Zum Inhalt springen

Dolls (1987) – Filmkritik

Bevor wir loslegen, muss ich mich erst einmal outen, denn gegen Puppenhorrorfilme, egal ob besessen, verhext oder was auch immer, habe ich seit jeher eine starke Abneigung. Das war mit einer der Gründe, weshalb ich Gordons vergessenen Kultfilm besprechen wollte. Ein weiterer Grund ist, dass DOLLS mir unbekannt war. Dass die beiden US-Amerikaner Stuart Gordon und Brian Yuzna keine unbeschriebenen Blätter im Horrorgenre sind, dürfte den meisten Lesern bekannt sein. Immer wieder haben sie, auch oft zusammen, geniale wie ungewöhnliche Kultfilme, vor allem in den 1980ern gedreht. Dem Genre-Fan fallen Werke wie RE-ANIMATOR (1985), FROM BEYOND – ALIENS DES GRAUENS (1986), DARK SOCIETY (1989), BRIDE OF RE-ANIMATOR (1990), H.P. LOVECRAFTS NECRONOMICON (1993), CASTLE FREAK (1995) oder DAGON (2001) ein. Seltsamerweise wird bei all diesen Aufzählungen der hier vorliegende DOLLS regelmäßig vergessen, zu Unrecht, wie ich gleich anfügen möchte.

DOLLS (1987)
© Koch Films

Handlung

Mitten in der Pampa streikt der Wagen und das allgegenwärtige Unwetter zieht auf. Glücklicherweise ist Rettung schnell zur Hand, denn in unmittelbarer Nähe befindet sich ein Haus. Das Yuppie-Pärchen David (Ian Patrick Williams) und Rosmary (Carolyn Purdy-Gordon, Stuart Gordons Frau) mitsamt dem ungeliebten Anhang Judy (Carrie Lorraine) finden dort Unterschlupf. In der gotischen Villa leben die Hartwicks, Gabriel (Guy Rolfe) und Hilary (Hilary Mason). Das nette ältere Ehepaar, dessen Berufung seit jeher Spielzeugmacher mit Leib und Seele ist, nimmt die zerstrittene Familie liebevoll auf, vor allem Judy. Kurz darauf erscheinen weitere Besucher mit dem sympathischen Ralph (Stephen Lee) und zwei Punk-Ladys, die es nur auf die Antiquitäten abgesehen haben. Ganz besonderes Augenmerk sollten die Gäste allerdings auf die handgemachten Puppen legen, die sich systematisch über das ganze Haus verteilen. Denn wenn es dunkel wird, gehen diese gerne auf die Jagd.

DOLLS (1987)
© Koch Films

Sei lieb zu deinen Spielsachen

Mörderische Puppen waren schon immer ein beliebtes Thema im Genre. Einen ersten Eintrag mit Ausrufezeichen bekommt der Klassiker des Episodenfilms TRAUM OHNE ENDE (1945). Darin gibt es eine Story mit der wahnsinnigen Puppe eines Bauchredners. Weitere bekannte Filme dieses beliebten Sub-Genres sind beispielsweise CHUCKY – DIE MÖRDERPUPPE (1988), der im Jahre 2019 ein Reboot mit CHILD‘S PLAY bekam. Ebenfalls dem Thema zugetan sind PUPPET MASTER (1989), MAY (2002), DEAD SILENCE (2007), ANNABELLE (2014) oder THE BOY (2016). Im erweiterten Sinne können selbst Filme wie POLTERGEIST (1982) oder gar MANIAC (1980) zur Kategorie des Puppenhorrors gezählt werden.

DOLLS (1987)
© Koch Films

Der Beginn von DOLLS erinnert sehr an James Whales Klassiker DAS HAUS DES GRAUENS (THE OLD DARK HOUSE, 1932). Doch sobald die Nacht im Haus der Hartwicks anbricht, beschreitet Stuart Gordon seinen eigenen Weg. Die unheimliche, unwirkliche Stimmung wird zwar immer wieder von lustigen Momenten unterbrochen, aber niemals gänzlich verdrängt. Selbst wenn die bösartigen Puppen auftauchen und zum Angriff blasen, verdichtet sich diese Atmosphäre zusehends zu einem angsteinflößenden Alptraum. Die phänomenale Stop-Motion-Technik von David Allen (DAS TIER (THE HOWLING, 1981), WILLOW (1988)) trägt viel zur Stimmung von DOLLS bei. Auch wenn es relativ blutarm bleibt, besonders im Vergleich zu heutigen Werken, ist es dem Schauspiel jedoch in keiner Weise abträglich, ganz im Gegenteil. In großartigen Bildern lenkt uns Gordon mit seinem Kameramann Mac Ahlberg (DEEP STAR SIX, 1989) durch diese wunderbare Geschichte mit all ihren Schrecken, Ängsten und Warnungen. Als brillant würde ich auch die Darsteller bezeichnen, denn die können durchweg überzeugen. Zwar fehlen die ganz großen Stars, doch es finden sich trotzdem einige bekannte Gesichter. Dazu dürften am ehesten die Spielzeugmacher Guy Rolfe (DER UNHEIMLICHE MR. SARDONICUS, 1961) und seine Filmfrau Hilary Mason (WENN DIE GONDELN TRAUER TRAGEN (DON‘T LOOK NOW, 1973)) gehören.

© Koch Films

Während der Sichtung von DOLLS schweift der Betrachter unbewusst immer wieder ab und landet in seiner eigenen Kindheit. Zieht Vergleiche und sieht parallelen zu Gordons Geschichte, so wie es möglicherweise damals mit unseren Spielsachen gelaufen ist. Eine Reise, in der Träume noch die Kraft hatten, eigenes Leben zu entfalten. Zu einer Zeit, in der unsere Fantasie den Mittelpunkt der Welt bildete und nicht der Kontostand auf der Hausbank. Denn genau in dem Moment, wo wir mit Judy und Ralph das große Herrenhaus der Hartwickes betreten, dann erwachen all die Märchen, Geschichten und mysteriöse Gestalten aus unserer Vergangenheit erneut. Alles andere wie das langweilige stereotype Leben oder böse Menschen muss draußen bleiben. Und wagt sich dann tatsächlich ein Fiesling über die magische Türschwelle, sollte er sich vorsehen.

DOLLS (1987)
© Koch Films

Fazit

Dass DOLLS kein waschechter Horrorfilm ist, sondern mehr wie ein Märchen anmutet, dürfte sein größtes Problem sein, damals wie heute. Vor allem die Fans der beiden Ikonen Stuart Gordon und Bryan Yuzna werden sich verwundert die Augen reiben, denn irgendwie passt er so gar nicht ins Oeuvre der beiden. Doch DOLLS ist eine echte Perle des Gruselfilms aus den stürmischen 1980ern und ganz sicher wert von der breiten Masse wiederentdeckt zu werden und somit endlich seinen verdienten Platz in der Genregeschichte einzunehmen. Mit dem prächtigen Mediabook von Koch Films haben nun alle die Möglichkeit, dieses bezaubernde Werk gebührend zu feiern. Denn Gordons DOLLS muss man in sein Herz schließen.

© Stefan F.

Titel, Cast und CrewDOLLS (1987)
Poster
RegisseurStuart Gordon
Releaseseit dem 08.04.2021 im Mediabook (Blu-ray + DVD)

Ihr wollt den Film bei Amazon kaufen?
Dann geht über unseren Treibstoff-Link:
Trailer

Englisch
BesetzungIan Patrick Williams (David Bower)
Carolyn Purdy-Gordon (Rosemary Bower)
Carrie Lorraine (Judy Bower)
Guy Rolfe (Gabriel Hartwicke)
Hilary Mason (Hilary Hartwicke)
Stephen Lee (Ralph Morris)
DrehbuchEd Naha
KameraMac Ahlberg
FilmmusikFuzzbee Morse
SchnittLee Percy
Filmlänge78 Minuten
FSKab 16 Jahren

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert