Wohl jeder, der Jackie Chan-Filme liebt, wird DIE SCHLANGE IM SCHATTEN DES ADLERS kennen oder zumindest vom ihm gehört haben. Für nicht wenige, wie mich, war es vermutlich die erste Berührung mit dem Werk des inzwischen legendären Action-Innovators. Kaum verwunderlich, markiert der Film doch auch historisch den Durchbruch für Chan, der hiermit die Sparte der Kung-Fu-Komödie salonfähig machte und sich damit ins Gedächtnis internationaler Eastern-Fans kämpfte. Zusammen mit SIE NANNTEN IHN KNOCHENBRECHER (alias DRUNKEN MASTER – THE BEGINNING) ist DIE SCHLANGE IM SCHATTEN DES ADLERS dahingehend vielleicht DER Jackie Chan-Kultfilm, weil einerseits eine Kette direkter Nachahmer nach sich zog und andererseits den Ursprung der Action-Kultfigur Jackie Chan begründete.
Es ist jedoch bei weitem nicht sein bester Film. Ich habe den Streifen bestimmt 20 Jahre nicht mehr gesehen und somit vieles vergessen oder in meiner Erinnerung mit all den anderen Chan-Werken ähnlicher Struktur (KNOCHENBRECHER, MEISTER ALLER KLASSEN usw.) vermischt. Deswegen sah ich mich durchaus in der Lage diesen besonderen Genre-Klassiker auch ohne Nostalgiebrille adäquat zu bewerten.
Die Frage, die ich mir dafür stelle: Kann ich DIE SCHLANGE IM SCHATTEN DES ADLERS auch heute noch potentiell jüngeren Action-Fans empfehlen, um sie von der Genialität eines Jackie Chans zu überzeugen?
Dabei ist die Geschichte vom schikanierten Findelkind, das durch einen schrulligen alten Meister zum Kampfsport-Wunder aufgepeppelt wird, vermutlich sogar so inkonisch zeitlos, dass selbst Kinder der 2000er diese angegraute Inkarnation des Themas mit einem wissenden Lächeln quittieren dürften. Und ganz ehrlich, vielleicht ist das sogar die einzig denkwürdige Erzählung, die das Martial Arts-Kino je hervorgebracht hat.
Deutlich schwieriger zu verdauen ist der Humor, welcher die, ansonsten stylistisch eher althergebrachte Kung-Fu-Mär seinerzeit so neuartig erscheinen ließ. Der kommt cool, wenn sich Slapstick mit Artistik und einfallsreichen Szenarien mischt, etwa wenn „der alte Mann“ (Yuen Siu Tien, im echten Leben Vater von „Schlange“-Regisseur und Choreographen-Legende Yuen Woo-Ping) einer Gruppe Strolche mit Reisschale und Essstäbchen einheizt oder Chien Fu (Jackie) seinen Lehrer Li (Dean Shek, A BETTER TOMORROW 2) per gezielten Wischlappenwürfen davon abhält, den frisch geputzten Boden erneut zu verdrecken. Dazwischen gibt es reichlich infantile Albernheiten und Kalauer-Klamauk, die wohl alle über 12 nur mit dem Kopf schütteln lassen. Der Film ist ab 16…
Trashige Laune versprühen dafür diverse Todesszenen, welche kaum eine Parodie weiter ins Lächerliche hätte ziehen können und die beeindruckend plakativ umgesetzten Kampfstile Marke „Schlangenbiss“, „Adlerklaue“ und „Tigerkralle“. Überhaupt sind die Choreographien über jeden Zweifel erhaben und meistens auch originell. Nach über eine Dekade voller Schnittbombardements sind die klaren, langen Einstellungen, die echte Könner ihrer Kampfkunst zeigen für Neugucker vielleicht sogar eine echte Offenbarung, wenngleich die Bewegungsabläufe heutzutage etwas gestelzt wirken. Hier zeigen sich noch die Theater-Wurzeln des Kung-Fu-Kinos.
Einfallslos oder langweilig zu sein, muss sich DIE SCHLANGE IM SCHATTEN DES ADLERS ohnehin nicht vorwerfen lassen. Man kann sich wirklich vorstellen wie die Macher versucht haben, ihr Werk so unterhaltsam wie möglich zu gestalten. Fast jede neue Szene etabliert ein anderes Szenario, mit neuen Ideen, sei es ein reicher Adliger, der seinen verfressenen Sohn auf die bestmögliche Kung-Fu-Schule schicken will, die unkonventionellen Trainingsmethoden des Meisters, wie Chien Fu zu einer neuen Kampftechnik inspiriert wird oder wie der alte Alte Mann einer Falle entkommen muss. Lediglich in der zweiten Hälfte zieht sich das „Mein Kung-Fu ist viel besser als dein Kung-Fu.“-Wechselspiel etwas zu lange hin. Zu loben sei dabei auch das Schaupiel. Trotz der cartoonhaften Überzeichnung fast aller Figuren, sind die Darsteller mit hemmungsloser Spielfreude dabei gewesen. Jackies Wandlung vom einfältigen Prügelknaben zum selbstbewusst-spitzbübischem Prügelass ist ebenso herzerwärmend wie seine Freundschaft zum „Alten Mann“, mit dessen Darstellung sich Yuen Siu Tien auf ewig im Eastern-Genre manifestiert hat.
Kann man DIE SCHLANGE IM SCHATTEN DES ADLERS also heute noch Uneingeweihten empfehlen? Eher nicht. Trotz seiner genannten Qualitäten wirken Inhalt und Umsetzung heute zu altbacken und lassen die Erfahrung des Neuartigen längst vermissen. Für Nichtkenner ist es vermutlich nur ein weiterer alter Kung-Fu-Film, über die heute niemand mehr einen Überblick hat. Zudem sorgt der Humor teils für wahrhaftige Fremdscham. Jackie Chan hat seine Mischung aus Martial Arts, Slapstick und irrsinnigen Showstopper-Stunts (die hier noch kein Thema sind) erst in den 80ern und 90ern so richtig ausgeformt und perfektioniert. Es gibt also weitaus bessere Titel, mit denen man sich der Action-Legende annähern kann.
Sollten sich Fans die Blu-Ray trotzem in die Sammlung holen? Unbedingt! Der Film ist nicht so schlecht gealtert, dass man nicht nochmal in wohliger Erinnerung schwelgen kann. Und wie gesagt, es ist der Startschuss für eine unnachahmliche Karriere, ein filmhistorisch relevantes Werk, das man nun in der bislang besten Bild- und Tonqualität genießen kann. Das heißt leider nicht, dass die visuelle Qualität überragend wäre, was wohl aber auch der billigen Fließband-Machart des Streifens geschuldet ist. Verhunzte Schärfeneinstellungen lassen sich eben nicht wie im Agentenfilm einfach scharfpixeln. Dennoch ist der Sprung beachtlich, vor allem bei den Farben und Sauberkeit des Bildes. Koch Films war so freundlich, die Originalversion mit auf die Scheibe zu pressen. Somit kann sich jeder direkt vom Unterschied überzeugen. Zusätzlich bilden die erwähnenswertesten Extras wohl ein nettes Interview mit Jackie Chan und eine weitere Fassung mit alternativen Soundtrack.
Apropos: Was ich in all den Jahren ebenfalls vergessen habe, sind einige wahrlich energiegeladene Synthiemelodien (Hörtipp für die eigene Trainingssession) sowie dass die Bewegunseffekte in den Kämpfen klingen als würde jemand kräftig auf ein Mikrofon pusten. Vermutlich wurden sie sogar wirklich so aufgenommen. Als mir das auffiel, konnte ich nicht mehr weghören… So wird es euch jetzt wohl auch ergehen. Ihr dürft mir später danken.
Fazit
Die Schlange im Schatten des Adlers steht heute im Schatten vieler besserer Kung-Fu- und speziell Jackie -Chan-Filme. Fans bekommen hier aber jedoch die aktuell beste Version eines der einflussreichsten Beiträge des Eastern-Kinos.