Die besten / wichtigsten Horror-Filme der Jahre 1970-1979
Hier vervollständigen wir die Liste mit den besten Horrorfilmen der Siebziger um die Plätze 1-15. Wer noch einmal einen Blick auf die Plätze 16-30 werfen möchte, klickt sich hier entlang. Die Auswahl ist eine Kooperation von Stefan_F und Stefan Jung.
Die nachfolgende Liste erhebt keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit, sie soll lediglich anhand der wichtigsten Filme die Entwicklung des Horrorfilms verdeutlichen. Zudem ist die Reihenfolge nicht zwingend als „in Stein gemeißelt“ zu verstehen.
Platz 15: DER KILLER VON WIEN (LO STRANO VIZIO DELLA SIGNORA WARDH, 1970)
Edwige Fenech, geboren als Edwige Sfenek in Bône (Französisch-Algerien), war ab Mitte der Sechziger bis weit in den Siebzigern eine gefragte Darstellerin in italienischen Produktion. Vor allem in den damals sehr populären Gialli wie auch in Sex-Komödien jener Zeit war sie des Öfteren auf der Leinwand zu bewundern. Ab den 90ern verlegte sie ihre Hauptaktivitäten jedoch hinter die Kamera, größtenteils als Produzentin für das Fernsehen. 2007 hatte sie einen kleinen Gastauftritt in HOSTEL 2 (HOSTEL: PART II) von Eli Roth. In den 70ern war Fenech mit dem Bruder von Regisseur Sergio Martino, Luciano Martino, verheiratet. Was wohl auch mit ein Grund war, warum sie in so vielen Filmen der beiden zu sehen ist.
Die Ehe von Neil (Alberto de Mendoza) und Julie Wardh (Edwige Fenech), steht kurz vor dem Ende. Auf einer Geschäftsreise ihres Mannes nach Wien, den sie begleitet, trifft Julie ihre alte Freundin Carol (Conchita Airoldi) wieder. Die lädt sie gleich zu einer Party ein, wo sie den attraktiven George (George Hilton) kennenlernt. Sofort funkt es zwischen beiden, die sich daraufhin regelmäßig treffen und ihre Affäre in vollen Zügen genießen. Da taucht plötzlich ein Ex-Liebhaber von Julie auf, Jean (Ivan Rassimov). Beide hatten vor langer Zeit eine extreme Art von Beziehung, die sadomasochistische Züge hatte. Sofort beginnt Jean, Julie den Hof zu machen. Gleichzeitig werden vermehrt junge Frauen von einem unbekannten Killer brutal ermordet. Gefangen zwischen Leidenschaft, Wahnsinn und Abhängigkeit taumelt Julie Wardh durch den Film. Ein Spielball von drei Männern und einem Psychopathen, der scheinbar wahllos tötet.
Fenech wie auch der Rest des weiblichen Casts, darf viel nackte Haut zeigen. Regisseur Martino erzeugt hier eine spannende Atmosphäre, grandiose Bilder und immer wieder überraschende Twists. Das Ende, ähnlich dem von DIE TEUFLISCHEN (LES DIABOLIQUES, 1955), das nur wenig erklärt, dafür aber jede Menge Spielraum für Interpretationen zulässt.
Zwei Jahre später drehte Sergio Martino einen weiteren Giallo mit seinen beiden Stars George Hilton und Edwige Fenech: DIE FARBEN DER NACHT (TUTTI I COLORI DEL BUIO). Dieser surrealistische Okkult-Streifen ist ein weiteres Highlight für den besonderen Giallo. Gerade in den 70ern hatte der Giallo seine Hochphase in den Kinos. DER KILLER VON WIEN war nur einer von vielen, aber er ist auch einer der besten. Vor allem Mario Bava und Dario Argento machte sich einen Namen in diesem Genre. Anfang des Jahrzehnts startete Argento seine sogenannte „Tier-Trilogie“: DAS GEHEIMNIS DER SCHWARZEN HANDSCHUHE (L‘UCCELLO DALLE PIUME DI CRISTALLO, 1970), DIE NEUNSCHWÄNZIGE KATZE (IL GATTO A NOVE CODE, 1971) und VIER FLIEGEN AUF GRAUEM SAMT (QUATTRO MOSCHE DI VELLUTO GRIGIO, 1971). Jedoch erst sein ROSSO – FARBE DES TODES (PROFONDO ROSSO, 1975), auch als DEEP RED bekannt, brachte den großen Durchbruch. Weitere bekannte Gialli aus dieser Zeit sind z. B. THE CHILD – DIE STADT WIRD ZUM ALPTRAUM (CHI I‘HA VISTA MORIRE?, 1972), DAS GEHEIMNIS DER BLUTIGEN LILIE (PERCHÈ QUELLE STRANE GOCCE DI SANGUE SUL CORPO DI JENNIFER?, 1972), DIE SIEBEN SCHWARZEN NOTEN (SETTE NOTE IN NERO, 1977) oder auch DIE NACHT DER ROLLENDEN KÖPFE (PASSI DI DANZA SU UNA LAMA DI RASOIO, 1972). (SF)
Platz 14: IM BLUTRAUSCH DES SATANS (REAZIONE A CATENA / BAY OF BLOOD, 1971)
Regisseur Mario Bava hat mit IM BLUTRAUSCH DES SATANS eine Mischung aus Giallo und Slasher erschaffen, die noch lange im Horror-Genre Nachahmer fand. Bava, der 1962 mit LA RAGAZZA CHE und 1964 mit BLUTIGE SEIDE (SEI DONNE PER L‘ASSASSINO, 1964) dem Giallo seine filmische Form und Gesetzmäßigkeiten verpasste, hat hier eine interessante und spannende Mischung erzeugt. Bava führte nicht nur Regie, sondern arbeitete auch zusammen mit Filippo Ottoni am Drehbuch und er war ebenso für die Kamera verantwortlich. Die Handlung ist schnell erzählt:
In einer einsamen Bucht lebt die Gräfin Frederica Donati (Isa Miranda), die zu Filmbeginn von ihrem eigenen Mann getötet wird. Minuten darauf wird der Ehemann ebenfalls von einem Unbekannten kurzerhand aus dem Spiel genommen. Der Ehemann der Gräfin Donati ist nicht der einzige Mörder, der hier ermordet wird. Wenige Tage später tauchen weitere mysteriöse Besucher am Ort des Geschehens auf, die einen Anspruch auf die Erbschaft der Gräfin haben. Auch zwei jugendliche Pärchen, die in der Bucht etwas Spaß haben wollten, werden Opfer des mysteriösen Killers. Das Morden geht munter weiter (wenn ich mich nicht verzählt habe, liegt der Body-Count bei 13 Toten). Am Ende erwartet den Zuschauer ein interessanter Plot-Twist.
Mario Bava hat hier wieder einmal aus dem vollem geschöpft: Unheimliche Orte und schöne Kamerafahrten, auch aus der Sicht des Killers. Sonderbare Charaktere an jeder Ecke: Skrupellose, Verrückte, geldgierige Verwandte, Sadisten usw. alles was das Horror-Herz begehrt. Viele sehen IM BLUTRAUSCH DES SATANS eine Blaupause für FREITAG DER 13. (FRIDAY THE 13th, 1980) und tatsächlich kann man einige Parallelen entdecken. Die einsame Bucht/See, die verlassenen unheimlichen Gebäude, explizite Gewaltszenen, verschiedene Mordwerkzeuge und natürlich der unsichtbare, brutale Killer, der überall und jederzeit erscheinen kann. Vor allem aber eine Szene aus Bavas Film wanderte 1:1 in die FREITAG DER 13.: Das junge Pärchen, das sich im Bett amüsiert und dann mit einem Speer aufgespießt wird. Dass Bavas Film eine Vorreiterrolle auf die noch folgenden Filme, vor allem aus Amerika, hatte, kann man nicht abstreiten. Aber es gab schon vor Bava so einiges, was in späteren Slasher-Movies übernommen wurde. Die Ursprünge dieses beliebten Sub-Genres des Horrorfilms kann man weit zurückverfolgen. Erste Motive sind zu finden in THIRTEEN WOMEN von 1932, deutlicher wird es schon 1943 im THE LEOPARD MAN, 1960 folgte Hitchcocks PSYCHO, 1974 mit JESSY-DIE TREPPE IN DEN TOD (BLACK CHRISTMAS), ehe 1978 der Slasher mit Carpenters Meisterwerk HALLOWEEN endgültig durchstartete. Dazwischen gab es noch weitere interessante Filme, aber das würde hier den Rahmen sprengen. Beim Sitges Filmfestival 1971 bekam IM BLUTRAUSCH DES SATANS eine Auszeichnung für die besten „Special Effects“. (SF)
Platz 13: DER SCHRECKEN DER MEDUSA (THE MEDUSA TOUCH, 1978)
Warum die britisch-französische Produktion aus dem Jahre 1978 in den meisten Filmbesprechungen vergessen wird, ist mir ein Rätsel. Wir haben hier eine ausgezeichnete Mischung aus Thriller-, Horror- und Katastrophenfilm, die seinesgleichen sucht. Das geniale Drehbuch verfasste John Briley nach einem Roman von Peter Van Greenaway, mit einigen heftigen Seitenhieben gegen Staat, Kirche und Militär. Regisseur Jack Gold führt seine hochkarätige Besetzung geschickt durch ein Labyrinth des Wahnsinns im Wettlauf gegen die Zeit und das Böse. Die Story spielt im London der 70er:
Der Buchautor John Morlar (Richard Burton) wird Opfer eines Mordanschlages in seiner eigenen Wohnung. Trotz schwerster Kopfverletzungen wird er im städtischen Krankenhaus auf der Intensivstation am Leben erhalten. Der behandelnde Arzt Dr. Johnson (Gordon Jackson) ist der Meinung, dass Morlar aufgrund der schweren Verletzung nicht mehr lebensfähig sei. Kommissar Brunel (Lino Ventura), ein französischer Austauschpolizist, wird auf den seltsamen Fall angesetzt. Er findet mysteriöse Notizen in Morlars Unterlagen, die scheinbar keinen Sinn ergeben, sowie ein Sammelalbum mit Zeitungsausschnitten über alle möglichen Katastrophen weltweit. Bei seiner Suche findet Brunel auch einen Hinweis auf Morlars Arzt, Dr. Zonfeld (Lee Remick). Zonefeld erzählt Brunel mehr über Morlar und seine unheimlichen Kräfte, seinen Wahn, der die ganze Welt bedroht. In ausführlichen Rückblicken sehen wir die Geschichte Morlars, vom Tod seiner Eltern bis hin zu seiner Karriere als Schriftsteller. Immer wieder unterbrochen von mysteriösen Ereignissen, die Morlar dahingehend bestärken, dass er diese besonderen Kräfte hat. Vor allem aber auch, dass er sie benutzt, um seine Moral und Rechtsbewusstsein gnadenlos durchzusetzen. Diese Selbstjustiz zieht sich durch Morlars gesamtes Leben wie ein roter Faden und mehr und mehr ist für ihn klar, dass die Menschheit es nicht länger verdient hat weiter zu existieren.
Ein brillanter Film, trotz einiger Längen, der durch seine elaborierte Story und seine beeindruckenden Schauspieler zu überzeugen weiß. Geschickt treibt Regisseur Gold die Spannung bis auf die Spitze und lässt dabei den Zuschauer immer etwas im Ungewissen, ob Morlar denn nun wirklich diese Kräfte hat oder nicht doch alles nur Einbildung ist. Auch wenn Richard Burton nur in einigen Szenen und Rückblenden auf der Leinwand zu sehen ist, hat er eine unheimliche Präsenz über die gesamte Laufzeit des Films. Fast so wie einst Dr. Mabuse, den man nur sehr selten zu sehen bekommt, aber ganz genau weiß, dass er da ist und alles und jeden überwacht. 1979 wurde der Film für den Saturn Award als bester Horrorfilm nominiert. (SF)
Platz 12: ZOMBIE (DAWN OF THE DEAD, 1978)
Mit ZOMBIE setzte George A. Romero seine 1968 gestartete Zombie-Serie konsequent fort und schaffte gleichzeitig seinen Durchbruch als Horror-Regisseur. Bis heute gibt es unterschiedliche Fassungen. Der Film kann als Fortsetzung zu Romeros erstem Zombie-Film gesehen werden DIE NACHT DER LEBENDEN TOTEN (NIGHT OF THE LIVING DEAD, 1968). Die Story ist auch hier sehr simpel und ähnlich wie im Vorgänger.
Vier Menschen: Stephen Andrews (David Emge), Peter Washington (Ken Foree), Roger DeMarco (Scott H.Reiniger) und Francine Parker (Gaylen Ross) setzen sich mit dem Hubschrauber aus einer von Untoten überrannten Stadt ab und suchen ihr Glück auf dem Land. Dort finden sie ein großes Einkaufszentrum, in dem sie es sich gemütlich machen und eine Zeit lang sehr gut (über)leben können. Bis eines Tages eine Rockerbande ebenfalls an diesem kleinen Paradies Interesse zeigen und es zum Konflikt kommt. Im Vergleich zu seinem ersten Zombie-Film hat Romero in ZOMBIE deutlich an der Splatter-Schraube gedreht, was sich in vielen Ländern in Verbote und Zensureingriffe (Schnitte) bemerkbar machte. Romeros ZOMBIE trat eine Welle von Zombie-Filmen los, die bis Anfang der 90er Jahre andauern sollte. Zwischenzeitlich gab es eine kleine Flaute, aber mit der Serie THE WALKING DEAD begann eine neue Zombie-Flut von bis dahin ungeahnten Dimensionen. Leider sinkt auch die Qualität im gleichen Maße.
Besonders in Italien startete in den folgenden Jahren nach ZOMBIE eine Welle von ungeahnten Ausmaßes. Gleich ein Jahr später kam mit WOODOO-DIE SCHRECKENSINSEL DER ZOMBIES (ZOMBI 2) der erste Italien-Zombie von Lucio Fulci in die Kinos, 1980 dann GROSSANGRIFF DER ZOMBIES (INCUBO SULLA CITTÀ CONTAMINATA), EIN ZOMBIE HING AM GLOCKENSEIL (PAURA NELLA CITTÀ DEI MORTI VIVENTI), IN DER GEWALT DER ZOMBIES (LE NOTTI EROTICHE DEI MORTI VIVENTI), ZOMBIES UNTER KANNIBALEN (ZOMBIE HOLOCAUST). Ein weiteres Jahr später, folgte unter anderem DIE GEISTERSTADT DER ZOMBIES (E TU VIVRAI NEL TERRORE-L‘ALDILÀ) oder auch DIE RÜCKKEHR DER ZOMBIES (LE NOTTE DEL TERRORE). Wie gesagt, das ist nur eine kleine Auswahl. Erwähnenswert ist wohl noch, dass die Italiener sehr gerne verschiedene Genres gemischt haben. Bei den Zombie-Filmen wurde des Öfteren gerne mal ein halber Porno mitproduziert wie z. B. bei PORNO HOLOCAUST aka INSEL DER ZOMBIES von 1981. „Blut und Titten“ war ja schon länger ein Erfolgsrezept im Genre, unter anderem bei Slashern und Gialli. 1985 schließlich reichte George A. Romero mit DAY OF THE DEAD eine Fortsetzung seines erfolgreichen ZOMBIE nach. Weitere Teile sollten folgen. Im Jahre 2004 versuchte sich Zack Snyder an einem Remake unter dem Titel DAWN OF THE DEAD.
Nicht unterschlagen will ich eine Kooperation zwischen Spanien und Italien aus dem Jahre 1974, also vier Jahre vor Romeros Schocker: DAS LEICHENHAUS DER LEBENDEN TOTEN (NON SI DEVE PROFANARE IL SONNO DEI MORTI) von Jorge Grau. Ein wichtiger Beitrag zur Entwicklung des Zombie-Genres, außerdem auch noch ein sehr guter Film. Im selben Jahr erschien ein weiterer außergewöhnlicher Zombie-Streifen unter dem Namen DEATHDREAM (DEAD OF NIGHT). In diesem kleinen, dreckigen Filmchen geht es um den Vietnam-Soldaten Andy, der als Zombie nach Hause kommt. Niemand ahnt etwas von seiner Veränderung. Andy sitzt nur apathisch herum und redet sehr wenig. Die Familie versucht mit aller Gewalt, das Bild der heilen Welt zu wahren, bis ein Arzt dem Zombie auf die Schliche kommt. Eine bitterböse Gesellschaftssatire und ein Zombie-Film der besonderen Art. (SF)
Platz 11: DAS SCHRECKENSKABINETT DES DR. PHIBES (THE ABOMINABLE DR. PHIBES, 1971)
Horror-Ikone Vincent Price spielt hier den völlig entstellten Dr. Phibes. Durch einen üblen Unfall ist sein Äußeres schrecklich entstellt, wie auch seine Möglichkeit zu komunizieren. Seitdem kann er sich nur über ein Mikrofon im Hals verständigen. Das Price für diese Rolle genau der Richtige ist, zeigt sich an seinem umwerfenden Spiel während der gesamten Laufzeit des Films, ohne jeden Dialog (der wurde erst später in der Post-Production von Price eingesprochen). Er muss somit alle Gefühle wie Angst, Hass und Freude mit seiner Körpersprache und Mimik dem Zuschauer näherbringen, was er absolut famos macht. Zudem schafft Price es, seine Figur nicht nur als mörderischen Psychopathen darzustellen, sondern auch als tragische Figur.
London wird von einer bizarren Mordserie erschüttert, bei der bereits mehrere Doktoren der Medizin ihr Leben lassen mussten. Durch einen Kunstfehler hatte ein Team von Chirurgen vor Jahren den Tod von Dr. Phibes (Vincent Price) Frau Victoria (Caroline Munro) verursacht. In seinem unbändigen Hass hat nun der für Tod geglaubte Dr. Phibes mit Hilfe seiner bezaubernden Assistentin Vulnavia (Virginia North) einen raffinierten wie auch tödlichen Plan ersonnen, sich an den verantwortlichen Chirurgen zu rächen. Inspektor Trout (Peter Jeffrey) von Scotland Yard wird auf die Mordfälle angesetzt und findet Hilfe bei dem renommierten Chirurgen Dr. Versalius (Joseph Cotten), der ebenfalls auf Phibes Liste steht. Als Inspiration für die Todesfallen der Ärzte dient Dr. Phibes die alttestamentarischen Plagen der Bibel.
Das Ganze ist eine Mischung aus Horror, schwarzem Humor und absurder bis tragischer Komik, die ihresgleichen sucht. Vor allem das Paar Dr. Phibes (der ja nur über ein Mikro spricht) und Vulnavia (die keinerlei Dialog im Film hat) ist schlichtweg genial. Dazu umwerfende Settings, vor allem Phibes Refugium und eine gelungene Kamera zeichnen Robert Fuest Film aus.
Mit ein paar Anlaufschwierigkeiten, wegen falscher Werbung, spielte der Film genügend Gewinn ein und veranlasste AIP zu einer Fortsetzung. Bereits ein Jahr später war sie auf der Leinwand zu bewundern unter dem Namen DIE RÜCKKEHR DES DR. PHIBES (DR. PHIBES RISES AGAIN, 1972). Darin spielte leider nicht mehr Virginia North die Rolle der Vulnavia sondern Valli Kemp und Robert Quarry, Prices angeblicher Nachfolger bei AIP, war ebenfalls in der Rolle des Darrus Biederbeck zu sehen. Regie führte auch hier, wie schon im ersten Teil, Robert Fuest. Ebenfalls mit dabei in einer kleinen Rolle ist Peter Cushing. Phibes‘ tote Frau spielt übrigens wieder Caroline Munro, eine sehr begabte und auch bezaubernde Schauspielerin. Wer sie mal in Aktion sehen will, kann das z. B. in den beiden Filmen der Hammer-Studios DRACULA JAGT MINI-MÄDCHEN (DRACULA A.D. 1972, 1972) und CAPTAIN KRONOS-VAMPIRJÄGER (CAPTAIN KRONOS-VAMPIRE HUNTER, 1974). Wer es abgedrehter mag, greift zu dem Science-Fiction Heuler STAR CARSH – STERNE IM DUELL (STARCRASH, 1978) mit David Hasselhoff. Aber auch an der Seite von Roger Moore in dem JAMES BOND 007 – DER SPION DER MICH LIEBTE (THE SPY WHO LOVED ME) von 1977 ist sie zu sehen. Es gab noch mehrere Ideen für eine weitere Fortsetzung des Dr. Phibes, die aber allesamt keinen Anklang bei den Studio-Bossen fanden. Unter anderem ging es da um Nazis, Satanisten oder auch um die Wiederbelebung von Phibes toter Frau. Eine weitere Idee war, dass die Figur der Vulnavia eigentlich die antike Göttin Athene ist. Ganz sicher wird dem ein oder anderen Rezipienten die Fallen und Tricks des Dr. Phibes an einen nicht ganz so alten Film erinnern: Genau, die Rede ist von SAW aus dem Jahre 2004. (SF)
Platz 10: QUÄLE NIE EIN KIND ZUM SCHERZ / DON‘T TORTURE A DUCKLING (NON SI SEVIZIA UN PAPERINO 1972)
Bereits in Lucio Fulcis erstem Giallo stehen Kinderfiguren im Mittelpunkt der Filmhandlung, gleichsam wird der Bezug zu animalischen Metaphern hergestellt. Das erzählerische Konstrukt dreht sich um die Suche nach einem Serienkiller, der die Jungen eines kleinen, verschlafenen Städtchens quält und tötet. Das Bild der Ente (des Opfertiers) wird hier erstmals bei Fulci aufgegriffen, weitere Tiermetaphern (Wolfshund, Kater) werden in folgenden Filmen als Literaturadaptionen (1973, 1974, 1981) weiterentwickelt und schließlich im höchst kontrovers aufgenommenen THE NEW YORK RIPPER (1982) zur Vollendung gebracht.
Ebenso wichtig: das Antlitz der (christlichen) Kirche, dessen ikonologische Bedeutung. Für den Italiener Fulci bestand stets ein bildlich-dramaturgischer Zusammenhang zwischen der Bedeutung von Glaube/Religion sowie dem unfassbaren Grauen, das sich im menschlichen Inneren breitmacht. Bevor er in seinen folgenden Werken immer stärker ein Kino offengelegter Körper entwickelte und zugleich einige – etwa auch stark von Lovecraft inspirierte – geradezu unfassbare Visionen präsentierte, dringt Fulci in diesem früheren Film gänzlich in die Schattenseiten der menschlichen Seele vor. Besondere Kameraperspektiven verdeutlichen die seelischen Dilemmata der Figuren. Eine Topographie im Spannungsfeld zwischen Tradition und Moderne wird entwickelt. Ein grausiges wie gleichsam betörendes Finale weist den Weg für den folgenden Filmrausch Fulcis. (SJ)
Platz 9: DAS OMEN (THE OMEN, 1976)
Regisseur Richard Donner inszenierte 1976 diesen außergewöhnlichen Horrorfilm, nach einem Drehbuch von David Seltzer. Die Frau des US-Botschafters Robert Thorn (Gregory Peck), Katherine (Lee Remick), bringt ihr gemeinsames Kind zur Welt. Kurz nach der Geburt jedoch stirbt es. Robert Thorn ist sich nicht sicher, wie seine Frau das aufnehmen wird und bittet Pater Spiletto (Martin Benson) um Hilfe. Der bietet ihm an, das Kind auszutauschen, denn zur selben Zeit starb eine Mutter bei der Geburt ihres Sohnes. Das Kind hat keine weiteren Verwandten. Thorn zögert erst noch, schlussendlich willigt er ein und hält den Austausch geheim. Fünf Jahre später ist Thorn Botschafter der USA in Großbritannien. Damien (Harvey Stephens), das ausgetauschte Kind, ist bis dahin ganz normal aufgewachsen. Doch plötzlich mehren sich seltsame Vorkommnisse im Umfeld des Jungen.
Gleich zu Beginn wird tief in die Kiste des christlichen Aberglaubens und der Symbolik gegriffen: Die Geburtszeit des Kindes der Thorn-Familie ist die 6. Stunde des 6. Tages im 6. Monat, also 666. Ebenso ist der Austausch des Kindes, passend zum Titel, ein sehr schlechtes Omen. Diese Symbolik durchzieht den Film wie ein roter Faden. Gleiches war bei DER EXORZIST zu sehen und verstärkt glaubhaft den christlich-religiösen Anstrich des Stoffes zusehends. Die Inkarnation des Bösen in dem Kind ist von vornherein klar, die Frage ist nur, was hat er vor. Die Story ist eher simpel und einfach gestrickt und verlangt keine große Mithilfe vom Zuschauer. Hervorzuheben sind jedoch die für damalige Verhältnisse ausgezeichneten Schockeffekte und das Gespür für Spannung von Regisseur Richard Donner. Der Film zählt bis heute zu den Klassikern des Horror-Genre, was nicht nur auf die Regiearbeit von Richard Donner und den ausgezeichneten Schauspielern zurückzuführen ist, sondern auch zum Teil an der überragenden Filmmusik von Jerry Goldsmith. Der Film wurde mit vielen Preisen ausgezeichnet, darunter der Oscar mit der besten Filmmusik. Wie immer so auch hier, musste nicht lange auf eine Fortsetzung gewartet werden. Es kamen insgesamt noch drei weitere Filme: DAMIEN – OMEN II (DAMIEN: OMEN II, 1978), BARBARA‘S BABY – OMEN III (OMEN III: THE FINAL CONFLICT, 1981) und OMEN IV: DAS ERWACHEN (OMEN IV: THE AWAKENING, 1991). Zudem gab es ein Remake im Jahre 2006 mit dem Titel DAS OMEN (THE OMEN) und 2016 startete gar eine Serie mit dem Titel DAMIEN, die den Originalfilm DAS OMEN von 1976 fortsetzt. Jedoch wurde die Serie wegen zu schwacher Zuschauerzahlen nach der ersten Staffel eingestellt. (SF)
Platz 8: DER EXORZIST (THE EXORCIST, 1973)
Das ist einer der Filme, die sich tief in das kollektive Gedächtnis der Menschen gegraben hat, egal ob man ihn nun selber gesehen hat oder auch nicht. Jeder weiß, um was es geht und worüber gerade gesprochen wird. DER EXORZIST beförderte 1973 den Horror-Film mit einem lauten Knall in den Mainstream und machte ihn gesellschaftsfähig. In der Zeit davor wurde das Genre von den Meisten nur müde belächelt und als Schund abgetan, wie auch das Science-Fiction-Genre, welches 1968 mit Stanley Kubricks 2001: ODYSSEE IM WELTRAUM (2001: A SPACE ODYSSEY) sein Erwachen hatte. Danach ruderten einige Kritiker zurück und revidierten ihre festgefahrenen Meinungen.
Die Schauspielerin Chris MacNeil (Ellen Burstyn) ist mit ihrer Tochter Regan (Linda Blair) zu Filmaufnahmen ihres neusten Projekts nach Washington D. C. gereist. In ihrer Stadtvilla kümmert sich das Kindermädchen Sharon Spencer (Kitty Winn) während ihrer Abwesenheit um Regan. Als die junge Regan zu einer medizinischen Untersuchung bei Dr. Klein (Barton Heyman) ist, fällt das Mädchen durch eine sehr aggressive und ordinäre Wortwahl auf. Die Verhaltensstörungen verstärken sich und die Ärzte wissen, trotz aller Tests und Untersuchungen, nicht, was Regan genau fehlt. Kurz darauf stirbt Chris Freund, der Regisseur Burke Dennings (Jack MacGowran), bei einem seltsamen Vorfall. Lieutnant William F. Kinderman (Lee J. Cobb) wird mit dem Fall betraut. Unterdessen werden mehr und mehr Ärzte zu dem seltsamen Fall der 12-jährigen Regan hinzugezogen. Da keiner der Ärzte die Ursachen der immer schlimmer werdenden Verhaltensstörungen feststellen kann, schlägt einer von ihnen vor, es doch einmal mit einem Exorzismus zu versuchen. Chris wendet sich daraufhin an Pater Damien Karras (Jason Miller), der selber in einer tiefen Glaubenskrise steckt. Regisseur William Friedkin schaffte mit DER EXORZIST einen beängstigenden Film, der durch seine unglaublichen Bilder und der beeindruckenden schauspielerischen Darstellung bis heute fasziniert. Viele ähnliche Filme versuchten erfolglos an sein großen Vorbilds anzuknüpfen. Auch DER EXCORZIST zog mehrere Fortsetzungen nach sich: EXORZIST II – DER KETZER (EXORCIST II: THE HERETIC, 1977), DER EXORZIST III (THE EXORCIST III, 1990) und EXORZIST: DER ANFANG (EXORCIST: THE BEGINNING, 2004), die von der Qualität nicht annähernd an das Original heranreichten. Gerade in den letzten Jahren tauchten wieder vermehrt Filme auf, die sich mit dem Thema Exorzismus befassen, wie z. B. DER LETZTE EXORZISMUS (THE LAST EXORCISM, 2010) oder THE VATICAN TAPES (THE VATICAN TAPES, 2015). (SF)
Platz 7: WENN DIE GONDELN TRAUER TRAGEN (DON‘T LOOK NOW, 1973)
Die Tochter Christine (Sharon Williams) des Ehepaares John (Donald Sutherland) und Laura Baxter (Julie Christie) ertrinkt im Teich vor ihrem Haus. Am Tag ihres Todes trägt das Kind einen roten Regenmantel (Der rote Regenmantel im speziellen und die Farbe Rot im Allgemeinen haben in dem Film eine sehr starke Bedeutung). Kurz danach reist das Ehepaar nach Venedig, wo John wegen der Restaurierung einer Kirche benötigt wird. Der Sohn (Nicholas Salter) bleibt in England im Internat. In einem Restaurant lernt das Ehepaar die Schwestern Wendy (Clelia Matania) und Heather (Hilary Mason) kennen. Heather ist blind und hat das zweite Gesicht. Sie berichtet der verstörten Laura, dass ihre tote Tochter immer bei ihr ist und glücklich sei. Laura sucht ab da weiter den Kontakt zu den Schwestern, John dagegen lehnt das Ganze als Irrglauben ab. Bei einem erneuten Besuch der Schwestern sieht Heather während einer Trance ein großes Unglück auf John zu kommen und er sollte schnellstens Venedig verlassen.
Auch in diesem Film geht es um das Sehen. Zum einen um das Sehen (erkennen) von Gefahr, zum anderen um das Sehen in unbekannte Dimensionen, dort wo die Toten weiterleben. Das Ganze ist verpackt in einer komplizierten und sehr langen Story, die viel vom Zuschauer fordert. Es gilt, Symbole, Farben und Andeutungen als Hinweise zu erkennen und in Zusammenhang mit der Story, wie auch dem weiteren Verlauf der Geschichte, zu setzen. Der Film wird nicht immer stringent erzählt, was es bei der Erstsichtung deutlich erschwert der Handlung zu folgen. WENN DIE GONDELN TRAUER TRAGEN ist außerdem ein sehr religiöser Film. Ein Film, der schwer in Worte zu fassen ist, dass haben schon ganz andere vor mir und vor allem viel besser versucht. Am besten, ansehen und sich vom Bilderrausch mitreisen lassen. Dieser frühe Film von Nicholas Roeg sorgte bei seiner Veröffentlichung gleich für mächtig Schlagzeilen, weil vermutet wurde, dass die Sexszene zwischen Christie und Sutherland nicht nur gespielt war. (SF)
Umfangreicher Text zum Film von Stefan
Platz 6: THE WICKER MAN (THE WICKER MAN, 1973)
Regisseur Robin Hardy führt in diesem Film Elemente eines Thrillers, eines Horrorfilms und eines Musicals (hier können alle, die es noch nicht wissen, Christopher Lee singen sehen und hören) geschickt zusammen. Verpackt in einer mysteriösen und sehr spannenden Geschichte über einen heidnischen Kult, weit abseits der Zivilisation.
Der Polizist Neil Howie (Edward Woodward) erhält einen anonymen Brief von der schottischen Insel Summerisle. Darin steht, dass ein zwölfjähriges Mädchen Namens Rowan Morrison (Gerry Cowper) seit zwei Monaten spurlos verschwunden ist. Howie macht sich sofort auf den Weg zur Insel und trifft dort nur auf eisiges Schweigen. Sogar die Eltern verleugnen, dass sie das Kind auf der Fotografie kennen, welche dem Brief beigelegt war. In der ersten Nacht entdeckt Howie, dass die Bewohner der Insel einem heidnischen Kult angehören, was den tiefreligiösen Polizeibeamten mehr als verstört. Als er am nächsten Tag weiter nach dem Kind sucht, kommt er unter anderem zum Besitzer der Insel, Lord Summerisle (Christopher Lee). Der kann ihm zwar nichts über das vermisste Kind erzählen, aber er erklärt Howie ausführlich, was auf der Insel vor sich geht. Nach einem Besuch in der Bibliothek glaubt Howie, dass Rowan Morrison als Menschenopfer dienen soll. Doch die schreckliche Wahrheit ist noch viel furchtbarer als der Polizist ahnt.
Die unheilschwangere Bedrohung, die beim Betreten der Insel herrscht, steigert sich bis zu echter Panik und nackter Angst. In einfachen, aber äußerst effektiven Bildern fängt Robert Hardy diese Stimmung gekonnt ein. Ein weiteres Element sind die seltsamen Bewohner, die eine Gänsehaut beim Betrachter erzeugen, alleine durch ihre Art und Weise des Umganges mit dem Polizisten. Die Rechte für den Vertrieb in den USA sicherte sich Roger Corman. Zudem gab es drei Versionen des Films (Kinoversion, Director’s Cut und Final Cut). Es soll noch eine deutlich längere Fassung existieren, die für den Vertrieb in Großbritannien gedacht war, aber als verschollen gilt. Christopher Lee war so angetan von dem Stoff, dass er ohne jegliche Gage an dem Film arbeitete. Für ihn war die Rolle des Lord Summerisle die beste seines Lebens, wie er mehrfach in Interviews betonte. THE WICKER MAN ist bis heute nur im Original mit deutschem Untertitel verfügbar. Im Jahre 2006 versuchte Regisseur Neil LaBute ein Remake. Unter anderem wurde der Film vom Hauptdarsteller Nicolas Cage produziert, der ein großer Bewunderer des Originals ist. Wie bei vielen von Cages fragwürdigen Versuchen in der Filmbranche, wurde auch diese „Werk“ von allen Seiten einhellig verrissen und blieb kommerziell erfolglos, zu Recht. (SF)
Hier findet ihr eine umfangreiche Review von Christoph.
Platz 5: ROSSO – FARBE DES TODES (PROFONDO ROSSO, 1975)
Das Mario Bava 1962 mit LA RAGAZZA CHE und 1964 mit BLUTIGE SEIDE (SEI DONNE PER L‘ASSASSINO, 1964) die Grundsteine des Giallo verlegte, haben wir schon mehrfach angesprochen. Zudem startete Bava 1960 mit DIE STUNDE WENN DRACULA KOMMT (LA MASCHERA DEL DEMONIO) den Beginn des gotischen Horrorfilms in Italien. Ein besonderes Markenzeichen von Bava war seine expressive Farbgebung, mit der er die Grenzen zwischen den Genres verschwinden ließ. Dario Argento, Regisseur von ROSSO – DIE FARBE DES TODES, ließ sich sehr stark von Bavas Werken inspirieren und führte auch dessen ausgefallene Farbgebung weiter, bis zu seinen Meisterwerken SUSPIRIA – IN DEN KRALLEN DES BÖSEN (SUSPIRIA, 1977) und INFERNO – HORROR INFERNAL (INFERNO, 1980). In ROSSO – DIE FARBE DES TODES macht Argento das erste Mal so richtig von der Farbe Gebrauch. Zudem finden sich sehr viele Anleihen in der Story, die an sein großes Vorbild Mario Bava aus dessen beiden Ur-Giallis LA RAGAZZA CHE und BLUTIGE SEIDE erinnern.
Rom: Eines Nachts wird Marcus Daly (David Hemmings) Zeuge eines brutalen Mordes an seiner Nachbarin Helga Ulmann (Macha Méril). Als er ihr zu Hilfe eilt, findet er nur noch ihre Leiche in der Wohnung vor. Später, bei der Befragung durch die Polizei, ist sich Daly sicher, dass er ein wichtiges Detail beobachtet hat, sich aber nicht mehr daran erinnern kann. Zusammen mit der Journalistin Gianna Brezzi (Daria Nicolodi) macht sich Daly auf die Suche nach dieser verlorenen Erinnerung und dem Serienkiller, der munter weiter mordet.
Das Auge als Zentrum von allem, bei Argento geht es immer um das Sehen und gesehen werden. Auch wir, die Zuschauer (Voyeurismus), sehen und beobachten oder nehmen die Position des Killers ein: lüsterne, tödliche, verletzte, gestörte und entsetzte Blicke. Robert Zion hat es in seinem Buch „Der verletzliche Blick“ über Argento schön formulierte: „Von der Beobachtung des Beobachters“. Argento erreicht mit diesem Film einen Härtegrad, den man bis dahin in dieser Art nicht gewohnt war. Ein mystischer Thriller, der durch seine künstlerische Gestaltung und seiner Farbdramaturgie besticht und weniger durch seinen Inhalt. Er zwingt uns immer wieder den Blick des Killers auf. Dieser geschickte Schachzug mit der Kamera, verunsichert und irritiert den Zuschauer gleichermaßen. Der Soundtrack, von der Gruppe Goblin eingespielt, verstärkt die brutalen Morde geschickt, wie auch ein latentes Gefühl von Gefahr im Film. ROSSO – DIE FARBE DES TODES ist ein Vorgeschmack auf das, was von Argento in den folgenden Jahren noch kommen sollte. Visuell beeindruckende Werke: mystische Orte und Szenen, Symbolik und geschickte Farbkombinationen, dazu absonderliche Gestalten die jedoch in zum Teil dünnen Storys agieren müssen. Die Dialoge, vor allem die mit komischen Hintergrund, sind dagegen sehr naiv und einfältig, wie auch die Darstellung der Polizei, vor allem in diesem Film. Wiederkehrende Elemente in Argentos Filmen sind z. B.: dass der Zeuge des ersten Mordes ein Ausländer ist, der nur zu Besuch in Italien verweilt. Meistens geht es um ein Verbrechen oder um eine Schuld aus der Vergangenheit. Die Morde selbst werden ausführlich vor und mit der Kamera zelebriert. Dass der Giallo einen großen Einfluss auf die späteren Slasher hatte, haben die Regisseure John Carpenter (HALLOWEEN) und Sean S. Cunningham (FREITAG DER 13.) in Interviews bestätigt. (SF)
Platz 4: DER WEISSE HAI (JAWS, 1975)
Wer kennt es nicht: Das über lange Zeit lediglich angedeutete Erscheinen des Weißen Hais, die bedrohlich pochende Filmmusik von John Williams, die zeitweilige Verbrüderung dreier völlig unterschiedlicher Männer, um dem einem, dem unsäglich-unbesiegbaren Biest final ins Auge zu blicken? Mit DER WEISSE HAI begründete Steven Spielberg 1975 noch vor seinem Kollegen George Lucas das Konzept des Blockbusters. Auch führte er, wie ich immer wieder makuliere, das von ihm mit begleitete New Hollywood unausweichlich zu einem wirtschaftlichen Höhe- und künstlerischen Endpunkt. Die großen Meister – Scorsese, Coppola, Friedkin u.v.a. – sie alle mussten sich der Raffinesse der jungen Abenteurer geschlagen geben, wenn diese bald die Unterhaltungsindustrie der USA bestimmten und ihre Kollegen bissig und mächtig aus dem Rennen warfen. Doch ist DER WEISSE HAI in einzelnen Stellen noch herrlich rau und originell. Nie leugnet er die sichtbaren, blutigen Einflüsse seines Genres, sondern stellt sie wirkungsvoll zur Schau. Für Viele bleibt er Spielbergs bester Film überhaupt.
Als ich von Dr. Wieland Schwanebeck, einem befreundeten Kollegen von der Universität Dresden eingeladen wurde, zu seinem Buch anlässlich des 40-jährigen Jubiläums von JAWS beizutragen, war ich mehr als glücklich. Hier ergab sich die Möglichkeit, Spielbergs Frühwerk unter dem Aspekt des Suburbanen, des Vorstädtischen orthografisch abzustecken. Ein großer Fakt in JAWS bleibt ja die Darstellung der kleinstädtischen Küstengemeinde „Amity“ samt ihrer Bewohner und dem auch festtäglichen Treiben. Es ist dieser (Mikro-)Kosmos einer urbanen Welt, die nicht erst das Kino der 1980er maßgeblich prägen sollte (E.T., EXPLORERS, THE ’BURBS u.s.w.). Zählt man Lucas’ seltener besprochen AMERICAN GRAFFITI (1974) noch hinzu, bleiben gerade Spielbergs frühe Filme, von DUELL (1971) bis UNHEIMLICHE BEGEGNUNG DER DRITTEN ART (1977), entscheidend für die Geografie des Nordamerikanischen Kinos in dieser Zeit. Wer mehr lesen möchte, hier geht’s zum Buch. (SJ)
Platz 3: SUSPIRIA: IN DEN KRALLEN DES BÖSEN (SUSPIRIA, 1977)
Dario Argentos Œuvre erlebte in den letzten zehn Jahren eine überaus bemerkenswerte Revitalisierung, die sich in zahlreichen Audiokommentaren und Texten über ihn – allgemein Neuauflagen seiner Filme – bis hin zu dem von Marcus Stigleggers herausgegebenem Buch „Anatomie der Angst“ führte, das anlässlich Argentos persönlichem Erscheinen beim 1. Cinestrange-Festival in Dresden konzipiert wurde. Allein von SUSPIRIA, Argentos magnum opus, erschienen in den letzten Jahren mehrere Heimkino-Veröffentlichungen auf Blu-ray, die die besondere Liebe zu diesem Werk reflektieren. (Empfohlen sei neben dem edlen deutschen Leatherbook auch die 2017er-Restauration des US-Synapse, die in einer farbgetreu wiederhergestellten Fassung vorbildlich die Möglichkeiten von Heimkino-Medien demonstriert.)
Der originale SUSPIRIA ist ein Meilenstein des (europäischen) Horrorkinos, ein Kunstwerk modernen Grauens. Während etwa das Kino von Romero oder Carpenter konsequent das Dystopische in düster-entsättigten Bildern reflektierte, entfacht Argento spätestens mit SUSPIRIA einen ultimativ leuchtenden Feuersturm der Angst. Ein Alptraum in Primärfarben, ist dieser Film nicht weniger als ein hoch kunstvolles Horror-Märchen für Erwachsene. Bezüge zum Nationalsozialismus sind ebenso Teil dieses Films wie das visuelle Spiel mit Raumgestaltung und Dimension. Der neue SUSPIRIA (2018) schöpft sehr aus Argentos Mutter-Trilogie, obgleich er eigenständig und neu erzählt. Doch Argentos Vision anno ’77 nimmt mich noch heute ungleich intensiver mit. Ein zeitloses Meisterwerk, ein Film für den „es sich zu leben lohnt“, wie Marcus Stiglegger einmal seine Liebe zum Kino formulierte. (SJ)
Platz 2: ALIEN – DAS UNHEIMLICHE WESEN AUS EINER FREMDEN WELT (ALIEN, 1979)
Im Jahr 1976 arbeitete ein begeistertes Drehbuch-Team namens Ronald Shusett und Dan O’Bannon erste Züge eines textuell erfahrbaren SF-Horrors aus. Damals ohne häusliche/finanzielle Mittel und selbst ein Randsubjekt der Gesellschaft, konzipierte O’Bannon mit seinem befreundeten Kollegen die simple Grundidee der Horror-Odyssee im Weltraum. Diese handelt bis auf Weiteres lediglich von einen Suchtrupp von Raumfahrern, der durch ein unbekanntes – das ist bereits die in weiteren Begriffen lediglich abgewandelte Kernaussage des Titelschemas – also durch ein unbekanntes Signal auf einen fremden Planeten gelangt und mit unvorhersehbaren Gefahren konfrontiert wird, sodass die Crew nach und nach verunsichert wird und schließlich den Bezug zur faktischen Realität zu verlieren scheint. Das Hauptmotiv der gesamten ALIEN-Saga ist psychischer Schrecken, der von gegenseitigem Misstrauen verursacht wird. Der erste ALIEN geriet zu einem der wichtigsten Genre/Hybridfilme aller Zeiten. Ein Science-Fiction-Film für Erwachsene, ein die Grenzen auslotendes und überschreitendes Seherlebnis, das Aufmerksamkeit forderte, Schockmomente bereithielt und Läuterung versprach. Das Physische, die ganze effektbetonte, blutige Zote ging damit einher und blieb gerade im Laufe der Fortsetzungen fest mit dem Filmkonzept verbunden. Alles baut aber im Fundament auf dem geistigen Terror auf, den die Macher des ersten Teils als essenziell erdacht haben.
ALIEN bleibt aber vor allem wegen Ridley Scotts Gespür für visuelles Erzählen berühmt. Scott hielt bei der Produktion die Ideen von O’Bannon und den Produzenten Gordon Carroll, David Giler und Walter Hill handwerklich zusammen. Zudem war er derjenige, der H. R. Gigers beachtliches Talent ununterbrochen unterstützte, der die Kreativität und lohnende Arbeitsweise des Schweizer Künstlers nicht aus den Augen verlor und diesem vor den Produzenten letztlich mehr Einfluss zusprach. Scott arbeitete ununterbrochen mit seinem Kamerateam und Cutter Terry Rawlings (bekannt auch für BLADE RUNNER) zusammen und erschuf eine ganz eigene Welt. Der Weltraumfrachter „Nostromo“ mit seinen weiten, scheinbar nicht endenden Fluren und Gängen stellt die stille Hauptfigur des Films dar. Langsam und bedächtig wird die Geografie des technisierten Weltalls in ausladenden Kamerafahrten eingefangen. Die Landung des Raumschiffs auf dem Planeten LV-426 erinnert in keinem Moment an die schwebenden und rasenden Flugkörper aus KRIEG DER STERNE, sondern die Annäherung an die letzten Meter schroffen Untergrunds gleichen vielmehr einer existenziellen, massiven Erschütterung. Hier muss die Crew bereits den ersten Kampf an Bord gegen Feuer und technische Störungen austragen. Hinzu kommt das besondere Lichtdesign, das von klinisch-sterilem Weiß über attackierende Dampfschwaden und Stroboskop-Blitze bis hin zum morbide schimmernden Höllen-Vorhof im Alien-Raumschiff reicht. Alle Effekte waren damals fotografisch, die Sets echt gebaut. ALIEN vermag bis heute, den Zuschauer eindringlich und nachhaltig in diese fremdartig-faszinierende Welt hineinzuziehen, wo nur ein Gesetz gilt, die Spitze des Denkschemas vom survival of the fittest: Überlebe oder werde gefressen.
Mit dem Tod kommt aber auch das Leben. Was Scott in der jüngeren Vergangenheit mit seinen Vorgeschichten oft umständlich formulierte und gar eine Neuschreibung der Evolution präsentierte, das bleibt in seinem zweiten Kinofilm stets geradlinig und kompakt. Das Raumschiff mit Bordcomputer „Mother“ gebiert selbst ein Kind. Das Alien durchläuft das Stadium eines Babys im weiblichen Leib. Es wächst von Embryo zum Fötus heran, der Versuch der Abtreibung durch Captain Dallas (Tom Skerritt) scheitert. Weiterhin hört die Crew quasi die Herztöne des außerirdischen Kinds per Frequenzmesser und Ripley (Sigourney Weaver) durchlebt schließlich selbst die „Geburt“, treibt das Baby durch den Ausgang des Raumschiffs nach außen und kappt final dessen Nabelschnur durch die Betätigung des Antriebsfeuers. Wenn sie im letzten Bild wie ein modernes Schneewittchen mit Katze Jonesy in ihrem hypothermischen Sarg einschläft und uns ein letztes Mal die Klänge von Komponist Jerry Goldsmith begleiten, kehrt die panische Achterbahnfahrt final doch noch in einem geradezu märchenhaften Ruhepunkt ein, was verzaubernd und erschreckend zugleich wirkt und in James Camerons Fortsetzung sieben Jahre später mehr als würdig fortgesetzt wurde.
Hier ein Audiopanel mit mir und Dr. Wieland Schwanebeck im Rahmen des Lichtwerk-Kabinetts, zu dem wir die ersten beiden ALIEN-Teile im Kino zeigten, auch als Videofeature mit thematisch ausgesuchten Szenenbildern aus unserer Präsentation zu sehen. (SJ)
Platz 1: HALLOWEEN – DIE NACHT DES GRAUENS (HALLOWEEN, 1978)
Was kann man über John Carpenters originalen HALLOWEEN eigentlich noch schreiben, ohne zu langweilen, ohne andere oder sich selbst zu wiederholen? Über den Zeitpunkt etwa, als der Film entstand und welch wahrhaft glücklichen Moment er in der Karriere seines Schöpfers darstellt? Über dessen brachialen Erfolg, über die gesamte Reihe mit ihren Höhen und Tiefen? Über die ikonenhafte Nemesis, die auch vierzig Jahre später im neuesten Teil immer noch unheimlich wirkt?… Vielleicht lohnt einmal mehr ein Blick auf dessen grandiose, seither unerreichte Atmosphäre, dieses meisterhafte Erzeugen von Suspense, was vorrangig über die beachtliche Kinematographie (Kamera-Regie: Dean Cundey) und kaum mit Effekten entwickelt wurde. Der Film orientiert sich dabei klar und direkt am großen Vorbild Alfred Hitchcock (auch das ist ja bekannt).
Der Grund, warum ich mir HALLOWEEN über die Jahre mehrfach angeschaut habe, warum ich ihn bei früheren Videoabenden anhimmelte und ihn bis heute wirklich schätze, ist weniger der phantomhafte Killer, die paar fiesen Schocks oder das beachtlich-nervige Gekreische gegen Ende des Films (das Jamie Lee Curtis den Titel „Scream-Queen“ einbrachte). Vielmehr ist es diese über weite Strecken konsequent durchgezogene Ruhe und Beschaulichkeit, diese makabere Unaufgeregtheit, mit der der Film vorantrottet, so könnte man sagen. Dass sich HALLOWEEN bewusst Zeit lässt, merkt man bereits am Vorspann, bei dem die Namen der Beteiligten wie bedächtig flackernde Kerzen erscheinen und wieder abblenden. Oder an den ausführlichen Gesprächen zwischen Laurie und ihren Freundinnen, die rein gar nichts zur Handlung beitragen, aber für das Gefühl des Moments bzw. der Sequenz entscheidend sind. Oder an der Präsenz von Donald Pleasence, dessen Figur im Film sich eigentlich nicht blöder anstellen könnte, deren stimmungsvolle Mono- und Dialoge dies aber immer wieder schnell vergessen machen. Oder die geografische Qualität des Amerikanischen, des Vorstädtischen, in dessen beschaulichem Herzen das unfassbare Grauen geboren wird. Dieser Film wollte nicht das Kino neu erfinden oder besonders wichtig sein. Er ist die (grandiose) Summe sehr einfacher Dinge. Und gerade deshalb schien er im Laufe der Zeit immer wichtiger – nicht zuletzt im direkten Kontrast zu den folgenden, sehr extrovertierten Achtzigerjahren, auch im Kino.
HALLOWEEN fasziniert bis heute und wirkt dadurch zeitlos. Das schaffen nur wenige Werke und es ist wirklich schön, dass diese Hommage an Hitchcock just auch filmhistorisch aufgeht: genau wie der günstig gedrehte PSYCHO (1960), der „Hitch“ bei Veröffentlichung wahrlich nicht nur Zuspruch einbrachte, beweist HALLOWEEN bis heute, dass die Magie des Kinos, die besondere Kraft des filmischen Erzählens irgendwo zwischen den Einstellungen versteckt ist. Bei diesen und einigen anderen Filmen weiß man ja, wie sie ausgehen, man kennt ihre Handlung, weil sie oft gesehene Klassiker sind. Doch man schaut sie sich aus einem bestimmten Grund immer wieder gerne an. Der Grund ist das eben Genannte: diese ganz besondere Stimmung.
Ich will John Carpenters HALLOWEEN endlich einmal im Kino sehen, dort, wo dieser Film mit seinen breiten Cinemascope-Bildern unbedingt hingehört. Ich will zusammen mit Laurie auf den geräumigen und von Laub bedeckten Straßen von Haddonfield entlang spazieren, mich mit Michael hinter dichtem Gebüsch verstecken. Ich will mit Dr. Loomis in die tiefschwarze, leinwandfüllende Nacht des Grauens blicken. Bei der komplizierten Rechtelage hierzulande scheint ein 35mm-Screening mit überzeugender Projektion schwierig. Doch ich gebe die Hoffnung nicht auf. (SJ)
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Ohne Kaffee geht hier gar nix / Liebt den Phantastischen Film in Wort und Bild / Vor allem alles was vor 2000 entstanden ist / Lieber ein neues Regal mit Filmen als einen Schrank mit Klamotten