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Die Outsider (1983) – Filmkritik

„Golden Boys“

Wenn Kunst in jugendliche Hände fällt, können wundervolle Werke entstehen. Beim Filmdrama DIE OUTSIDER (THE OUTSIDERS) von Francis Ford Coppola hat alles gepasst. Der Regisseur war zwar zur Filmpremiere bereits 43 Jahre alt, jedoch begann für viele Darsteller der frischen Besetzung ein Startschuss in eine glänzende Karriere: Matt Dillon, Patrick Swayze, Rob Lowe, Emilio Estevez, Tom Cruise und Ralph Macchio. Auch die bezaubernde 17-jährige Diane Lane ist in einer Nebenrolle zu sehen. Aber nicht nur auf Filmproduktionseben ist jede Menge junges Talent zu bestaunen, sondern auch die Buchvorlage aus dem Jahr 1967 ist eine kleine Sensation. Die damals gerade einmal sechzehn Jahre alte Susan E. Hinton schrieb über ihre Schulzeit, von befeindeten Gangs, den „Greaser“ und den „Socs“. Sie erzählt eine packende Jugendgeschichte aus der Perspektive eines vierzehnjährigen Jungen, der in verarmten Verhältnissen in Tulsa, Oklahoma aufwächst. Das Besondere an der Geschichte, wie auch der Verfilmung von Coppola, sind die einfühlsamen Beziehungen innerhalb der Clique der Greaser. Wo bei ähnlichen Geschichten Machorituale vorherrschen, birgt DIE OUTSIDER komplexe Charaktere, die auf verschiedenste Arten daran scheitern sich aus der Welt, in die sie geboren wurden, zu befreien. Liebevolle und sichere Familienverhältnisse bleiben ihnen verwehrt. Die Freunde, für die sie alles tun, sogar ihr Leben geben würden, werden zum Ersatzzuhause.

© Arthaus/Studiocanal

Handlung

Ende der 1960er Jahre in einer amerikanischen Stadt: Die Wohlhabenden leben im Süden und die arme Bevölkerung im Norden. Die Arm-Reich-Schere spiegelt sich auch in den Teenagern wider. Die „Socs“ (Abkürzung für Socials) kommen aus gutem Hause, fahren mit ihren schicken Mustangs durch die Gegend, tragen beige Hochwasserhosen, trinken zu viel und machen Jagd auf schwache, einzelne „Greaser“. Die Greaser haben ihren Namen von ausreichend Pomade (engl. Grease) in ihren Haaren, tragen löchrige Shirts, verwaschene Jeans und sind eher per Anhalter oder zu Fuß unterwegs. Ponyboy Curtis (C. Thomas Howell) ist einer von ihnen, wie auch seine beiden älteren Brüder Darrel „Darry“ (Patrick Swayze) und Sodapopp (Rob Lowe). Die Eltern sind bereits tot und Darry hat das Sorgerecht über seinen kleinen Bruder. Ponyboys Umfeld besteht aus seinen Brüdern und Kumpels wie Two-Bit (Emilio Estevez), Dally (Matt Dillon) und Steve Randle (Tom Cruise), selbstverständlich alles Greaser. Am besten versteht er sich mit dem gleichaltrigen Johnny Cade (Ralph Macchio), der vor kurzem erst von den Socs zusammengeschlagen wurde. Nachdem sich bei einem Autokinobesuch (BEACH BLANKET BINGO, 1965 und MUSCLE BEACH PARTY, 1964) Ponyboy und Johnny mit der schönen Cherry (Diane Lane) anfreunden, eskaliert ein Kampf und Johnny ersticht einen der angreifenden Socs. Nun müssen beide untertauchen.

© Arthaus/Studiocanal

Schools out

Von so etwas wie Schule hört man in DIE OUTSIDER nicht viel. Es dauert sogar bis zum Filmende, um Ponyboy vor dem Schulgebäude zu sehen. Die meisten Greaser haben bereits die Schule abgebrochen, müssen arbeiten, um Geld zu verdienen. An der Tankstelle oder auf der Baustelle finden sie niedrige Löhne und harte Arbeit. Der Film ist jedoch eher ein Herumstreifen durch die armen Stadteile, die Imbissbuden, die Parks oder die Kinos (Ponyboy schaut zu Filmbeginn THE HUSTLER mit Paul Newman). Erwachsene sind nur Randfiguren, haben nichts Sinnvolles zu sagen („Rauchen ist nicht gut“, rauchen aber selbst) und sind dieser orientierungslosen Generation nicht gewachsen. Die Eltern sind Alkoholiker, abgehauen oder nie zu Hause. Die Jungs müssen mit der unfairen Situation, in die sie hineingeboren wurden, umgehen, hinzukommt die Pubertät und der Wunsch nach Revolte. Eine Bande aus Gleichgesinnten ist die wahre Familie und der Konflikt mit den reichen Kids, die alles haben, ohne etwas dafür zu tun, ist vorprogrammiert und auch ein Ablassventil für Aggressionen. Aber was ist, wenn man für diese Welt zu sensibel ist?

© Arthaus/Studiocanal

Vielleicht sind die anderen anders?

Es ist ungewöhnlich mit welcher Nähe die Figuren in DIE OUTSIDER miteinander umgehen. Wie sich die Brüder Curtis immer wieder in die Arme nehmen, aber auch zu gleichen Teilen anschreien. Protagonist Ponyboy mit seiner Begeisterung für Bücher und Filme ist ein Sonderling. Er scheint „was auf dem Kasten zu haben“ und das sehen seine Freunde wie auch Brüder. Sie wollen ihn beschützen. Er ist auch der Einzige, der mit den Socs spricht und versucht sie als Gleichaltrige mit ähnlichen Problemen zu verstehen.

© Arthaus/Studiocanal

Die Freundschaften innerhalb der Gang sind herzlich. Es wird mal gerauft oder der andere provoziert, aber nie über die Gefühle des anderen hergezogen. Die Wut sparen sie sich für die Außenwelt oder ihre Feinde auf. Besonders bei Ponyboy, dem Erzähler seiner Geschichte, ist viel Feingefühl für Beziehungen zu erkennen. Zum Beispiel wenn Ponyboy und Johnny nachts nicht nach Hause wollen, weil der Bruder launisch oder die Eltern sich anschreien, liegen sie dicht nebeneinander auf ein paar alten Autositzen im Park und schenken sich ohne zu zögern Wärme, um mit den paar Klamotten am Leib durch die Nacht zu kommen. Ihre Flucht aufs Land befreit sie förmlich von den Zwängen ihres Lebens. Sie denken über die Zukunft nach, lesen sogar Schulliteratur („Vom Winde verweht“) oder philosophieren über ein Gedicht von Robert Frost:

Nature’s first green is gold,
Her hardest hue to hold.
Her early leaf’s a flower;
But only so an hour.
Then leaf subsides to leaf.
So Eden sank to grief,
So dawn goes down to day.
Nothing gold can stay.

Quasi ein alternativer Lehrplan, wenn man so will. Aber vor allem im Bürgerkrieg aus dem Roman „Vom Winde verweht“ findet sich eine Parallele der befeindeten Gruppen wieder, die nur wegen ihres Geburtsortes kämpfen müssen: Die Nordstaaten gegen die Südstaaten, die Greaser gegen die Socs.

© Arthaus/Studiocanal

Das filmische Auge

Eine Empfehlung ist DIE OUTSIDER nicht nur wegen ihrer Darsteller, sondern auch der prägnanten Inszenierung. Kameramann Stephen H. Burum (MISSION: IMPOSSIBLE, THE UNTOUCHABLES) und Regisseur Francis Ford Coppola (APOCALYPSE NOW, DER PATE I-III) gelingt ein Mix aus 1950er- und 1960er-Jahre-Optik mit sogenannten Split Dioptern und kreativen Einstellungen. Split Diopter sind Kameralinsen, die unterschiedliche Brennweiten in einer Einstellung anbieten. Somit kann der Hintergrund wie auch der Vordergrund scharf abgebildet werden. In DIE OUTSIDER wird es häufig genutzt, um Figuren auch im Hintergrund in den Fokus zu rücken.

© Arthaus/Studiocanal

Fast etwas altbacken wirken hingegen die Einblendungen der Verstorbenen am Ende, wenn Ponyboy den Brief von Johnny vorliest. Vielleicht eine Hommage an die Kinofilme, die Coppola als Teenager im Kino gesehen hat. Das visuelle Highlight ist der Kampf im Park, wenn Ponyboy unter Wasser gedrückt wird. Es ist neben der spannenden Montage zwischen den beiden Greaser auch eine visuelle Erzählung zu erkennen, die ohne die tatsächliche Tat des Erstechens auskommt. Das Springbrunnenwasser um Ponyboy färbt sich auf einmal rot und die Angreifer lassen von ihm ab. Danach dreht sich die Kamera aus dem Brunnen zurück in die Horizontale, um wieder in der Realität anzukommen. Somit wird auch das Begreifen der Tat visuell aus einem wirren Strudel in die Realität der Gewalttat vollzogen.

© Arthaus/Studiocanal

Wenn man über DIE OUTSIDER redet, kommt man nicht daran vorbei auch von RUMBLE FISH, der ebenfalls von Francis Ford Coppola ist und im selben Jahr veröffentlicht wurde, zu sprechen. Hinzukommen derselbe Kameramann wie auch einige Darsteller (Matt Dillon, Diane Lane, Tom Waits). Außerdem ist auch hier die Buchvorlage von Autorin Susan E. Hinton. Thematisch ebenfalls als Bandendrama angelegt, ist der in Schwarzweiß gedrehte RUMBLE FISH wesentlich rauer und künstlerischer als DIE OUTSIDER. Es lohnt sich beide Filme zu sehen und gegenüberzustellen, künstlerisch wie auch inhaltlich.

© Arthaus/Studiocanal

Die Filmfassungen und der Schatz fürs Heimkino

Im Kino erschien eine straffe Version von DIE OUTSIDER mit etwa 90 Minuten Länge. Im Jahre 2005 nahm Coppola noch einmal seinen Film zur Hand und schnitt zusätzliche Szenen hinein, die bereits damals gedreht wurden. Dank seiner Enkelin Gia Coppola kam er auf diese Idee, die in der siebten Klasse das Buch in der Schule behandelte und den Film ihres Opas zeigen wollte. Damit Großvater Francis lästigen Fragen aus dem Weg gehen konnte, warum diverse wichtige Szenen aus dem Buch nicht im Film vorkommen, schnitt er eine 113 Minuten lange Version zusammen. Zum Beispiel der Beginn, wenn Ponyboy verfolgt und bedroht wird, fehlt in der Kinofassung und die schöne Rahmenhandlung des Kinobesuchs gibt es auch nicht. Zudem konnte Coppola bei dieser Extended Version ein paar Elvis-Presley-Songs lizenzieren und einbringen. Somit bleibt der Film musikalisch auch dichter bei den Figuren und der Musik, die sie sicher damals gehört hätten. Der Score von Vater Carmine Coppola musste weitestgehend in der „The Complete Novel“ Fassung weichen.

© Arthaus/Studiocanal
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Im Jahre 2021 kommt man in Deutschland in den Genuss einer komplett synchronisierten Fassung dieser The-Complete-Novel-Version, die wesentlich vielschichtiger ist als die Kinoversion. Zudem wurde noch einmal das Filmoriginal erneut in 4k abgetastet. Das Bild der UHD wie auch Blu-ray ist authentisch, kontrastreich und farblich ausgewogen, ohne seine Entstehungszeit zu leugnen. Für Fans gibt es eine schöne Limited Collector’s Edition in einer Box. Sie enthält beide Fassungen auf 4K-UHD und Blu-ray, teilweise neues Bonusmaterial, Art-Cards und ein Booklet. Die Edition gibt es exklusiv im Arthaus-Shop. Wer es minimalistischer möchte, greift zur neuen Blu-ray, die ebenfalls die Kinofassung wie auch The Complete Novel enthält. Das Bonusmaterial ist hier auch enthalten und für eine UVP von 13 € ein echter Preis-Leistungs-Kracher.

© Arthaus/Studiocanal

Fazit

Stimmiger Mix aus vielen Jahrzehnten Filmgeschichte und ein authentisches Drama, was große Lust auf das Buch macht. DIE OUTSIDER hat sich über die Jahre hinweg einen sehr guten Ruf dank der lebendigen Inszenierung und dem immer bekannter werdenden Cast erarbeitet. Allein schon wegen einem Adonis-Patrick-Swayze und einem debilen Tom Cruise mit einer Schwäche für Schokokuchen eine Zeitreise wert.

© Christoph Müller

Titel, Cast und CrewDie Outsider (1983)
OT: The Outsiders
Poster
ReleaseKinostart: 16.06.1983 (BRD)
ab dem 11.11.2021 restauriert auf Blu-ray und DVD,
sowie in einer Collector's Edition (2x UHD und 2x BD) - Arthaus-Shop-exklusiv

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RegisseurFrancis Ford Coppola
Trailer
BesetzungC. Thomas Howell (Ponyboy Curtis)
Matt Dillon (Dallas Winston)
Ralph Macchio (Johnny Cade)
Patrick Swayze (Darrel Curtis)
Rob Lowe (Sodapop Curtis)
Emilio Estevez (Two-Bit Matthews)
Tom Cruise (Steve Randle)
Glenn Withrow (Tim Shepard)
Diane Lane (Cherry Valance)
Leif Garrett (Bob Sheldon)
Darren Dalton (Randy Anderson)
Michelle Meyrink (Marcia)
Tom Waits (Buck Merrill)
Gailard Sartain (Jerry)
William Smith (Store Clerk)
DrehbuchKathleen Rowell
BuchvorlageNach dem Roman THE OUTSIDERS von S.E. Hinton
KameraStephen H. Burum
MusikCarmine Coppola
SchnittAnne Goursaud
FilmlängeKinofassung ca. 90 Minuten
The Complete Novel: 113 Minuten
FSKab 12 Jahren

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