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Die Astronautin von S. K. Vaughn – Buchkritik

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Dieses Buch hätte so viel mehr sein können.

„Patient wiederbelebt.“

Nach einem packenden Einstieg in die Geschichte im Jahr 2045 aus den kalten Tiefen eines dunklen Sees in die eisige Schwärze des Weltalls, wacht man mit Commander Maryam „May“ Knox am 25. Dezember 2067 auf dem Raumschiff Stephen Hawking II unsanft auf. In einer Intensivpflege-Isolationskapsel lag May in einem künstlichen Koma und hat nun kaum Erinnerungen an die Zeit vor als auch nach dem Start der Mission zum Jupitermond Europa. Sie fühlt sich krank, ist dehydriert, abgemagert und desorientiert und bringt doch die ihr verbliebene Kraft und Willensstärke auf, um die offensichtlich prekäre Lage, in der sich die Hawking II befindet, zu erfassen. Im Raumschiff ist es kalt und dunkel, nur die Notlichter flackern, es wird stark erschüttert und ist völlig vom Kurs abgekommen. Außer Commander May und der künstlichen Intelligenz Eve, scheint sich niemand mehr an Bord zu befinden. Es gibt keine Funkverbindung.

„Erledige deinen Job. Lass dich nicht von deinem Job erledigen.“

Worauf man sich als Leser nun freut, ist eine schöne Reihe an Problemen und brenzligen Situationen, welche man gemeinsam mit der Hauptfigur meistert. Man möchte sich gruseln, vor Spannung den Atem anhalten, sich erschrecken oder erleichtert durchatmen und dabei Details der Mission als auch die Person May kennenlernen. Das geschieht anfangs auch dank des wunderbar schrägen Humor Mays, ihren witzigen Dialogen mit Eve und ihrem pragmatischen Vorgehen.

Auch Physiker und Ehemann Dr. Stephen Knox, der die Nanotechnologie für diese NASA-Mission entwarf und damit maßgeblich an dem Forschungsunterfangen der Hawking II beteiligt war, ist eine Sympathiefigur und füllt die Lücken der Geschichte von der Erde aus. Parallel zu May gilt es für ihn ebenfalls einige Herausforderungen zu bestehen, was entscheidenden Einfluss auf das Überleben seiner Frau hat.

„Fucked up beyond all recognition“

All das hätte so wahnsinnig spannend sein können, wenn da nicht die ständigen Rückblenden in die Vergangenheit der beiden wären. Immer wieder wird man nach nur wenigen Seiten auf der Hawking II aus dem Lesefluss gerissen und zurück in die banale Beziehungskiste auf die Erde gezwungen. Ein vorhersehbares Ereignis jagt das nächste und was eine herrlich nervenzerreißende Space Odyssey hätte werden können, verkommt zu einer kitschigen Seifenoper. Das hört auch bis zum Ende des Buchs einfach nicht auf. Die Intention des Autors, die Puzzleteile von Mays Leben erst nach und nach zusammenzusetzen und so die Neugier des Lesers zu kitzeln, geht zu Lasten der Spannung. Das Ende des Buchs wird einem dank der Liebesgeschichte, die keine ist, so richtig vermasselt. Insgesamt ist es eher ein Drehbuch für einen Blockbuster, der das Interesse der Menschen für Raumfahrt und Beziehungsgeklüngel miteinander vereint.

„Firmeneigenes Material. Wegweisend, bahnbrechend, all das.“

Der technische Anteil der Story wird leider sehr oberflächlich und oft unverständlich abgehandelt, so dass man seine Vorstellungskraft beim Lesen schon verbiegen muss, um Sinn aus dem Ganzen zu machen. Allein die Beschreibung diverser Raumfähren bringt einen so richtig ins Grübeln. Selbst nach mehrmaligem Lesen mancher Absätze, kann man sich aus den Beschreibungen oft keinen Reim machen und gibt schulterzuckend auf. Und selbst, wenn man meint, man hätte es vor seinem inneren Auge, wird einem im Fortgang der Geschichte dann wieder ein neues, frustrierendes Rätsel aufgegeben. Dabei sind einige wenige, wirklich großartige Einfälle dabei, die jedoch ohne nähere Beschreibung in physikalischen Begriffsphrasen abgehandelt werden.

Fazit

DIE ASTRONAUTIN ist keine verschenkte Lesezeit, jedoch sollte man das Buch am besten am Stück lesen, um im Fluss zu bleiben. Die einzelnen, zeitlich und thematisch springenden Kapitel rauben einem sonst den Nerv und lösen die schöne Spannung in Sternenstaub auf. Wer über physikalische und logische Ungereimtheiten hinwegsehen kann und eine moderne Heldin mit weltlichen Problemen auf ihrer Mission begleiten möchte, dem sei diese kleine Space Opera ans Herz gelegt.

  • DIE ASTRONAUTIN von S. K. Vaughn
  • Aus dem Englischen von Thomas Bauer
  • Originaltitel: Across the Void
  • GOLDMANN Verlag
  • Paperback , Klappenbroschur,
  • 544 Seiten, 13,5 x 20,6 cm, 16,00 €
  • ISBN: 978-3-442-20572-1
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  • Erschienen am  15. Juli 2019