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Die Braut des Prinzen (1987) – Filmkritik

„Es war einmal…“

Mit diesen Worten bringen wir leuchtende Kinderaugen zu Bett und erwecken uns selbst aus traumloser Lethargie. Sie vereinen das Kind vor unseren Augen mit dem in uns selbst. Hand in Hand betreten sie einen Ort jenseits von Raum und Zeit. Hier ist alles möglich. Denn hier beginnen wir unsere Reise ins Reich der Literatur, in die Welt dramatischer Kunst und durch den Irrgarten des Lebens. Hier begegnen wir unseren ersten Helden, werden zu tapferen Kämpfern für das Gute und gründen mit unserer großen Liebe neue Königreiche. Die Reinheit dieser ersten Worte formt den Menschen, der wir später sein wollen. Sie lassen uns das Schöne auf den zweiten Blick erkennen und warnen uns vor denen, die uns Blick eins als die einzige Sicht auf unsere Welt verkaufen wollen. Die klügsten Menschen ihrer Zeit haben bis zum Ende ihres Lebens aus ihrer Quelle den Nährboden ihrer eigenen Schöpfungen bestellt. Mit diesen Worten beginnen sie: Märchen.

Märchen vereinfachen, wo unser tägliches Leben undurchdringbar erscheint. Was sich sonst hinter unzähligen Nebensätzen versteckt, bringen sie auf den Punkt. Märchen sind die Wiege bedeutender Kunst, inspirierender Theorien und ewig junger Kinoträume.

Einen solchen erleben wir in DIE BRAUT DES PRINZEN (Rob Reiner, USA, 1987). Aus der inspirierenden Feder eines der bedeutendsten Autoren des amerikanischen Films, umgesetzt von Künstlern voller Liebe für seine Worte, folgen wir hier den selbstironisch beseelten Abenteuern mittelalterlicher Helden, machiavellistischer Schurken und der Macht der Liebe. In meisterhaften Fechtszenen und liebevoll gestalteten Filmsets erleben wir noch einmal den Geist eines aufrechten Abenteuerkinos aus den Hochzeiten Hollywoods. Hier reichen sich Errol Flynn und Monty Python heldenhaft die Hand, um im Swashbuckler-Rhythmus über Mel Brooks gebohnertes Zelluloid-Parkett zu tanzen. Ein Ball für Jung und Alt. Ein Fest für das ewige Kind in uns allen.

Die Braut des Prinzen (1987)
© Turbine Medien

Die Handlung

Ein schrulliger Großvater (Peter Falk, COLUMBO, 1968 – 2003) liest seinem kranken Enkel (Fred Savage, WUNDERVOLLE JAHRE, 1988 – 1993) das Lieblingsmärchen seiner Kindheit vor. Doch die ersten Zeilen können den begeisterten Videospieler noch nicht recht begeistern. Zuviel Romantik!

Vor langer Zeit verliebt sich die schöne wie eigensinnige Buttercup (Robin Wright, HOUSE OF CARDS) ungeplant in den Stallburschen Westley (Cary Elwes, TAGE DES DONNERS). Trotz ihrer wachsenden Liebe zu ihm, zieht es den charmanten Mann des Volkes in die weite Welt der Abenteuer. Denn er fühlt sich noch nicht würdig für ein Happy End. Doch sein Versprechen sie ewig zu lieben, stirbt mit ihm auf den Meeren unbarmherziger Piraten.

Schon früh in größte Trauer gestürzt, lässt sich Buttercup vom Schicksal in die Arme des herrschsüchtigen Prinzen Humperdinck (Chris Sarandon, HUNDSTAGE, 1975) führen. In dem Glauben, nie wieder lieben zu können, fügt sie sich in eine kommende Hochzeit. Die Ausritte auf ihrem Lieblingspferd lassen sie bis dahin noch einmal den Wind jugendlicher Freiheit in ihren rotblonden Haaren spüren. Bei einem solchen fällt sie einem skurrilen Gaunertrio in die Hände. Der hinterlistige Vizzini (Wallace Shawn, YOUNG SHELDON, 2017 – 2020), der von Rache getriebene Inigo Montoya (Mandy Patinkin, HOMELAND, 2011 – 2020) und der reimende Riese Fezzik (Andrè „The Giant“ Roussimov, Wrestling Star der 70er und 80er Jahre) entführen die zukünftige Prinzessin um einen Krieg mit einem angrenzenden Königreich zu provozieren. Während Vizzini diesen Plan mit aller Boshaftigkeit eines gewieften Renaissance Strategen verfolgt, haben die beiden anderen nach und nach Zweifel an ihrer Mission. Dennoch braucht es einen geheimnisvollen, ganz in schwarz gekleideten und zorrohaft maskierten Verfolger, um die Entführung zum Scheitern zu bringen. Dieser lässt unter seiner Maske zudem deutliche Züge des totgeglaubten Westley erkennen.

Spätestens ab hier, klebt der Enkel seinem vorlesenden Großvater an den Lippen. Immer wieder zwingt ihn die sich immer aberwitziger entwickelnde Handlung zu klärenden Rückfragen an den Vorleser.

Die Geschichte entfaltet sich nun zu einem abenteuerlichen Reigen aus heldenhaften Duellen, pointierten Dialogen und dramatischen Wendungen. Der ungeliebte Prinz stellt sich als noch böser als gedacht heraus, der schwarze Verfolger als wahrer Held und zwei der Entführer als beste Freunde in der Not. Dabei begegnen wir noch einem mehrere hundert Jahre alten Magier (Billy Crystal, CITY SLICKERS, 1991), einem  hinterhältigen Grafen (Christopher Guest, THIS IS SPINAL TAP, 1984) einem wunderlichen Folterknecht (Mel Smith, PUPPENMORD, 1989) und einem senilen Bischof (Peter Cook, britischer TV Komiker), der Rowan Atkinson in VIER HOCHZEITEN UND EIN TODESFALL (1994) als Vorbild gedient haben könnte. Und doch geht es bis zum versöhnlichen Schluss um das ewig junge Thema: die Macht der Liebe.

Am Ende wünscht sich der Enkel, die Geschichte am nächsten Abend noch einmal hören zu dürfen. Hier spricht er auch uns aus der Seele. DIE BRAUT DES PRINZEN ist definitiv ein Film für einen zweiten Blick, oder dritten, vierten, fünften, …

Die Braut des Prinzen (1987)
© Turbine Medien

Reifende Filmmagie

Immer wieder von der Rahmenhandlung des vorlesenden Großvaters kommentiert, erleben wir DIE BRAUT DES PRINZEN aus der Sicht eines begeisterungsfähigen Kindes. So wie der junge Enkel anfänglich noch nicht recht weiß, was er von einem Märchen mit sich küssenden Liebenden halten soll, werden auch wir als Zuschauer erst nach und nach in den Bann dieses filmischen Zauberschwurs gezogen. Ein Schwur zwischen Märchen, Komödie und romantischer Abenteuerodyssee. Was uns dabei so nachhaltig verzaubert, ist die Aufrichtigkeit seiner erzählerischen Mittel. Die Figuren sind trotz ihrer eindeutigen Funktion keine oberflächlichen Abziehbilder, sondern vielschichtige Charaktere mit authentischen Persönlichkeiten. Die Handlung tänzelt selbstbewusst zwischen Parodie und ernsthafter Dramatik im Gegenlicht märchenhafter Romantik. Filigran geschnitzte Dialoge und meisterhaft choreografierte Degenkämpfe duellieren sich auf der Bühne eines mitreißenden Kinomärchens.

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Was 1987 das verleihenden Studio Fox noch irritierte, reift in den nächsten 33 Jahren, vor allen in den USA, zu einem generationsübergreifenden Kultfilm heran. Dabei ist es nicht der Film selbst, der wie ein guter Wein seine Aromen immer weiter verfeinert, sondern sein Publikum. Wie ein gutes Barriquefass nehmen Kino- und Heimzuschauer seitdem jede filmische Entwicklung in ihr wachsendes Geschmacksgedächtnis auf. Gab es bis Ende der 1980er-Jahre noch eindeutige Genrelinien, die klar zwischen Tragödie, abenteuerlichem Märchen oder parodistischer Komödie unterschieden, verschwammen diese mit DIE BRAUT DES PRINZEN zu einem auch heute noch erfrischend originellen Filmerlebnis. Seitdem folgen Kinopoeten wie Wes Anderson oder Michel Gondry selbstbewusst diesem leicht entrückt schimmernden Pfad zwischen Fantasy, Drama und Komödie. Denn das Leben ist zu verrückt, als es in buchhalterische Kategorien zu pressen. Erst durch die gleichberechtigte Verlobung zwischen leichtfüßiger Dramatik und gewissenhafter Ironie bringt uns ein Film die befreiende Absurdität des Lebens näher. Hier folgt DIE BRAUT DES PRINZEN wie selbstverständlich den großen Liebeskomödien und Königsdramen William Shakespeares. Lachen, Weinen und Angst waren bei ihm schon immer gleichberechtigte Kinder auf den Bühnen seiner Welt.

Doch was wir heute so beseelt beklatschen, war lange Zeit Hollywoods hoffnungsloseste Todgeburt. Die finale Entstehung des Films ist fast genau so abenteuerlich wie seine magische Handlung.

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Vom Roman zum Film

„Die BRAUT DES PRINZEN ist gleich aus mehrerlei Gründen ein besonderer Film, der nicht ohne Grund Kultstatus genießt. (…) Doch dass ausgerechnet William Goldman die Vorlage für den Familienfilm lieferte, ist sicherlich der ungewöhnlichste Fakt eines an Überraschungen reichen Projekts“ – Tobias Hohmann aus dem Begleittext zur Ultimate Collector´s Edition

So ungewöhnlich auf den ersten Blick, so stimmig in der näheren Betrachtung. Denn auch schon vor William Goldmann wendeten sich bedeutende Schriftsteller der Gattung Märchen zu. Oscar Wilde (DER GLÜCKLICHE PRINZ), Mark Twain (DER PRINZ UND DER BETTELKNABE) oder Charles Dickens (EINE WEIHNACHTSGESCHICHTE) wussten um die Kraft einer einfachen, parabelhaften Handlung im Kanon ihres Gesamtwerks. Denn losgelöst von Zeit und Raum, ist die Erschaffung eines Märchens ein hoch schöpferischer Akt. Ein Akt, der die Wurzeln und Wipfel eines Menschenlebens wie selbstverständlich miteinander verbindet. Kinder wollen durch Märchen endlich groß und Erwachsene wieder Kinder sein. Im Märchen werden sie zu gleichberechtigten Freunden.

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William Goldmann

Mit seinen beiden Drehbuch Oscars (ZWEI BANDITEN, 1968 und DIE UNBESTECHLICHEN, 1976) holte er sich die höchste Anerkennung der Filmbranche. Mit seinem Versprechen, beiden Töchtern ein Märchen zu schreiben, erlangte er die ultimative Auszeichnung seiner Kinder. Die eine wollte eine Geschichte mit einer Prinzessin, die andere eine mit einer Braut. So schuf er spontan den so nachhaltig prägenden Originaltitel: THE PRINCESS BRIDE – DIE BRAUTPRINZESSIN. Die komplette Handlung wollte sich erst nach einiger Zeit in einem befreiten Fluss ergießen. Erst als er merkte, dass er von Moment zu Moment springen konnte, ohne diesen durch unzählige Fakten und Hintergründe untermauern zu müssen, befreite er seine Ideen vom Gewicht seines Versprechens. So entstand auch schnell die Großvater-Enkel-Ebene als abstrahierendes Gerüst für sein komödiantisches Märchen. Das fertige Buch wurde 1973 zu einem beliebten Buch für aufgeweckte Kinder und intellektuelle Künstler. Schnell wuchs bei Goldman der Wunsch, nach einer filmischen Umsetzung.

Aus heutiger Sicht ist die fast 15-jährige Odyssee vom Buch auf die Leinwand schwer nachvollziehbar. Sehr schön beschrieben im aktuellen Mediabook von Turbine Medien durch Tobias Hohmann, zeigt sich die Entmystifizierung eines anderen Märchens – das von Hollywood. Es zeigt, welche Zufälle und Irrungen es braucht, bis aus einer Idee ein Film, geschweige denn ein inspirierender Kassenerfolg erwachsen kann. Wie Goldman mit immer neuen Produzenten, Studios und Regisseuren sprach, um am Ende doch wieder nur vor den Kopf gestoßen zu werden, ist beispielhaft für das Ungeheuer Traumfabrik. Doch Liebe siegt auch hier. Die Liebe eines begeisterten Jungregisseurs.

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Rob Reiner

Nach unzähligen, erfolglosen Vorgesprächen und Fast-Unterzeichnungen unter noch mehr verworfenen Verträgen mit Studios, Produzenten und möglichen Regisseuren, landet Goldman schließlich bei der Familie Reiner. Carl Reiner (OCEANS ELEVEN, 2001) war zu der Zeit einer der (!) großen Namen für intelligent abgedrehte Theater- und Filmkomödien. Selbst ein begnadeter Komiker machte er sich einen noch größeren Namen als Regisseur. Mit Steve Martin schuf er Anfang der 80er drei der lustigsten Filmverrücktheiten der Leinwand. Sein Gespür für Timing, aufrechte Emotionen und die Liebe zum Kino seiner Jugend spiegelt sich nicht nur in REICHTUM IST KEINE SCHANDE (1979), TOTE TRAGEN KEINE KAROS (1982) und DER MANN MIT DEN ZWEI GEHIRNEN (1983), sondern auch am noch vielschichtiger ausgeprägten Talent seines Sohnes Rob Reiner. Als Vater Carl für die Regie absagt, verweist er hilfsbereit an seinen Sohn Rob. Deswegen anfangs noch enttäuscht, begeistert sich Goldman jedoch schnell für den hoffnungsvollen Nachwuchsregisseur. Rob Reiner war wie sein Vater zunächst selbst Komiker und Schauspieler (zuletzt als Leonardo di Caprios cholerischer Vater in WOLF OF WALL STREET, 2015). Doch erst als Regisseur konnte er seine Kreativität voll entfalten.

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In fast jeder Expertenliste über bedeutende Regisseure wird sein Name definitiv NICHT genannt. Anders als bei David Lynch, William Friedkin, Martin Scorsese oder Robert Altman hat Reiner keine klar ins Auge springende Handschrift. Er ist weder Visionär noch Genrepionier. Seine Filme begeistern nicht durch komplexe Plansequenzen, hochtechnische Kamerafahrten, oder filigrane Schnittmuster. Seine Filmsprache ist eher konventionell, fast altbacken. Und doch hat er, wie ganz wenige seiner Kollegen, in unterschiedlichen Genres strahlende Glanzlichter gesetzt. Sein THIS IST SPINAL TAP (1984) ist noch heute einer der lustigsten Rockbusiness-Parodien im Documentary Stil. Sein DER VOLLTREFFER (1985) mit John Cusack ist neben DER BREAKFAST CLUB (1985) und FERRIS MACHT BLAU von John Hughes vielleicht der beste Teenie-Coming Of Age Film der 80er und 90er Jahre. EINE FRAGE DER EHRE (1992) ist einer der spannendsten Gerichts-Thriller seit DIE WAHRHEIT UND NICHTS ALS DIE WAHRHEIT von Sidney Lumet (1982). STAND BY ME (1986) und MISERY (1990) wurden durch ihn zu zwei der besten Stephen King Verfilmungen. Mit HARRY UND SALLY (1989) hat er möglicherweise seinen CITIZEN KANE geschaffen. Im Rhythmus des Swing verwebt er mitreißende Schauspielkunst, situative Komik, alltägliche Tragik und hoffnungsvolle Romantik zu einer ewig jung leuchtenden Ode auf das New York des Kinos. Wer jetzt noch behauptet, Rob Reiner sei ein unbedeutender Regisseur, hat spätestens mit DIE BRAUT DES PRINZEN die letzte Chance auf Abbitte.

„Ich war seit seinem ersten Buch ein riesiger Goldman-Fan. Ich hatte wirklich alles gelesen, was er je geschrieben hatte. Ich las den Roman und es war eine dieser Erfahrungen, in der man denkt, dass der Autor in deinem Kopf ist. Es war das Beste, was ich je gelesen habe“ – Rob Reiner

Was seine Filme ausmacht, ist eine fast kindliche Begeisterung für deren literarische Vorlage. Anders als z. B. Stanley Kubrick will er das geschriebene Werk nicht zerstören, um es dann nach seiner Lesart in Bildern neu zusammen zu setzen. Reiner will die Intention des Autors sichtbar machen. Er sieht sich als Übersetzer der geschriebenen Worte in filmische Handlungen. Zusammen mit einer grenzenlosen Liebe für die Arbeit mit seinen Schauspielern wird er so zum perfekten Geburtshelfer für Goldmans liebevoll skurrile Märchenkomödie auf dem Weg zur Leinwand. Denn er liebt das Buch und kann sein Glück kaum fassen, als sein Vater ihn für dieses Projekt vorschlägt. Mit seinen Darstellern erweckt er diese Liebe zum Leben.

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Die Darsteller

Schlüssel zur Seele dieses Films sind die Darsteller der von Goldman liebevoll erdachten Figuren. Robin Wright zeigt in ihrer ersten Filmrolle bereits mehr als ihre entwaffnende Schönheit. Ihr trotziger Witz, ihr makelloses Aussehen und sensibel interpretierte Zwischentöne machen aus einer erdachten Märchenfigur eine moderne Frau der Gegenwart. Eine Gegenwart der 80er Jahre. Denn erst in den letzten 10 Jahren durften sich weibliche Hauptfiguren zu unabhängigen Heldinnen entwickeln. Heldinnen, die keinen männlichen Retter brauchen, um sich dem Bösen final stellen zu können. Buttercup darf noch keine Katniss Everdeen aus DIE TRIBUTE VON PANEM oder Anna aus DIE EISKÖNIGIN sein. Bei einem Kampf des schwarz Maskierten mit RVAGs (Ratten von außergewöhnlicher Größe) muss sie noch in Schönheit verharrend um den männlichen Helden bangen. Erst als meine acht jährige Tochter ihr „jetzt hilf ihm doch endlich mal“ zuruft, packt sie sich Herz und Stock, um dem Monsternager eins überzubraten. So müssen Heldinnen sein: schön und (!) mutig. Der Applaus meiner Tochter ist ihr sofort sicher. Ab nun darf sich der Vorhang für kommende Heldinnen öffnen. „MULAN, MERIDA, und Porzellinchen für TOY STORY 4 bitte auf die Bühne!“

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An dieser Stelle zeigt sich die magische Beziehung zwischen Handlung und Zuschauer. So wie der Enkel seinem Großvater ins Wort fährt, wenn ihm in der Geschichte etwas missfällt, hält es auch uns, egal in welchem Alter, nicht in unseren Sitzen. Denn durch das schnell etablierte Format der kommentierenden Handlung werden auch wir Teil der Geschichte. Hier erleben wir die wahre Kraft des Märchens. Ein Märchen, das sich von den Seiten seines Buches befreit und durch die Linse der Kamera direkt in unsere Herzen schwebt.

Neben Robin Wright begeistert Cary Elwes mit jungenhaftem Errol Flynn-Charme. Sein Westley hat Anmut, Witz und Nerven wie Drahtseile. Kein Wunder, dass er später für Mel Brooks den Robin Hood in HELDEN IN STRUMPFHOSEN (1993) heroisch parodistisch wiederbeleben durfte. Er und Robin Wright bilden ein beflügelndes Traumpaar für Jung und Alt. Darüber hinaus vollführt er zusammen mit Mandy Paitinkin als von Rache geplagter Degenkünstler Inigo Montoya eine der besten Fechtszenen der Filmgeschichte.

Montoya: „Ihr scheint mir ein anständiger Bursche zu sein. Ich bringe Euch nicht gerne um.“

Westley: „Ihr seid wohl auch sehr anständig. Ich sterbe auch nicht gerne.“

Die Braut des Prinzen (1987)
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Chris Sarandon als intriganter Workaholic-Prinz gibt einen der amüsantesten Oberschurken des Kinos.

„Ich muß den fünfhundertsten Jahrestag meines Landes planen, meine Hochzeit vorbereiten, meine Frau ermorden, und Guilder dafür die Schuld zuschieben – ich bin völlig im Stress!“

Zusammen mit Wallace Shawns Vizzini bilden Wesley, Montoya und Prinz Humperdinck ein spannendes Wertequadrat zischen Renaissance und Mittelalter. Sind Humperdinck und Vizzini mit Worten jonglierende Vertreter einer machiavellistischen Weltsicht, bei der nur überlebt, wer den hinterhältigsten Plan geschmiedet hat, vertritt Montoya die ehrbare Welt des Mittelalters. Trotz seines musketierischen Aussehens steht er für Anstand, Ehre und Pflichterfüllung. Sein Schwur, seinen Vater gegen jegliche Umstände zu rächen, repräsentiert ein dem Untergang geweihtes Rittertum, in dem der beste und aufrechteste Kämpfer am Ende überlebt. Westley dagegen vereint hinter seiner Maske beide Werte zu einer am Ende unschlagbaren Waffe. Er kann kämpfen, Pläne schmieden, Wort- und Degenduelle führen und dem Bösen immer einen Schritt voraus sein. Dabei schlägt sein Herz nur für die Frau, die er liebt. Durch seine Haltung reinigt er die List vom Übel der Intrige und lässt so den heldenhaften Geist des Mittelalters überleben.

Die Braut des Prinzen (1987)
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Der wahrhaft Größte im spielfreudigen Schauspielensemble ist der von Andre Roussimov belebte Riese Fezzik. Seine 2,13 Meter und sein kindlich sanftes Gemüt lassen alle anderen Figuren wahrhaft klein erscheinen. Stark und doch so verletzlich. Bei aller Körperlichkeit ist er eine zartfühlende Seele ohne Arglist und Gram. Die wahre Geschichte des Darstellers hinter dem symphatischen Märchenriesen fasziniert und rührt zu gleichen Teilen. Durch seinen gigantischen Körper wurde der Franzose in den 70er Jahren zu einem gefeierten Weltstar des Wrestlings. Der gleiche Körper, der ihm Millionen in die Taschen spülte, machte ihn gleichzeitig zu einem todkranken Mann. Roussimov litt mit Akromegalie und Riesenwuchs an unheilbaren Gendefekten. Ein Körper, der immer weiterwächst, muss sich irgendwann den Grenzen von Anatomie und Schwerkraft geschlagen geben. Zum Zeitpunkt des Films konnte der Filmnovize kaum noch laufen und gerade mal eine Tasse Kaffee heben. Vielleicht lässt sein wahres Schicksal gerade deshalb seine Figur, trotz gigantischer Körpergröße, so verletzlich erscheinen. Die Produktion von DIE BRAUT DES PRINZEN wurde für Roussimov zu einem Ersatz-Zuhause, in einem sonst ruhelosen und von nahender Endlichkeit geprägten Leben.

© Turbine Medien

DIE BRAUT DES PRINZEN brachte so unterschiedliche Menschen für einen Moment in ihrem Leben zusammen. Einen Moment, den alle Beteiligten als einen der schönsten ihrer Karriere bezeichnen. Ihre Begeisterung für die Geschichte, ihr Pflichtgefühl gegenüber ihren Figuren und die familiäre Verbindung zueinander klingen wie Echos durch den fertigen Film. Ein Film mit Verstand und noch mehr Herz.

Die Genialität von Goldmans Worten und Reiners Talent im begeisternden Führen seiner Darsteller machen diesen Film zu einer betörenden Reise ins Reich der Märchen und kindlicher Kinomagie.

Beseelte Einfachheit

Bei aller Kunstfertigkeit begeistert DIE BRAUT DES PRINZEN immer wieder mit charmanter Künstlichkeit. Strahlen Landschaftsaufnahmen und Schlosspanoramen in von Kameramann Adrian Biddle (ALIENS – DIE RÜCKKEHR, 1987) natürlich eingefangenen Tageslichtbildern, leuchten viele der Sets dagegen in liebevoller Theateroptik. Gerade hier zeigt sich das zum Prinzip erhobene Augenzwinkern von Reiners Regie. Realität und Künstlichkeit geben sich wie selbstverständlich die Hand. Eine Harmonie zwischen sichtbarer und unsichtbarer Filmmagie.

Am deutlichsten wird dies in Mark Knopflers Filmmusik. Trägt das träumerische Titelthema des Dire Straits Frontmannes noch majestätisch poppig in die Handlung, „irritiert“ sein nach Casio VL-1 Keyboard klingender Gesamtscore. Wo sich die Idee von mittelalterlichem Minnesang durch Knopflers hypnotisches Gitarrenspiel klug in moderne Hörgewohnheiten transponiert, belustigt die Einfachheit seiner übrigen Klangsprache. Fast klingt es, als solle so der Geist der am Anfang ins Bild gerückten Videospiele durchs lyrische Mittelalter getragen werden. Das ist im Kern dann wieder deutlich stimmiger als der ewig dröhnende Alan Parson´s Project Disco Bombast in DER TAG DES FALKEN (Richard Donner, 1985).

Die Braut des Prinzen (1987)
© Turbine Medien

Mittelalter und Pop: eine der wenigen Geschmacksentgleisungen Hollywoods der 80er.

Zum Abspann fügt dann allerdings Willie De Villes introvertierte Gesangsstimme dem Hauptthema eine erfrischend erwachsene Schlussnote hinzu. Bei aller Trauer um nicht gehörte Meisterklänge durch klassisch erfahrene Filmkomponisten (Michel Legrand wäre Mitte der 70er Jahre durch Richard Lester als Regisseur eine logische Wahl gewesen) versöhnt am Ende die Konsequenz ehrlich praktizierter Nicht-Perfektion.

DIE BRAUT DES PRINZEN ist nicht nur ein Film über wahre Freundschaft und die ewige Macht der Liebe. Er ist gleichzeitig eine Ode auf leidenschaftliches Filmemachen. Die Liebe seiner Macher ist mit jedem Frame spürbar. Hier siegt am Ende die aufopferungsvolle Haltung des Autors für seine Vision einer Verfilmung mit den richtigen Künstlern.

„…und wenn sie nicht gestorben sind…“ so sehen wir sie noch heute – in leuchtendem 4k.

Die Braut des Prinzen (1987)

Die Ultimate Collector´s Edition

Turbine macht uns mit ihrer aktuellen Neuveröffentlichung ein vorzeitiges Weihnachtsgeschenk. In hochwertiger 4K-Abtastung erstrahlt DIE BRAUT DES PRINZEN in natürlich warmen Farben, klaren Bildern und nostalgischer Filmkornoptik.

Bei aller Bildbrillanz, die für zukünftige Neuauflagen Standard sein sollte, begeistert das umfangreiche und liebevoll gestaltete Zusatzmaterial.

Das Booklet

Die braune, goldbeschriftete Lederoptik des wattierten Einbands stellt sofort eine Verbindung zu Märchenbüchern unserer Kindheit her. Der 48-seitige Einführungstext von Tobias Hohmann ist hoch informativ und schön bebildert. Er beschreibt den langen Weg vom Buch zum fertigen Film. Während er den schmalen Grat zwischen Scheitern und Erfolg eines Filmprojekts deutlich macht, entstehen durch genannte Filmgrößen wie Norman Jewison oder Robert Redford, die am Ende nicht an Bord kamen, alternative Filmversionen von Goldmans Roman.

Effektiv zusammengefasste Informationen zu den Darstellern und amüsante Anekdoten von den Dreharbeiten lassen ein lebendiges Bild hinter der Leinwand entstehen.

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Die Extras

Der Film kommt in drei unterschiedlichen Formaten aus der Box. Neben UHD und Blu-ray gönnt uns Turbine das Gesamtpaket auch noch einmal auf DVD. Böse Zungen könnten anmerken: „Warum dann nicht auch noch auf VHS und Super-8?“. Tja, es soll immer noch Menschen geben, die tatsächlich noch keinen Blu-ray-Player besitzen. Außerdem eignet sich diese Variante sehr gut für lange Fahrten im Auto-DVD-Player.

Das Bonusmaterial ist eine Mischung aus Interviews mit Rob Reiner, Cary Elwes und Robin Wright, die speziell für das 30-jährige Jubiläum des Films produziert wurden, sowie neuen und älteren Features aus den 90er Jahren. In der Summe eine sehr umfangreiche Betrachtung dieses Generationen verbindenden Kultwerks.

Disc 1 Blu-ray 4K UHD (HD, ca. 98 Min.):

Ohne Bonusmaterial

Disc 2 Blu-ray (HD, ca. 98 Min.):

  • Audiokommentar von Regisseur Rob Reiner
  • Audiokommentar von Autor William Goldman
  • Tonspur mit Soundeffekten und der Filmmusik von Mark Knopfler
  • Das Phänomen „Die Braut des Prinzen“ (HD, Zweiteilige Dokumentation)
  • Dokumentationen & Featurettes:
    – Wie Ihr wünscht: Die Geschichte
    – Die unerzählten Geschichten
    – Die Kunst des Fechtens
    – Märchen & Folklore
    – Märchen & Die Braut des Prinzen
    – Wunderbares Make-up
    – Der grausame Pirat Roberts (SD)
  • Cary Elwes Videoaufnahmen
  • Featurette & Making of (1987)
  • Kinotrailer (USA, Deutschland, International) & TV-Spots

Disc 3 DVD (ca. 94 Min.):

Identisch mit Disc 2.

Fazit

Wer diesen liebevoll skurrilen Film noch nicht in seiner Sammlung hat, kann mit dieser Veröffentlichung guten Gewissens eine Lücke schließen. Weihnachten kann kommen!

„Wie Ihr wünscht!“

© Andreas Ullrich

Titel, Cast und CrewDie Braut des Prinzen (1987)
OT: The Princess Bride
Poster
Releaseab dem 19.06.2020 in einer Ultimate Collector's Edition (UHD+Blu-ray+DVD)

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RegisseurRob Reiner
Trailer
BesetzungCary Elwes (Westley)
Mandy Patinkin (Inigo Montoya)
Robin Wright (Buttercup)
Chris Sarandon (Prinz Humperdinck)
Christopher Guest (Graf Rugen)
Wallace Shawn (Vizzini)
André the Giant (Fezzik)
Fred Savage (The Grandson)
Peter Falk (The Grandfather)
Peter Cook (The Impressive Clergyman)
Mel Smith (Der Albino)
Carol Kane (Valerie)
Billy Crystal (Miracle Max)
Anne Dyson (The Queen)
DrehbuchWilliam Goldman
KameraAdrian Biddle
FilmmusikMark Knopfler
SchnittRobert Leighton
Filmlänge98 Minuten
FSKab 6 Jahren

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