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Die Farbe Lila (2023) – Filmkritik

„Leuchtend“

Remakes und Neuauflagen sind nicht gerade die Formate, die mit dem Wort Überraschung in Verbindung gebracht werden. DIE FARBE LILA (2023) ist aber die Ausnahme von der Regel. 1985 verfilmte bereits Steven Spielberg den mit dem Pulitzer-Preis geehrten gleichnamigen Roman der Schriftstellerin und politischen Aktivistin Alice Walker. Diskriminierung, Ungerechtigkeit und Rassismus sind aber immer noch heiß umkämpfte Themen, nicht nur des heutigen Hollywoods. Deswegen ist es an der Zeit, dass der Roman eine weitere Verfilmung erhält, die nicht nur zeitgenössischer ist, sondern auch von einem größeren Anteil an People of Color hinter der Kamera inszeniert wird. Der ghanaische Musiker, Produzent und Filmemacher Blitz Bazawule besetzt den Regiestuhl. Und warum soll man nicht aus dieser zutiefst erschütternden Geschichte ein Musical machen? Das wurde bereits 2005 am Broadway umgesetzt. Die aktuelle Verfilmung bedient sich geschickt beider Vorlagen und entwickelt dennoch Originalität. Wer jetzt denkt, dass mit einem Mix aus Tragödie und Musical nicht genug dramatische Tiefe hergestellt werden kann, der irrt sich, denn die neue DIE FARBE LILA ist wesentlich lebendiger, als es Steven Spielberg vor 40 Jahren gelang. Eine kleine Referenz auf die Verfilmung von Spielberg gibt es dann doch: Die Weitergabe der Rolle der Celie aus der Verfilmung von 1985 an die von 2023 wird von Whoopi Goldberg als Hebamme vollzogen.

Foto von den Dreharbeiten © 2023 Warner Bros. Entertainment Inc. All Rights Reserved. Photo Credit: Eli Ade´

Handlung

Anfang des 20. Jahrhunderts im Süden der USA. Die junge Celie (Phylicia Pearl Mpasi) führt kein Kinderleben wie wir es kennen. Sie arbeitet, anstatt in die Schule zu gehen, für ihren Vater in dessen Laden und ist mit ihrer Schwester Netti (Halle Bailey) für den Haushalt vollzeitlich verantwortlich. Der verlassene Vater vergewaltigt Celie immer wieder. Celie wird zwei Mal von ihm schwanger und die Neugeborenen werden von ihm weggeben. Eines Tages will der Farmer Albert Johnson (Colman Domingo) Netti heiraten, ohne dass das Mädchen mitentscheiden darf. Netti will der Vater jedoch nicht hergeben, aber von Celie kann er sich für ein paar Nutztiere zum Tausch trennen. Widerwillig nimmt „Mister“ das Angebot an, denn er braucht jemanden, der sich um seinen Haushalt und seine Kinder kümmert, während er auf seiner Farm arbeitet und den Lebenssinn auf dem Boden einer Schnapsflasche sucht.

© 2023 Warner Bros. Entertainment Inc. All Rights Reserved.

Celie lässt ihre Schwester nachkommen, doch nachdem sie sich nicht von Celies Ehemann vergewaltigen lassen will, wirft er sie aus dem Haus. Die Schwestern sind über Jahrzehnte getrennt. Celie Harris Johnson (Fantasia Barrino) arrangiert sich in ihrer devoten Rolle als Hausfrau. Albert ist besessen von der Sängerin Shug Avery (Taraji P. Henson). Nachdem sein Sohn Harpo (Corey Hawkins) eine Tanzbar im Sumpf eröffnet, soll die Musikerin auftreten. Aber sie wird nicht nur die Köpfe der Männer verdrehen, sondern für Celie der erste Schritt in Richtung Selbstbestimmung sein.

© 2023 Warner Bros. Entertainment Inc. All Rights Reserved.

Der Fokus

Zu Beginn noch stark unbequem, ist der Mix aus Menschenrechtsverletzungen und groß angelegten Tanzeinlagen. Vor allem für jene, die die Geschichte nicht kennen, wird es schwierig sein, die Tragödie mit dem Musical zu vereinen. Die Brutalität der Männer, welche die Rechte der Kinder und Frauen mit Füßen treten, ist schwer zu ertragen. Aber dann findet DIE FARBE LILA ein Mittelmaß und die Geschichte gehört der erwachsenen Celie, die hervorragend von Fantasia Barrino gespielt wird. Wenn uns die Geschichte Stück für Stück in ihrer wunderbaren Inszenierung und mit den besser werdenden Songs langsam ans Herz wächst, werden die dramatischen Momente noch viel intensiver, zum Beispiel in der tragischen Geschichte von Sofia (Danielle Brooks). Eine starke, schwarze Frau, die die Männer in Schach halten kann, aber dann an der weißen Ehefrau des Bürgermeisters und ihrem „Arbeitsangebot“ scheitert. Der permanente Kampf um Menschenrechte in DIE FARBE LILA zeigt, dass er nicht nur in eine Richtung geht, sondern in vielen Bereichen geführt werden muss. Wie Albert einmal so passend als Drohung gegenüber Celie äußert, nachdem sie bereit ist zu gehen: „Du bist schwarz, eine Frau und arm. Welche Chancen hast du?“ Drei Eigenschaften, auf die Menschen kaum Einfluss haben und ein Grund, dass die Gesellschaft dafür verantwortlich ist für Gleichberechtigung zu sorgen.

Copyright: © 2023 Warner Bros. Entertainment Inc. All Rights Reserved. Photo Credit: Ser Baffo

Produktion

Mit der Produzentin Oprah Winfrey und den Produzenten Quincy Jones, Scott Sanders und Steven Spielberg zieht die Produktion von DIE FARBE LILA nicht nur ausreichend Talente an, sondern sorgt auch für finanzielle Unterstützung. Während sich andere aktuelle Kinofilme der Sparsamkeit und Ideenlosigkeit von digitalen Effekten hingeben, setzt dieser Film auf hochwertige Sets, nachgebaute Straßenzüge, dutzende Statisten und aufwändige Kostüme. Die Bühnenoptik wird die Inszenierung nicht los, was am Gesang und den Choreografien liegt, aber Regisseur Blitz Bazawule gibt sich mit herrlichen Kamerafahrten Mühe, diesen Eindruck stets vergessen zu lassen. Allein schon der handwerkliche Produktionsaufwand ist einen Blick wert, wie auch der hervorragende Score von Kris Bowers.

© 2023 Warner Bros. Entertainment Inc. All Rights Reserved. Photo Credit: Eli Ade´

Warum noch einmal?

Die Frage ist naheliegend: Warum bedarf es einer weiteren Verfilmung? Auch wenn sich die Welt seit 1985 verändert hat, kämpfen heute immer noch weite Teile der Gesellschaft für ihre Gleichberechtigung. Allein in den USA gibt es extremes Konfliktpotential, was sich zum Beispiel in der Black-Lives-Matter-Bewegung Ende der 2010er Jahre zeigte. Aber auch hierzulande werden in politischen Machtkämpfen die Ärmsten der Armen als Ursache für schlechte Wirtschaft und unzureichende Bundeshaushalte gebrandmarkt. Und dagegen bietet das Finale von DIE FARBE LILA eine Lösungsoption: Gemeinschaft – eine Herausforderung in unserer digital geprägten Meinungswelt.

© 2023 Warner Bros. Entertainment Inc. All Rights Reserved.

Fazit

Diese Neuverfilmung weiß zu überraschen. Auch wenn der Beginn noch etwas sperrig ist, findet DIE FARBE LILA mit großartigen Schauspielerinnen und aufwändiger Produktion schnell zum eigenen Rhythmus. In der Filmmitte kämpft man bereits gegen jede Ungerechtigkeit mit. Die Songs werden zum Finale immer besser und selbst als Musical-Muffel schlägt das Herz mit.

© Christoph Müller

Titel, Cast und CrewDie Farbe Lila (2023)
OT: The Color Purple
Poster
ReleaseKinostart: 08.02.2024
RegieBlitz Bazawule
Trailer
BesetzungFantasia Barrino (Celie Harris Johnson)
Taraji P. Henson (Shug Avery)
Halle Bailey (Nettie Harris)
Elizabeth Marvel (Miss Millie)
Danielle Brooks (Sofia)
Aunjanue Ellis (Mama)
Colman Domingo (Albert „Mister“ Johnson)
Louis Gossett Jr. (Old Mister Johnson)
Corey Hawkins (Harpo Johnson)
Stephen Hill (Buster)
David Alan Grier (Rev. Samuel Avery)
Deon Cole (Alfonso)
H.E.R. (Mary Agnes „Squeak“)
Ciara (Erwachsene Nettie)
Tamela J. Mann (First Lady)
Jon Batiste (Grady)
Phylicia Pearl Mpasi (junge Celie)
DrehbuchMarcus Gardley
Marsha Norman
KameraDan Laustsen
MusikKris Bowers
SchnittJon Poll
Filmlänge141 Minuten
FSKab 12 Jahren

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