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Die grellen Lichter der Großstadt 1988)

Die grellen Lichter der Großstadt (1988) – Filmkritik

„Das Pulver der Erkenntnis“

Das New York Ende der 80er Jahre verströmt immer noch Coolness. Vielleicht liegt es daran, dass es sich zu jener Zeit in cineastischer Aufbruchsstimmung befand und gerade so den Cop-Storys enstieg mit den dreckigen Seitenstraßen, in denen immer die Mülltonnen bei Verfolgungsjagden durch die Gegend flogen. Die Stadt verließ Ende der 80er Jahre die Startlöcher in eine neue Ära: Angefeuert vom gierigen Kapitalismus (WALL STREET, 1987) zeigte sie bald blitzblank gefegte Gehsteige und zauberte eine Idylle auf die Leinwand (HARRY UND SALLY, 1989), die es wahrscheinlich nie gegeben hat. Zu gern würde man in diese Zeit zurückreisen, als Brooklyn noch mehr Gewerbe- als Wohnraum hatte und Normalverdiener sich eine Wohnung in Manhattan leisten konnten. Moment mal, dafür braucht man keine Zeitmaschine, denn ironischerweise bringt uns Michael J. Fox in DIE GRELLEN LICHTER DER GROSSSTADT genau dorthin. Aber Vorsicht, die Hauptfigur ist so gar nicht wie Marty McFly, denn Jamie hat jede Menge Wodka und Kokain intus.

Die grellen Lichter der Großstadt (1988)
Jamie Conway (Michael J. Fox) // © Koch Films

Handlung

Jamie Conway (Michael J. Fox) ist im Nachleben von New York so richtig angekommen. Koksend und trinkend feiert er mit seinem Kumpel Tad Aligash (Kiefer Sutherland) durch die Clubs. Den Sonntag verschläft er und lässt sich am Montag von der Kollegin aus dem Bett klingeln. Jamie arbeitet als Lektor bei einem Reportage-Magazin. Seine Chefin stört nicht nur seine Unpünktlichkeit, sondern auch seine oberflächliche Kontrolle der Texte. Ja wir sind hier im Prä-Internet-Zeitalter, da gab es noch Berufe, bei denen Autoren in Bezug auf Wahrheitsgehalt noch auf die Finger geschaut wurde. Aber bei Jamie ist die sprichwörtliche Luft raus, was auch an seiner gescheiterten Ehe mit dem Modell Amanda (Phoebe Cates) liegt, aber noch viel mehr an seiner Vergangenheit im ländlichen Kansas.

Die grellen Lichter der Großstadt (1988)
Amanda (Phoebe Cates) // © Koch Films

Fox-Show

DIE GRELLEN LICHTER DER GROSSSTADT lebt vor allem von dem charismatischen Michael J. Fox. Gerade einmal ein Jahr nach DAS GEHEIMNIS MEINES ERFOLGS (1987) zeigt er mit der Figur Jamie die Kehrseite eines erfolgshungrigen jungen Manns, der auf mehreren Ebenen scheitert. Fox wirbelt durch die Szenen, spielt den verlassenen Ehemann und den talentierten Autor sympathisch auf. Es macht, trotz des bedrohlich hohen Drogenkonsums, Spaß ihn im Anzug durch die Straßen New Yorks streifen zu sehen und sich durch die Fehltritte seines Jobs zu hangeln. Seine Gedanken, die immer wieder aus dem Off zu hören sind, verstärken den Schriftsteller-Aspekt seiner Rolle. Aber diese Zeilen sind meist zu schwach gewählt, um sich wirklich in den Vordergrund zu arbeiten. Der Film ist vor allem ein Drama eines gestrandeten Jungen vom Land mit Sinnessuche in der Großstadt.

Tad Aligash (Kiefer Sutherland) // © Koch Films

Das Drehbuch basiert auf dem Bestseller EIN STARKER ABGANG von Jay McInerney von 1984. Das oberflächliche Gehabe des Yuppie-Zeitalters, welches ironisch im Buch parodiert wird, findet hier immer wieder seinen Weg in die Handlung. Über dem Bett von Jamie gibt es eine Fotografie worauf eine Person zu sehen ist, von der ein Gesichtsabdruck gemacht wird. Es ist stilvoll in Schwarzweiß abgelichtet. Die Strohhalme, welche zum Atmen in den Nasenlöchern stecken, wirken wie ein Metapher für das Koksen einer gesichtslosen Menge. Bis zum letzten Drittel müssen wir warten, um zu erfahren, dass es ein Foto von Amanda ist, die ihr Gesicht für eine Schaufensterpuppe hergegeben hat. Der richtige Absturz in der New-Yorker-High-Society kommt für Jamie jedoch nicht. Dafür bleibt DIE GRELLEN LICHTER DER GROSSSTADT zu brav, was aber auch beim Zuschauer die Schutzmauern fallen lässt. Spätestens, wenn sich ein Frettchen im Schritt von Kiefer Sutherland verbissen hat, lässt man sich auf diese 80er-Jahre-Filmperle gänzlich ein. Aber dafür kommt das Ende umso ergreifender auf uns zugerollt und die Erkenntnis, dass Michael J. Fox nicht nur der zeitreisende Marty sein kann.

Die grellen Lichter der Großstadt (1988)
Vicky (Tracy Pollan) und Jamie (Michael J. Fox)© MGM

Der Einfluss der echten Welt

Michael J. Fox packte nach dem Erfolg von ZURÜCK IN DIE ZUKUNFT (1985) seine Chancen mit beiden Händen und gab in Hollywood Vollgas. Wo sich DAS GEHEIMNIS MEINES ERFOLGS (1987) noch als reine Unterhaltungslachnummer zu erkennen gibt, ist es hier vor allem Regisseur James Bridges (MIKE’S MÖRDER, PERFECT) zu verdanken, dass nicht nur Fox eine neue Seite zeigt, sondern auch die Handlung realitätsnah bleibt. Drogenabstürze bis zur kotzenden Besinnungslosigkeit oder verkaufsfördernde Sexszenen gibt es nicht zu sehen. Vor allem den damals schon altbackenen Beruf Jamies im Kontrast zu den Bässen und Neonlichtern der Tanzflächen, fängt Bridges gleichwertig ein. Zwei Szenen bleiben noch lange in Erinnerung: Jamies Treffen zur Mittagspause mit einem Kollegen, der bereits mit Fitzgerald und Faulkner um die Häuser gezogen ist. Jamie kann kurz mal seinen Liebeskummer und das bolivianische Pulver vergessen, wenn Mr. Hardy (Jason Robards) von den Problemen guter Schriftsteller spricht und beide sich einen Martini nach dem anderen hinter die Binde kippen.

Jamie Conway (Michael J. Fox) und Mr. Hardy (Jason Robards) // © Koch Films

Dann kommt es nur ein einziges Mal zu Romantik in einer Szene, wenn Jamie Ted den Gefallen tut, dessen Cousine Vicky auszuführen. Beide verbringen einen ehrlichen, schönen Abend miteinander, der mit einem Kuss im Schatten der ikonischen Reihenhäuser New Yorks besiegelt wird. Umso schöner ist diese Szene, wenn man in der lesenswerten Autobiografie von Michael J. Fox COMEBACK erfährt, dass es bei diesem Filmdreh zwischen ihm und der Darstellerin Tracy Pollan gefunkt hat. Auch weil sie ihm nach Drehschluss einen Song vorgespielt hatte, indem auf John Belushis Drogenkonsum eingegangen wird. Ihr Hinweis für Fox, der zu dieser Zeit dem Alkohol stark zugeneigt war. Er sah wohl spätestens da seine Traumfrau in Tracy Pollan, die er bereits aus der Serie FAMILIENBANDE kannte. Beide sind seit 1988 glücklich miteinander verheiratet. Mit diesem Hintergrund gewinnt DIE GRELLEN LICHTER DER GROSSSTADT noch einmal mehr an Bedeutung, neben dem traurigen Fakt, dass dies die letzte Regiearbeit von James Bridges war, der 1993 an Krebs verstarb.

Die grellen Lichter der Großstadt (1988)
BRIGHT LIGHTS, BIG CITY James Bridges und Michael J. Fox  in New York, 1988 // © United Artists

Fazit

Ein wundervoller Geheimtipp für Fans des 80er-Jahre-Kinos. Auch wenn die literarische Qualität der Buchvorlage nicht ganz in den Vordergrund rücken möchte, bleibt es ein Film mit Aussage. Nicht etwa „Finger weg von den Drogen“, sondern dass diese nur das Ventil für emotionale Leiden sind wie hier der Verlust der Familie.

© Christoph Müller

Titel, Cast und CrewDie grellen Lichter der Großstadt (1988)
OT: Bright Lights, Big City
PosterDie grellen Lichter der Großstadt (1988)
Releaseab dem 09.05.2019 auf Blu-ray und DVD
Bei Amazon bestellen:
RegisseurJames Bridges
Trailer
BesetzungMichael J. Fox (Jamie)
Kiefer Sutherland (Tad)
Phoebe Cates (Amanda)
Swoosie Kurtz (Megan)
Frances Sternhagen (Clara)
Tracy Pollan (Vicky)
Dianne Wiest (Mother)
DrehbuchJay McInerny
BuchvorlageNach dem Roman EIN STARKER ABGANG von Jay McInerny
Kamera Gordon Willis
MusikDonald Fagen
SchnittGeorge Berndt
John Bloom
Filmlänge106 Minuten
FSKab 16 Jahren

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