mediums mit einbezieht, kommentiert, hinterfragt. Indem immerzu Ab-Bilder auf Bildschirmen, Handy-Displays, aber auch analogen Medien wie Werbebannern oder Fotografien – teilweise noch durch Spiegel (fragmentiert und/oder vervielfacht) weitergetragen – in den Fokus gerückt werden, entfaltet sich in De Palmas Kino ein Panoptikum der visuellen Reize. In einigen Filmen baut er dies zu einem wahren Irrgarten künstlich reproduzierter Figuren und Formen aus, lässt uns darin suchen, auf Entdeckungsreise gehen. Seine Filme sind eine Einladung zum bewussten Sehen – und auch ein Spiel, das gespielt werden möchte.

© Capelight Pictures

DRESSED TO KILL, entstanden zur Hochphase des Machers – kurz darauf folgte sein vielleicht bester Film BLOW OUT (1981) – ist der erste Film, der die Signatur De Palma vollumfänglich trägt. Seine Erfolge CARRIE (1976) und THE FURY (1978) widmeten sich effektvoll dem Paranormalen, besitzen aber noch nicht die Sprengkraft der bildlichen Reflexion, für die De Palmas Werk – bis in die 1990er und 2000er – einzigartig bleiben sollte. In DRESSED TO KILL wird die Frage des suchenden Blickes zum ersten Mal auf die höchste Stufe gestellt. Die einzelnen (Zitat-)Sequenzen, etwa die vermehrt an PSYCHO (1960) erinnernden Mordszenen, sind hierfür Bausteine. Tatsächlich sind die um Michael Caine, Angie Dickinson und De Palmas damalige Ehefrau Nancy Allen (ROBOCOP) gestalteten Figuren selbst nur Elemente eines größeren Spiels um Wahrnehmung. De Palma selbst war überrascht, dass der Film – zugegeben unter Kürzungsauflagen – von Kinopublikum und auch Kritik so gut aufgenommen wurde, ist er doch nicht weniger provokant als sein wenige Jahre später zerrissener BODY DOUBLE. Es sind wohl manch elegische Sequenzen wie im Museum zu Beginn, die den Faktor „Kunst“ aus jeder Pore und jedem Zelluloid-Korn sprießen lassen, und die dem eindringlicheren Faktor um Trieb und Gewalt einen stilvollen Rahmen bauen. Dabei ist auch hier letztlich alles ein Spiel auf Zeit.

© Capelight Pictures

DRESSED TO KILL war mit der Video- und DVD-Auswertung seither einer der gefragtesten De Palmas. Nicht zuletzt die Veröffentlichung der Unrated-Version, die jene Einstellungen enthielt, die für die US-Kinoauswertung gekürzt bzw. verändert werden mussten, trug erheblich dazu bei. DRESSED TO KILL stellte somit – das wirkt heute im Zuge der Neuprüfungen („ab 16“) vieler seiner Werke gar nicht mehr so scharf – den Auftakt der provokanten Früh-Achtziger-Werke des Machers dar, zu denen insbesondere noch SCARFACE (1983) und eben BODY DOUBLE zählten. Sie alle erlitten Zensuren in verschiedenen Medien und förderten De Palmas Ruf, damals einer der provokantesten, umstrittensten, ja sogar gemeinsten (Vorwurf des filmischen Sexismus) Filmemacher zu sein. Spätestens ab den 2000ern wurde auch diese harsche Phase neu bewertet, und die Filme heute mit zu seinen allerbesten gezählt, weil sie noch eine Kraft besitzen, die manch späterem Werk vielleicht fehlt.

Zu DRESSED TO KILL gab es via Filmconfect bereits eine sehr vorzeigbare deutsche Heimkinoauswertung (seit 2016), inklusive Unrated-Fassung in gutem HD-Bild, dem bisher etablierten Bonusmaterial der MGM-Special Edition plus analytisches Booklet von Marcus Stiglegger („DRESSED TO KILL als Global Giallo“). Im Zuge der vermehrten 4K-Restaurierungen und zusätzlich produziertem Bonusmaterial hat capelight kürzlich De Palmas Meisterstück in einer neuen Mediabook-Edition veröffentlicht, die nun etwas genauer in den Blick genommen werden soll.

© Capelight Pictures

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DRESSED TO KILL erfreute sich seit der MGM-DVD (USA, 2001), die per Seamless Branching auch die Unrated-Version des Films integrierte, hoher Beliebtheit unter Fans und Sammlern (die DVD war einer der vielen guten Gründe für einen regionalcodefreien DVD-Player). Zehn Jahre später folgte die Blu-ray (zunächst in den USA), die die bekannten Specials übernahm (Making-of, Intro, Interview, Schnittvergleich) und mit den Regionalcodes A und B auch auf hiesigen Playern abspielbar war. Zwei Jahre später folgte eine neue Special Edition Blu-ray (Arrow) aus UK, die vier neue (2012 produzierte) Interviews mit einer Gesamtlänge von knapp zwei Stunden (in HD) enthielt. Die Üppigkeit war zugleich das Manko, denn alles – 2 Stunden Hauptfilm in HD, 2 Stunden Interviews in HD, 1 Stunde bewährter Specials in SD – wurde auf eine Disc (BD50) gepackt, was den potenziellen HD-Genuss des Hauptfilms schmälerte. So wundert es nicht, dass die 2016 erschienene deutsche Blu-ray via Filmconfect, die Arrows zunächst exklusive Specials nicht enthielt, auf BD25 (Single-Layer) produziert wurde.

Eine gänzlich andere Bildqualität (und -wirkung) besitzt nun die Anfang des Jahres veröffentlichte Blu-ray (+ 4K UHD) via capelight, die auf dem neuen 4K-Master von Kino Lorber (USA, 2022) beruht, jedoch mit eigenem Encoding für den hiesigen Markt produziert wurde. Da das 3-Disc-Mediabook, wie für capelight üblich, fast alle Specials (insgesamt knapp 3 Stunden) auf einer Extra-Blu-ray versammelt (vgl. unsere Rezension zu RONIN), hat der Hauptfilm sowohl auf Blu-ray-Disc als auch auf 4K UHD-Scheibe ganz viel Platz zur Entfaltung hinsichtlich der Datenmenge. Aber genug der technischen Fachbegriffe, was bedeutet das letztlich im Blick der Heimkinozuschauer?

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Zunächst wirkt das Bild grundsätzlich viel sauberer gemastert, ausgeglichener und detailreicher. Das neue 4K-Master auf Grundlage von Kino Lorber ist gut und hievt De Palmas schön körnigen Film nochmals gelungen ins 4K-Zeitalter, ohne dass der Film zu sehr von seinem Charme verliert. Allzu schnell wird man nach vielen Jahren DRESSED TO KILL, selbst in HD, mit der neuen Präsentation noch nicht warm. Der Film ist in zweierlei Hinsicht bemerkenswert bzw. ästhetisch in Erinnerung. Zum einen ist er durchgehend körnig und bisweilen bewusst mit Unschärfen versehen (Kameraeinstellung), alles im Sinne der Filmemacher. Zudem hatte der Film in meiner Erinnerung – und ein Blick auf die erste US-Blu-ray und auch die UK-Scheibe via Arrow haben das noch einmal bestätigt – schon immer sehr knackige Fleischfarben, die Haut wirkt oft rosarot leuchtend, was insbesondere bei den beiden weiblichen Figuren stark auffällt. DRESSED TO KILL spielt gerade auf ästhetischer Ebene mit dem sexuell erregbaren Körper, nackte Haut, ob unter der Dusche oder in Reizwäsche verpackt, strahlte hier immer eine stimulierende Wärme, um nicht zu sagen Hitze aus. In Kombination mit der Körnigkeit und den Unschärfen besitzt der Film – ganz recht – eine gewisse Softporno-Ästhetik, die durchaus im Sinne des Konzepts ist.

© Capelight Pictures

Es sei noch einmal betont, dass der Film (gedreht auf der Panavision Paneflex-X) bewusst die soeben genannten Merkmale aufweist. Nachträglich ergeben sich seit wenigen Jahren nun gewisse Änderungen hinsichtlich Detailschärfe und Farbgebung der neuen (4K-)Master. Als Vorfazit sei gezogen, dass capelight objektiv tatsächlich die bisher beste neuere Heimkinoveröffentlichung in Sachen Bildqualität abgeliefert hat. Ein etwas früherer Versuch – sogar Director Approved, wobei man hier über das Siegel einmal mehr streiten darf – stellt das (digitale) 4K Master via Criterion dar, das auf Blu-ray veröffentlicht und auch sehr sauber gemastert wurde, jedoch bisweilen Farbirritationen (bis hin zu blassem Gelbstich statt Fleischfarben) bot. Kino Lorber respektive capelight bieten da im Gesamtblick einen stimmungsvolleren und in Bezug auf die bekannte Ästhetik adäquateren Look, gleichwohl mit mehr Details. Auch sie besitzen nun zwar nicht mehr den fülligen, rosafarbenen Teint der früheren Fassungen, tragen die Hautästhetik aber grundsätzlich noch gelungen mit und punkten, insbesondere bei der 4K UHD mit unverhältnismäßig mehr Bildinformation, was das Seherlebnis vor allem bei großen Screens signifikant verbessert.

© Capelight Pictures

Tatsächlich ziehe ich persönlich die (neu gemasterte) Blu-ray, die ebenfalls die Datenmenge ausschöpft, der noch detaillierteren UHD vor, weil mir die Haut- und Rottöne hier besser gefallen und das Bild insgesamt mehr leuchtet bzw. dezent heller gemastert ist als die doch leicht zu dunkle UHD. Zu diesem Urteil komme ich nach zusätzlicher Einsicht in Timo Wolters’ wie gewohnt vorbildliche technische Rezension der Scheibe(n) drüben bei blu-ray-rezensionen.net.

Womit ich auch schon zum Fazit komme, denn den Ton muss man nicht zu kritisch besprechen: Er ist durchweg gelungen, sowohl in der Option des neueren 5.1-Mix als auch im verfügbaren Stereo-Mix, wie er damals im Kino lief (beide Optionen liegen für Deutsch und Englisch vor). Auch die bisherigen Tonzensuren wurden behoben. Insgesamt bietet sich hier mit den beiden qualitativ überzeugenden Filmdiscs die optimale Qualität von DRESSED TO KILL fürs Heimkino, basierend auf einem frischen und gelungenen 4K-Scan vom Originalnegativ. Auf der UHD auch mit HDR und Dolby Vision, jedoch ziehe ich wie erwähnt die etwas liebevoller strahlende Blu-ray vor, weil sie mich mehr an meine (vielfachen) bisherigen Seherfahrungen erinnert und dennoch mit mehr Details überzeugt, als dies früher möglich war.

© Capelight Pictures

Die Specials wurden allesamt von den bisherigen Veröffentlichungen übernommen (MGM, Arrow, sogar Kino Lorber) und stellen ein Rundum-Sorglos-Paket dar, was die Edition filmhistorisch wichtig werden lässt. Insgesamt – denn zwei Interview-Features haben es doch auf die Hauptfilmdiscs geschafft – erwarten uns hier gut 200 Minuten Bonusmaterial. Einzig einen Audiokommentar, weder von De Palma selbst noch von Filmhistorikern, vermisst man bei diesem Titel seit Jahren. Auch konnten, wie üblich schwer zu bekommen, ein paar exklusive Features der Criterion-Edition nicht lizensiert werden, u. a. ein spannendes Gespräch mit De Palma und Noah Baumbach, der auch das karriereübergreifende Doku-Gespräch mit ihm drehte (DE PALMA, 2015). Dafür liefert Leonhard Elias Lemke einmal mehr ein vorbildliches Booklet ab, das nicht nur beispielhaft recherchiert, sondern auch detailreich und überzeugend geschrieben ist und den Film und seinen Macher im Kontext ausführlich würdigt.

Fazit

Mit dem 3-Disc-Mediabook von DRESSED TO KILL liegt eine weitere Vorzeige-Edition eines beliebten (Genre-)Klassikers vor, zudem einer von Brian De Palmas beliebtesten Filmen in überzeugender neuer 4K-Abtastung. In der Gesamtbetrachtung stellen die technische Qualität sowie der Umfang an Bonusmaterial eine klare Empfehlung dar, sollte man den Film nicht bereits in ein oder zwei HD-Editionen besitzen.

© Stefan Jung

Titel, Cast und CrewDressed to Kill (1980)
Poster
Releaseseit dem 08.02.2024 im Mediabook (UHD + Blu-ray + Bonus-4Blu-ray) erhältlich.

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RegieBrian De Palma
Trailer
BesetzungMichael Caine (Dr. Robert Elliott)
Angie Dickinson: (Kate Miller)
Nancy Allen (Liz Blake)
Keith Gordon (Peter Miller)
Dennis Franz (Detective Marino)
David Margulies (Dr. Levy)
Ken Baker (Warren Lockman)
Susanna Clemm (Betty Luce)
Brandon Maggart (Cleveland Sam)
DrehbuchBrian De Palma
KameraRalf Bode
MusikPino Donaggio
SchnittGerald B. Greenberg
Filmlänge105 Minuten
FSKab 16 Jahren

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