Die Welle an nostalgischen Releases hatte es wieder gut gemeint. Stetig kehren längst vergessene Perlen der Filmgeschichte ans Tageslicht zurück und lassen im scharfen HD-Format eine kleine Zeitreise gelingen. Im Fall von DIE MASKE geht es nicht nur in die Biker-Szene von Los Angeles und den Drogenmissbrauch einer alleinerziehenden Mutter, sondern auch in das Leben eines Teenagers, der äußerlich abschreckt, aber menschlich einer der sympathischsten Teenies jener Filmepoche ist. Heute hätte man diese Geschichte viel dramatischer, krampfhaft politisch korrekt und wesentlich steifer inszeniert.
Regisseur Peter Bogdanovich hatte bereits 1985 die perfekte Version der Geschichte um Rocky Dennis verfilmt. Leider kam diese Schnittfassung nicht in die Kinos. Universal Pictures wusste mit der Behinderung seiner Hauptfigur im Marketing nicht umzugehen und kürzte die Version um sieben Minuten. Aber Regisseur Bogdanovich ließ das Negativ aus den Lagern des Studios „sicherstellen“. So war es möglich, dass besagte Geschäftsetage der Filmstudios, die so einen Film heute niemals drehen würde, aber im Respekt der künstlerischen Leistung, vor wie auch hinter der Kamera, dann doch freigab. Jetzt kommen wir in den ungeschnittenen Genuss eines Films, den wenige kennen werden. DIE MASKE balanciert mit vielen schwierigen Themen leichtfüßig, was vor allem an Protagonist Rocky liegt, der trotz abstoßenden Aussehens seine Mitmenschen in gute Laune versetzt. So fühlt man sich als Zuschauer sogar bei einer versoffenen Motorradmeute wohl.
Handlung
Mutter Rusty (Cher) ist latent drogenabhängig und das eigene Heim muss immer wieder für Treffen ihrer Motorradgang herhalten. Selbst ihre stetig wechselnden Bettgenossen sind nicht Rockys größtes Problem. Der 16-Jährige (Eric Stoltz) leidet unter kraniodiaphysärer Dysplasie. Calcium lagert sich unentwegt in seinen Gesichtsknochen ein und deformiert sein Gesicht, das unaufhörlich wächst, seine Augen immer weiter auseinanderdrückt und seine Nase fast verschwinden lässt. Hinzu kommen starke Anfälle von Kopfschmerzen und immer wieder die Nachricht der Ärzte, dass er nur noch wenige Monate zu leben hat. Das erzählen die Mediziner aber schon seit Jahren und Rocky will erst einmal seinen Schulabschluss machen. Da sind die entsetzten Blicke und Hänseleien seiner Mitschüler im Vergleich zum nahen Tod ein Klacks. Vor allem möchte Rocky aber sein Leben als Teenager genießen, verliebt sein, Reiseträume für die Zeit nach der Schule erspinnen und zum ersten Mal ein Mädchen küssen.
Vorurteile ade
DIE MASKE spielt schon zu Beginn mit unseren Erwartungen. Vielleicht hatte man Eric Stoltz mit seinem entstellenden Make-up bereits auf ein paar Fotos oder im Trailer gesehen. Der Filmbeginn zeigt uns jedoch sein Gesicht nicht sofort, sondern lässt einen augenscheinlich normalen Teenager durch sein Zimmer springen und aus den Boxen dröhnt Bruce Springsteen mit BADLANDS. Im Schatten und Schutz der Vorhänge scheint diesen Jungen nichts aufhalten zu können – und so ist es auch. Ein Trupp Motorradrocker eskortiert ihn und seine Mutter zu den ärztlichen Untersuchungen und zur Schulanmeldung. Wenn sich Hindernisse in Bürokratie oder mitleidigen Empfehlungen auftun, ist Mutter Rusty zur Stelle und redet ihr Gegenüber in Grund und Boden. Immer wieder ertappt man sich dabei, auf die deformierten Proportionen von Rockys Gesicht zu starren, wir können das unbemerkt tun, aber alle Statisten oder Nebendarsteller bekommen das selbstbewusste Grinsen eines klugen Jungen als Antwort.
Aber nicht nur bei körperlichen Einschränkungen lehrt uns DIE MASKE hinter das Äußere zu blicken, sondern auch bei der Clique von Außenseitern, welche um die kleine Familie kreist. Die Motorradgang hat wider Erwarten fast schon familiär freundliche Strukturen – das mit den Hundewelpen ist dann vielleicht doch zu viel. Die Mitschüler sind natürlich erstmal abgestoßen, kommen jedoch dann schnell mit dem jungen Wirbelsturm klar. Selbst das Schönlingspärchen der Klasse hat in Rocky einen Freund gefunden. Nachhilfe kann man nicht nur unter der Androhung von Gewalt, sondern auch im Austausch gegen ein paar Dollars erhalten. DIE MASKE ist eben ein Film der Außenseiter, die bei kleinen Auftritten glänzen können. Sei es die afroamerikanische Lehrerin, der stumme Raufbold oder der lernschwache beste Freund. Im Zentrum steht Rocky, der alle zusammenhält und gleichbehandelt. Trotz einiger Klischees, welche leider immer wieder ihren Platz im Drehbuch finden, bleibt die Erzählung von Anna Hamilton Phelan (DURCHGEKNALLT, GORILLAS IM NEBEL) menschlich. Selbst Cher, der Star des Films und auch die einzige schauspielerische Schwäche in der Besetzung, kommt verhältnismäßig echt rüber. Drogenkonsum lässt genug Raum für ungelenke Bewegungen. Charismatischer Eckpfeiler ist Sam Elliott (THE RANCH, THE BIG LEBOWSKI), der im engen T-Shirt eine gute Figur macht und Cher anscheinend einige schauspielerische Kniffe mit auf den Weg gegeben hat.
Richtig authentisch kommt der Film dank seiner echten Drehorte nahe Los Angeles zur Geltung. Immer wieder rauschen Autos im Hintergrund vorbei und selbst Friedhöfe sind nur durch einen Maschendrahtzaun von der nächsten großen Kreuzung getrennt. Auch die Innenaufnahmen sind nicht im Studio gedreht und so sind die kleinen Räume auch ein Zeugnis der geringen finanziellen Mittel der Familie. Das Sommercamp mit seinen echten Statisten ist durch keine gutbezahlte Komparsen-Mannschaft zu ersetzen. Richtig süß und vielleicht für diesen Film einen Hauch zu hübsch ist Laura Dern in einer ihrer ersten Spielfilmrollen zu sehen.
Das Mediabook
Justbridge Entertainment ist es nicht nur gelungen den Film auf HD emporzuheben, sondern uns endlich den 127 Minuten langen Director´s Cut zu zeigen. Jedoch nur im Originalton mit deutschen Untertiteln, was aber für die Schauspielerleistung ein Gewinn ist. Das Mediabook verfügt über zwei Blu-ray-Discs mit der Kinoversion und besagter Langfassung. Extras gibt es keine. Ein 20-seitiges Booklet zur wahren Geschichte von Rocky und Rusty Dennis mit der Entstehung der Verfilmung runden das gute Preis-Leistung-Verhältnis ab. Ein Mediabook ohne unnötige DVD. Das Bild der Abtastung ist scharf, jedoch etwas kontrastschwach, was sich vor allem in nächtlichen Szenen zeigt, wo Schwarz zu Grau wird. Die Farben sind etwas unausgewogen, passen jedoch gut zum Feeling der Sommerzeit. Der Ton ist sauber abgemischt.
Fazit
Unerwartet schleicht sich DIE MASKE ins Herz seiner Zuschauer, auch wenn einem stets bewusst ist, dass manche Dinge einfach zu gut laufen. Dadurch berührt und das Ende umso mehr. Auch wenn einem nur Phrasen von Tageskalendersprüchen einfallen wollen, kann man es nicht abstreiten, dass es immer wieder wichtig ist hinter die Fassade zu blicken, auch wenn sie noch so unnatürlich wirkt.
Titel, Cast und Crew | Die Maske (1985) OT: Mask |
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Poster | |
Release | ab dem 12.06.2020 im Mediabook auf Blu-ray Ihr wollt den Film bei Amazon kaufen? Dann geht über unseren Treibstoff-Link: |
Regisseur | Peter Bogdanovich |
Trailer | |
Besetzung | Cher (Rusty Dennis) Sam Elliott (Gar) Eric Stoltz (Rocky Dennis) Estelle Getty (Evelyn) Richard Dysart (Abe) Laura Dern (Diana) Micole Mercurio (Babe) Harry Carey Jr. (Red) Dennis Burkley (Dozer) |
Drehbuch | Anna Hamilton Phelan |
Kamera | László Kovács |
Filmmusik | Dennis Ricotta |
Schnitt | Barbara Ford |
Filmlänge | 120 Minuten Kinoversion 127 Minuten Director's Cut |
FSK | ab 12 Jahren |
Chefredakteur
Kann bei ZURÜCK IN DIE ZUKUNFT mitsprechen / Liebt das Kino, aber nicht die Gäste / Hat seinen moralischen Kompass von Jean-Luc Picard erhalten / Soundtracks auf Vinyl-Sammler / Stellt sich gern die Regale mit Filmen voll und rahmt nur noch seine Filmposter