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Die Körperfresser kommen (1978) – Review des Mediabooks

Sie sind wieder da

Außerirdische Organismen, fliegende Sporen, entspringen einem fremden Planeten und bewegen sich durchs All. Sie finden unsere Erde, entfalten sich, infizieren sie und uns. Die Menschen werden schon bald in sogenannten Pods dupliziert. Jeder ist austauschbar. Der menschliche Körper verkommt zur Hülle, in der Funktion, sich selbst neu und dabei doch etwas anderes hervorzubringen. Da ist etwas Fremdes, das uns zum Verwechseln ähnelt, uns aber von innen heraus zerstören wird. Philip Kaufmans Neuverfilmung von Jack Finneys Roman „Invasion of the Body Snatchers“ (1954) zählt zu den großen Glücksfällen der Filmgeschichte, zudem entstanden im – ich betone es immer wieder gern – besten Jahrzehnt, den 1970ern. Hier vereinigen sich atmosphärische Bild- und Tongestaltung, ein dichtes, spannendes Szenario und formidables Spiel aller Beteiligten zu einem gelungenen Ganzen, das bereits bei Erscheinen den Eindruck von Don Siegels Erstverfilmung DIE DÄMONISCHEN (1957) übertraf und bis heute als die gelungenste Filmversion des Stoffes gilt. Das war noch vor ALIEN (1979) und John Carpenters THE THING (1982), als der infiziert-monströse Horror im Kino zu extremen Formen heranwuchs. Kaufmans INVASION OF THE BODY SNATCHERS (DIE KÖRPERFRESSER KOMMEN) trägt sehr viel vom Paranoia-Kino seines Jahrzehnts in sich, der Science-Fiction-Horror ist vor allem eine Geschichte über Menschen, unter Menschen. Sie ist beklemmend und dramatisch, lässt aber inmitten des immer erschreckenderen Body-Swap-Horrors auch Momente des Humors zu, wie die Macher in den Dokumentationen mehrfach betonen.

© Capelight Pictures

Unser Teammitglied Andreas (der Echte) hat in seiner während der Corona-Pandemie verfassten Besprechung DIE KÖRPERFRESSER KOMMEN (1978) bereits ausführlich gewürdigt. So sei an dieser Stelle, als Besprechung des Werks selbst, auf seinen Artikel verwiesen, der zum damaligen Zeitpunkt kurz auf die via Österreich vertriebene, einzige deutsche HD-Fassung verwies. Die folgenden Zeilen dürfen nun als weiteres Eintauchen verstanden werden, diesmal mit Blick auf die hierzulande neu veröffentlichte, umfänglich restaurierte und üppig ausgestattete Heimkino-Version. Ein solches Meisterstück der Filmgeschichte verdient eine mehr als würdige Edition – das ist dann auch die Erwartungshaltung – und diese wollen wir nun genauer in den Blick nehmen.

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Der Standard für Klassiker-Restaurierung ist, je nach Verfügbarkeit, mindestens detailgetreuer 2K- oder 4K-Scan und entsprechendes digitales Remastering unter Beibehaltung des Filmkorns, ein möglichst passender Abgleich auf die ursprünglichen Farben und Kontraste (auch wenn diese nie ganz dem Pendant einer einst neuartigen 35mm-Kinokopie entsprechen). Capelight setzen hier bei Klassikern regelmäßig Standards, sei es bei IM WESTEN NICHTS NEUES, PHASE IV oder ROLLERBALL. DIE KÖRPERFRESSER KOMMEN reiht sich vorbehaltlos in diese Schmuckstücke ein, wobei hier – sowohl auf Blu-ray als auch auf UHD mit HDR10 und Dolby Vision – die 4K-restaurierte Version ganz hervorragend zur Geltung kommt. Minimale digitale Artefakte können nicht vom durchgängig feinkörnigen, detailreichen und doch altersgemäßen Bild ablenken, dass den 1970er-Klassiker in schönstem dunklem Glanz neu erstrahlen lässt. Die Kontrastwerte wurden nicht nachträglich unnötig in die Höhe geschraubt, die zahlreichen dunklen Szenen wirken sehr gut, wenn sich die Schatten zwischen dunklem Grau und fast Schwarz bewegen, aber die Dunkelflächen dabei nicht das Bild verschlucken. Zwischenfazit: Besser sah der Film fürs Heimkino nie aus (und wird es wohl auch nicht mehr). Ein Genuss fürs Auge.

© Capelight Pictures

Ebenso schön verhält es sich mit dem Ton. Der liegt für die englische und deutsche Sprachfassung zunächst in Mono PCM 2.0 vor, also eine vom originalen Monoton erweiterte Stereospur, die frontal, direkt und klar klingt. Zudem wurde aber, und das wird die Deutschfans unter uns sehr freuen, die hiesige Synchro auf Basis der englischen DTS HD Master Audiospur auf 5.1 erweitert, wobei die deutsche Sprachfassung nun auf mehrere Kanäle verteilt und komplett remastered erklingt. Diese Fassung stellt für das hiesige Publikum den neuen Standard dar, weil sie zugleich raumfüllender, aber auch ausbalancierter und klarer ertönt (Sound, Musik sowie Dialoge) als die bisher bekannte Mono- bzw. Stereospur. Zwar klingt die Originalsprachfassung von DIE KÖRPERFRESSER KOMMEN in DTS 5.1 immer noch einen Tick besser, aber ähnlich sorgfältige Aufbereitungen bzw. Upgrades einer deutschen Version wünscht man sich nach dem Hören nunmehr bei vielen Klassikern. Die beiden Filmdiscs (Blu-ray und UHD) beinhalten neben zwei Trailern auch zwei Audiokommentare: ein Originalkommentar mit dem Regisseur (wahlweise mit Untertitel) und ein neu produzierter deutscher Audiokommentar.

Es sind neben dem hervorragenden Bild vor allem die neu aufbereitete deutsche Tonspur sowie das gelungene Booklet, die den Rahmen für diese grundlegend neue 4K-Mediabook-Edition zu DIE KÖRPERFRESSER KOMMEN bilden, die zudem bei der materiellen Verarbeitung punktet: feine Leinentextur der Book-Ummantelung (wie bereits bei HEAVEN’S GATE und anderen Klassikern), hochqualitativer Druck mit dem internationalen/deutschen Motiv (vorne) sowie einem alternativen, farbkräftigen englischen Artwork auf der Rückseite. Das Papier im Mediabook ist wie gewohnt bei capelight matt gehalten und ebenso hochqualitativ bedruckt, mit sowohl üppig Text als auch ikonischen Bildern aus dem Film. Der Booklet-Text stammt von Leonhard Elias Lemke, dessen Klassiker-Texte für capelight mich bisher ausnahmslos überzeugt haben, weil er sehr gut recherchiert, ansprechend schreibt und dabei in ausgewählte Texte das Vielfache an Energie und kluge Gedanken steckt als manch andere Kollegen. Ähnlich wie bei PHASE IV verfolgt er hier einen tiefergehenden Ansatz, nun weniger, um über einen Filmemacher (Saul Bass) und sein Werk einen definitiven, kontextualisierenden Text zu liefern, sondern um sich hier ausführlich mit den im Film verhandelten Themen und Motiven zu beschäftigen, dem dunklen Herzen der BODY SNATCHERS auf den Grund zu gehen. Analytische und produktionsbedingte Aspekte werden beide berücksichtigt, wobei es schön ist, dass dem Analytischen mehr Raum gegeben wird, da es die Zeitlosigkeit des Films unterstreicht und zudem Redundanzen (in Bezug auf die zahlreichen Making-of-Featurettes) vermeidet.

© Capelight Pictures

Ich kann mich nur wiederholen – und werde dies weiter tun: Leider ist capelight mittlerweile das einzige Label hierzulande, das die Booklet-Autor/innen auf der Umverpackung, also dem rückseitig abnehmbaren Datenblatt, bei der detaillierten Aufzählung aller Extras verschweigt; erst im Innenteil, beim Text selbst, werden die Verfasser der guten Gedanken sichtbar. Prinzip hin oder her: Es bleibt ein Nogo und auch eine Respektlosigkeit gegenüber den willentlich Mitarbeitenden. Denn Autor Leonhard Elias Lemke ist im Rahmen dieser Edition nicht weniger wichtig als Kritiker Kim Newman (Videofeature) oder Filmregisseur Ulrich von Blum mit Filmautor Patrick Bennat, die zusammen den brandneuen deutschen Audiokommentar eingesprochen haben und ebenfalls essenzielle Motive des Films sowie dessen kulturelle Bedeutung im Dialog behandeln. Warum gerade capelight, die so sorgfältig arbeiten und regelmäßig Vorzeige-Produkte abliefern, da nicht endlich einmal über ihren Schatten springen, bleibt so rätselhaft wie das Verhalten der Body Snatchers im Film.

© Capelight Pictures

Bei den audiovisuellen Extras schließlich hat man ein imposantes Rundum-sorglos-Paket geschnürt, wobei Bonusmaterial aus drei internationalen Veröffentlichungen zusammengetragen wurde. Die im Folgenden nummerierten Features stammen von bisherigen HD-Editionen (DVD aufwärts; Features 1-4 plus Regie-Audiokommentar), von der 2013 veröffentlichten Blu-ray-Edition von Arrow Video (5-6) sowie Interviews (7-10) der neueren Ausgabe von Shout Factory aus dem Jahr 2016. Insgesamt weist das Bonusmaterial, das – mit Ausnahme der Audiokommentare natürlich – auf eine Extra-Blu-ray gepackt wurde, eine Laufzeit von über 160 Minuten auf. Genauso sollte man die Kapazität von hochqualitativen Medien im Rahmen einer Sammleredition nutzen, sodass auch der Speicherplatz der Filmdiscs nicht unnötig belegt wird und die Hauptattraktion bestmöglich zur Geltung kommt. Im Folgenden eine kommentierte Auflistung der knapp dreistündigen Bonusfeatures auf Disc 3 (Blu-ray).

© Capelight Pictures

Bonusmaterial

1, Making-of „Re-Visitors from Outer Space“ (16:14)

Mit Donald Sutherland, Veronica Cartwright, Philip Kaufman, Drehbuchautor W. D. Richter, Kritiker Christopher Vogler und mehr. Archiv-Dokumentation von ungebrochen faszinierender und informativer Qualität. Highlights: „Die Pods wurden zu einer Metapher für die Gleichschaltung, die uns die Gesellschaft abverlangte. Man verlangte eine neue Massenkultur, die auf die ganze Welt anwendbar sein sollte. Um das zu erreichen, muss man einen Teil seiner Individualität aufgeben.“ Christopher Vogler (7:40-8:02); sowie: „Für uns war dagegen der Mensch der Protagonist.“ (W. D. Richter) – „In unserer Version von Body Snatchers geht es um die menschliche Charakterentwicklung.“ (Philip Kaufman (8:47-8:57)

2, Über die effektreiche Anfangssequenz / SFX-Featurette (4:38)

3, Sound-Design in BODY SNATCHERS mit Ben Burtt, bekannt für seine zahlreichen innovativen Arbeiten (u. a. STAR WARS) (12:47)

4, Über die Kameraarbeit des Films – auch über die besondere Farbgestaltung, im Sinne des Film noir / mit Michael Chapman (Director of Photography), bekannt u. a. für TAXI DRIVER (5:24). Dabei wird auch San Francisco als Schauplatz im Besonderen berücksichtigt.

5, Interview-Feature (Podiumsdiskussion) mit dem renommierten Autor und Kritiker Kim Newman und den Filmemachern Norman J. Warren und Ben Wheatley (51:53). Sehr ausführliches, informatives und teilweise etwas kreisendes Gespräch. In seiner Art aber mit Alleinstellungsmerkmal und mit 10 Jahren noch halbwegs aktuell. Anstelle des großen Obstkorbes hätten Blumen auf dem Tisch vor den drei Herren besser gepasst. Bemerkung: Als Infektionsgeschichte wurde die Body Snatchers-Thematik während der Corona-Pandemie rauf und runter besprochen. Das hätte man hier zusätzlich als – möglicherweise auch deutsches – Videofeature mit in die Edition aufnehmen können, zumal sich hier eine Reihe von Filmen anbietet (allein vier direkte Adaptionen von Jack Finneys Roman).

6, Interview mit Finney-Experte Jack Seabrook („Stealing Through Time: On the Writings of Jack Finney“, 2006) (11:15) – Film- und kulturhistorisches Highlight, leider etwas gestrafft, über die Einflüsse der Originalgeschichte, ihre Motive, samt von Seabrook souverän moderierter Kurzbiografie des Romanautors. Die kompakte Länge von gut 10 Minuten wird dank der Dichte des Informationsgehalts optimal genutzt.

7, Interview mit Schauspielerin Brooke Adams (9:06)

8, Interview mit Drehbuchautor W. D. Richter (15:43)

9, Über die Filmmusik mit Komponist Denny Zeitlin (15:34)

10, Interview mit Schauspieler Art Hindle (25:04)

Die letzten vier Interviews sind relativ junge Beiträge und stammen von der 2016 erschienenen US-Edition des Films via Shout Factory. Was durch die Audiokommentare (die beide hörenswert sind), frühere Featurettes und die Arrow Specials noch nicht abgedeckt sein sollte, kommt hier endgültig in ausführlichen und persönlichen Anekdoten ans Licht. Insgesamt stellt Disc 3 wie erwähnt ein Rundum-sorglos-Paket dar.

© Capelight Pictures

Fazit

Abgesehen vom permanenten Fauxpas der rückseitigen Nichtnennung ihrer Booklet-Autor/innen haben capelight pictures erneut eine mustergültige Heimkinoedition auf den Markt gebracht. Philip Kaufmans Klassiker des Science-Fiction-Horrors DIE KÖRPERFRESSER KOMMEN (1978) erstrahlt 4K-restauriert in neuem dunklem Glanz auf Blu-ray und UHD, mit verbesserter deutscher Tonspur und insgesamt 6,5 Stunden Bonusmaterial sowie sehr lesenswertem Booklet, alles verpackt in einem hochwertigen 3-Disc-Mediabook. Damit ist diese umfassend kuratierte Edition die weltweit beste und lässt alle bisherigen Veröffentlichung hinter sich. Ein perfektes Wiedersehen mit den Body Snatchers und somit volle Flux-Punktezahl.

© Stefan Jung

Titel, Cast und CrewDie Körperfresser kommen (1978)
OT: Invasion Of The Body Snatchers (1978)

Poster
Releaseseit dem 27.10.2023 im Mediabook (UHD + Blu-ray + Bonus-Blu-ray) und einzeln auf DVD erhältlich.

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RegisseurPhilip Kaufman
Trailer
BesetzungDonald Sutherland (Matthew Bennell)
Brooke Adams (Elizabeth Driscoll)
Jeff Goldblum (Jack Bellicec)
Veronica Cartwright (Nancy Bellicec)
Leonard Nimoy (Dr. David Kibner)
Art Hindle (Dr. Geoffrey Howell)
Lelia Goldoni (Katherine Hendley)
DrehbuchW.D. Richter
BuchvorlageNach dem Roman THE BODY SNATCHERS von Jack Finney
KameraMichael Chapman
FilmmusikDenny Zeitlin
SchnittDouglas Stewart
Filmlänge116 Minuten
FSKab 16 Jahren

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